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Vorstoß aus Frankreich : Ein Europa, eine Armee?

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat die Debatte über eine gemeinsame europäische Armee wiederbelebt. Deutschland reagiert verhalten auf die Forderung.

08.08.2022
2024-02-26T10:30:02.3600Z
3 Min

Russlands Angriff auf die Ukraine habe die bereits als "hirntot" geschmähte Nato geeint, gestärkt und in ihrer Daseinsberechtigung bestätigt, heißt es dieser Tage oft.

Der Krieg hat aber zugleich auch in eine alte Debatte neue Dynamik gebracht: Seit dem 24. Februar mehren sich die Stimmen derer, die sich für eine gemeinsame europäische Armee aussprechen. Europa müsse sich selbst verteidigen können, so der Tenor. Hinsichtlich der eigenen Sicherheit dürfe man sich nicht mehr nur allein auf die USA verlassen.

Macron will eine handlungsfähige Verteidigung der EU

Eine Forderung die zuvor insbesondere der französische Präsident Emmanuel Macron wiederholt geäußert hatte: Mit Blick auf die Aggressionspolitik Russlands, das 2014 die Krim annektiert hatte, müsse die EU, ergänzend zur Nato, im Verteidigungsbereich "selbständig handlungsfähig" werden, mahnte Macron bereits 2017 und plädierte ein Jahr später für die Schaffung einer "wahren europäischen Armee".

In Deutschland riefen solche Vorschläge zunächst nur verhaltene Reaktionen hervor: EU-Streitkräfte seien, so Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), eine "Vision" an der es zu arbeiten gelte, aber "kein Projekt unmittelbar für morgen", wie auch Ursula von der Leyen (CDU), die damalige Verteidigungsministerin, betonte.

Foto: picture alliance / EPA | RONALD WITTEK

Skeptikerinnen der EU-Armee: Ex-Kanzlerin Angela Merkel (l.) und die ehemalige deutsche Verteidigungsministerin und heutige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (beide CDU).

Gleichwohl - erste Ansätze dafür gibt es längst: Unter dem Eindruck des Brexits und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten begannen die Europäer im Verteidigungsbereich näher zusammenzurücken. 2017 hob die EU die ständige strukturierte Zusammenarbeit, kurz Pesco, aus der Taufe, an der sich bis auf Dänemark und Malta alle EU-Mitgliedstaaten beteiligen und im Rahmen von 60 Rüstungsprojekten kooperieren, etwa beim Drohnenbau oder bei der Cyberabwehr. Der "Strategische Kompass", mit dem sich die EU nach zweijähriger Arbeit im März auf eine neue Sicherheitsstrategie einigte, sieht neben einer besseren Abstimmung von Rüstungsvorhaben und Militärausgaben auch bis 2025 die Schaffung einer rund 5.000 Soldaten starken schnellen Eingreiftruppe vor. Die bereits seit 2007 existierenden, aber nie eingesetzten Battlegroups sollen so erweitert und schlagkräftiger aufgestellt werden.

Befürworter: Geschlossenheit Europas gegen den Aggressor Putin nutzen

Die Diskussion um eine europäische Armee geht indes weiter: Es gebe jetzt ein Zeitfenster für eine militärische Integration, drängen ihre Befürworter. Die seltene Geschlossenheit Europas gegen den Aggressor Putin gelte es zu nutzen. Als Argument führen sie Effizienzgewinne an: Es ließe sich Geld sparen, außerdem wären 27 gemeinsam agierende Staaten militärisch stärker und politisch besser legitimiert. Die Gegner europäischer Streitkräfte bezweifeln das und verweisen auf ungeklärte politischer Fragen: Wer solle die EU-Armee leiten, ihre Einsätze beschließen und kontrollieren? Entscheidungsprozesse in der EU seien zu langwierig, das Europaparlament zu schwach. Und könne ein EU-Heer noch Teil der Nato sein? Doch vor allem, so argumentieren sie, müssten die EU-Staaten Souveränitätsverluste akzeptieren - und das sei sobald nicht zu erwarten.

Dessen ungeachtet gerät in der Debatte das Thema der nuklearen Abschreckung in den Fokus: Die Abhängigkeit von den USA im Rahmen der nuklearen Teilhabe solle reduziert, die EU selbst Atommacht werden, meinte CDU-Fraktionschef Friedrich Merz im Juni. Das Angebot Frankreichs, einen Dialog über die Rolle der französischen nuklearen Abschreckung für die europäische Sicherheit zu führen, habe die Bundesregierung aber "ignoriert". Dass sich die Ampel bei der Suche nach atomwaffenfähigen Kampfflugzeugen als Ersatz für die veralteten Bundeswehr-Tornados im März für einen Tarnkappenjet aus US-Produktion entschied, könnte jedoch eine Antwort gewesen sein.