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Haushalt 2022 : Ein weiterer Krisen-Etat

Der Haushaltsausschuss hat den Haushalt 2022 beschlossen. Für die Neuverschuldung ist eine Ausnahme von der Schuldenbremse nötig.

23.05.2022
2024-03-11T13:06:08.3600Z
4 Min

In der kommenden Woche wird sich der Bundestag fast ausschließlich dem Bundeshaushalt 2022 widmen - die zweite und dritte Lesung stehen an. Das Gros der Arbeit der Haushaltsexpertinnen und -experten der Fraktionen ist allerdings schon erledigt. Am vergangenen Freitagmorgen beschloss der Haushaltsausschuss nach rund 14-stündiger Beratung die Fassung, die kommende Woche aller Voraussicht nach den Bundestag passieren wird.

Foto: picture-alliance

Wie hier in Hamburg entstehen aktuell bundesweit Unterkünfte für ukrainische Geflüchtete. Auch im Haushalt 2022 ist ihre Versorgung ein großes Thema.

Der Haushalt 2022 ist weiterhin ein Krisen-Haushalt - die Corona-Pandemie, aber auch die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine drücken sich in den Zahlen, Titeln und Ansätzen aus. Mit geplanten Ausgaben in Höhe von 496,8 Milliarden Euro sollen in diesem Jahr zwar 60,8 Milliarden Euro weniger ausgegeben werden als im Vorjahr. 2019, als die Welt im Allgemeinen und haushaltspolitisch noch normaler war, gab der Bund gerade mal 343,6 Milliarden Euro aus - und machte keine neuen Schulden.

Ausnahme von Schuldenregel

Nun wird bereits zum dritten Mal in Folge eine Ausnahme von der Schuldenregel des Grundgesetzes beantragt werden müssen. Die Neuverschuldung soll laut beschlossenem Entwurf bei 138,9 Milliarden Euro liegen. Das hatte auch der Ende April vorgelegte Ergänzungshaushalt vorgesehen, der seinerzeit noch von Ausgaben in Höhe von 483,9 Milliarden Euro ausging. Im vergangenen Jahr nahm der Bund Kredite in Höhe von 215,4 Milliarden Euro auf.

Der im März vorgelegte Regierungsentwurf hatte eine Nettokreditaufnahme von 99,7 Milliarden Euro bei Ausgaben von 457,6 Milliarden Euro eingestellt. Allerdings erklärte ihn Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) - mit Blick auf den Konflikt in der Ukraine - schon bei der Vorstellung für in Teilen obsolet.

Der Etat ist geprägt vom Krieg

In der Tat: Der russische Überfall auf die Ukraine prägt diesen Haushalt - im Großen wie im Kleinen, direkt und indirekt. Schon die ungewöhnliche Vorlage eines Ergänzungshaushaltes in den laufenden Haushaltsberatungen war dem Umstand geschuldet, dass der Krieg auch für Deutschland weitreichende finanzielle Folgen haben würde. Im Energiebereich etwa: Dort sollen in diesem und den nächsten Jahren allein 2,9 Milliarden Euro für schwimmende LNG-Terminals fließen, um die Unabhängigkeit vom russischen Gas zu sichern (siehe auch Seite 6). Hinzu kommt eine Milliardensumme zur Sicherung der Gasreserve. Über den Energie- und Klimafonds werden weitere Milliarden mobilisiert, um Energieeinsparungen und Energieeffizienz voranzubringen.

Die gestiegenen Energiekosten, auch in Folge des Krieges, werden einerseits durch steuerliche Entlastung haushaltswirksam (300 Euro "Energiepauschale", Energiesteuersenkung, Neun-Euro-Ticket etc.), andererseits auch ganz praktisch: Die Bundeswehr muss in diesem Jahr bei den Betriebsstoffen mit deutlichen Mehrausgaben rechnen. Statt 140 Millionen Euro wird mit Ausgaben von 270 Millionen Euro gerechnet.

