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Zweischneidiges Schwert : Wie Instagram-Tourismus das Reisen verändert

Vom Geheimtipp zum Touristenmagnet: Orte wie der Antelope Canyon werden durch Instagram und Co. weltbekannt - mit fatalen Folgen für Natur und Menschen vor Ort.

25.07.2022
2023-12-07T14:37:04.3600Z
4 Min

Lässig steht die Frau auf dem kleinen Pfad, der sich durch die rote Felsformation schlängelt. Ihr Blick geht nach oben, folgt den Wänden bis hoch zum Himmel. Eine Hand ruht auf dem kalten Gestein. Weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen. Ein Bild wie dieses findet sich zuhauf in den sozialen Medien. Ein ähnlicher Bildausschnitt, dieselbe Pose. Mit mehr als 653.000 Einträgen ist der Antelope Canyon im amerikanischen Arizona eine echte Berühmtheit in den sozialen Medien.

Ob Destinationen, Unterkünfte oder (angebliche) Geheimtipps vor Ort: Die sozialen Medien sind für viele essentieller Bestandteil der Urlaubsplanung. Laut einer Studie des Verbands Internet Reisevertrieb e.V. verwendet knapp ein Drittel der Nutzer soziale Plattformen wie Instagram, um sich Anregungen für den Urlaub zu holen.


„Es entsteht eine ganz neue Form des Pauschaltourismus.“
Autor Wolfgang M. Schmitt

Zu Beginn der Reiseplanung könnten ansprechende Fotos auf sozialen Plattformen dazu dienen, dass Menschen auf einen Ort oder eine Unterkunft aufmerksam werden, sagt André Gebel. Er ist seit vielen Jahren als Berater im Tourismusmarketing aktiv. Besonders in den vergangenen Jahren seien die auf Bilder ausgelegten sozialen Medien immer wichtiger für die Branche geworden, schließlich ließen sich "Botschaften dort schnell, breit und kostengünstig verteilen". Hotels würden mit malerischen Fotomotiven oder extravaganten Poollandschaften werben. Auch Städte, wie beispielsweise Frankfurt am Main, weisen auf ihrer Website die beliebtesten Fotospots der Stadt aus.

Instagram-Tourismus als "zweischneidiges Schwert"

Ob und wie die eigene Urlaubserfahrung auf den sozialen Medien inszeniert werden kann, spiele teilweise eine größere Rolle für den Urlaub als der Ort selbst, sagt Wolfgang M. Schmitt. Der Buchautor hat sich intensiv mit den Mechanismen der sozialen Medien befasst und dabei auch den sogenannten Instagram-Tourismus untersucht. Damit ist nicht nur gemeint, dass Menschen durch soziale Plattformen an den Reisen anderer teilhaben, sondern auch, dass sie diese Reisen nachahmen und selbst auf Instagram und Co. inszenieren. Eine Schlüsselrolle spielen dabei sogenannte Influencer und Reiseblogger. Von Hotels oder Destinationen engagiert, reisen sie zu den schönsten Orten der Welt und ziehen andere Besucher an. Eine Strategie, die auch autoritäre Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate nutzen. Influencer dürfen dort allerdings nur arbeiten, wenn sie sich per Lizenz verpflichten, nicht kritisch über das Land zu berichten.

Im Gegensatz zum Reisejournalismus, der sich auch kritisch mit Orten auseinandersetzt, gehe es auf Instagram oftmals eher um das Darstellen der idyllischen Welt, der individuellen Erfahrung, sagt Schmitt. Auf Fotos entstehe der Eindruck, dass sich eine Reise ganz individuell im Einklang mit der Natur gestalten lässt. Gleichzeitig werden die Bilder von Millionen Menschen konsumiert. "Es entsteht eine ganz neue Form des Pauschaltourismus", sagt Schmitt.

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Während sich Hotels laut Gebel über die wachsenden Besucherzahlen freuen dürften, sei der Hype durch Social Media für andere Destinationen ein "zweischneidiges Schwert". Zwar sei Tourismus aus wirtschaftlicher Sicht ein wichtiger Faktor für Regionen, auf der anderen Seite könne zu viel Tourismus Menschen und Natur schnell überfordern. Dies gelte besonders für entlegene Orte, die durch Social Media plötzlich einer breiteren Masse bekannt werden. So auch die Felsformation "The Wave" nahe des Antelope Canyon. Durch ihre geschwungene Form und den gestreiften Sandstein entsteht der Eindruck einer Welle mitten in der Wüste. Doch weil die Menge an Touristen zu viel für die Natur wurde, hat der Bundesstaat Utah den Zugang beschränkt. Eine Lotterie wählt täglich maximal 64 Gewinner aus, die das Naturschauspiel bestaunen können.