Ausgaben für humanitäre Hilfe steigen stark an

In den Einzelplänen des Auswärtigen Amtes und des Entwicklungsministeriums steigen die Ausgaben für humanitäre Hilfe in dreistelligen Millionenbereichen; im Verkehrsetat kommen 90 Millionen Euro hinzu, weil das Bundesamt für Güterverkehr die Verteilung der Geflüchteten koordiniert; auch die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten wird Bund, Länder und Kommunen Milliarden kosten. Für die berufsbezogene Deutschsprachförderung durch das BAMF sollen beispielsweise zusätzliche 105 Millionen Euro fließen. Das zeigt sich auch in kleineren Titeln: Für finanzielle Hilfen für schwangere Frauen aus der Ukraine sollen über die Stiftung "Mutter und Kind - Schutz des ungeborenen Lebens" 2,4 Millionen Euro fließen. Im Landwirtschaftsetat sind fünf Millionen Euro für die Unterstützung von Tierheimen eingeplant, die sich aktuell um die Versorgung und Impfung von mitgebrachten Haustieren aus der Ukraine kümmern. Im Justizetat wird personell auf den Konflikt reagiert. Beim Generalbundesanwalt entstehen zwei neue Referate mit Spezialisten, die sich unter anderem der Verfolgung von Kriegsverbrechen widmen sollen.

Auch die Corona-Pandemie schlägt noch einmal kräftig im Haushalt durch. Hatten die bisherigen Planungen für den Gesundheitsetat Ausgaben von rund 53 Milliarden Euro vorgesehen, sind es nach dem Beschluss des Ausschusses nun über 64 Milliarden Euro. Damit werden überwiegend Ausgaben in dem Einzelplan vermerkt, die im Laufe des Jahres schon im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung angefallen waren. Das gilt etwa für die "Leistungen des Bundes an den Gesundheitsfonds für SARS-CoV-2-Pandemie verursachte Belastungen", die um 8,3 Milliarden Euro auf 30,03 Milliarden Euro steigen. Darin enthalten ist unter anderem die Kostenübernahme des Bundes für Corona-Tests bis 30. Juni in Höhe von 3,9 Milliarden Euro.

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Bei allen Herausforderungen gelang es der Koalition aus ihrer Sicht, eigene Akzente und Schwerpunkte zu setzen. Hervorgehoben wurde unter anderem die Aufstockung der Mittel für das "Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand" (ZIM) und das "Innovationsprogramm für Geschäftsmodelle und Pionierlösungen" (IGP), Mittel für die Digitalisierung der Schiene und Investitionen gegen den Klimawandel. Auch der Radverkehr wird verstärkt gefördert, ebenso eine Extremismusstudie in Behörden. Wenig überraschend sieht das die Opposition anders. Sie stimmte im Ausschuss geschlossen gegen den Haushaltsentwurf der Ampel-Koalition.

Einnahmen und Investitionen

Die Steuereinnahmen sollen in diesem Jahr nunmehr 328,4 Milliarden Euro betragen. Das sind rund vier Milliarden Euro weniger, als im Ergänzungshaushalt und im Regierungsentwurf vorgesehen waren. Die Bundesregierung hatte zwischenzeitlich steuerliche Entlastungen beschlossen. 2021 lagen die Steuereinnahmen bei 313,5 Milliarden Euro. Die sonstigen Einnahmen fallen demgegenüber in diesem Jahr mit 28,4 Milliarden Euro um 15,9 Milliarden Euro höher aus als im Ergänzungshaushalt und liegen etwas über dem Vorjahresniveau. Für Investitionen werden im Haushalt nun 51,5 Milliarden Euro ausgewiesen, etwas mehr als die 50,8 Milliarden Euro des Ergänzungshaushaltes und des ursprünglichen Regierungsentwurfes. 2021 waren es laut Haushaltsabschluss 45,8 Milliarden Euro.