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Entwicklung der Wirtschaft : Wo einst die Kraftzentren der Industrialisierung lagen

Große Wirtschaftszentren gab es vor 1945 vor allem im Osten Deutschlands. Insbesondere Sachsen und Berlin galten als Antreiber der Industrialisierung.

22.08.2022
2024-03-04T11:06:34.3600Z
2 Min

Die Wirtschaft in Ostdeutschland war lange Zeit alles andere als rückständig. Insbesondere Sachsen und Berlin galten gar als Antreiber der Industrialisierung in Deutschland. So wurde 1798 in Chemnitz die nach Düsseldorf zweite deutsche Fabrik überhaupt, eine Spinnmühle, eingeweiht. Rund um die Stadt entstanden in den Folgejahren weitere Textilfabriken und später im Zuge der aufkommenden Massenfertigung auch Maschinenbauwerke. Das brachte der Stadt im Erzgebirge den Beinamen "sächsisches Manchester" ein.

Foto: picture alliance/ullstein bild

Leipziger Messe im Jahr 1922: Sie zählt zu den ältesten Messestandorten der Welt.

Insgesamt waren die industriellen Zentren Deutschlands breit über das Land verteilt. Im heutigen Nordrhein-Westfalen trieben Kohle und Stahl, in Schlesien der Bergbau, in Sachsen der Maschinenbau die Entwicklung voran. Laut einer Statistik aus dem Jahr 1846 gab es allein in Chemnitz 135 Werkzeugmaschinenfabriken, in Dresden 60, in Berlin 38 und in Leipzig 19. Erst dahinter folgten folgen Köln und Düsseldorf mit je fünf Werken.

Berlin war einst größte Industriestadt Deutschlands

Ein zweites ökonomisches Kraftzentrum befand sich in Leipzig. Spätestens mit dem Bau einer neuen Messe im Jahr 1895 rückte die Stadt international in den Blickpunkt des Handels. Weitere Schwerpunkte waren Buchdruck und -Handel.

Berlin war lange Zeit die größte Industriestadt Deutschlands. Zwischen 1871 und 1910 zog es Hunderttausende Arbeitskräfte an, neben tatkräftigen Unternehmern auch viele verarmte Menschen aus den schlesischen und ostpreußischen Reichsgebieten. Die Wirtschaftskraft des Ostens war damals enorm, sieht man von den landwirtschaftlich geprägten Regionen im Nordosten ab. "Noch 1939 war die Region dem Westen weit überlegen", heißt es in einer Analyse der "Welt" aus dem Jahr 2005. Die Industrieproduktion je Einwohner betrug 725 Reichsmark, im Westen 609 Reichsmark.Viele klangvolle Namen der Industriegeschichte haben ihre Wurzeln in den heutigen Ost-Bundesländern. Der Autohersteller Audi fußt auf einem Zusammenschluss der sächsischen Autoindustrie, Siemens und Borsig entstanden ebenso in Berlin wie die Lufthansa. Die Dresdner Bank wurde in der sächsischen Landeshauptstadt gegründet, auch der Kosmetikkonzern Wella kommt ursprünglich aus Sachsen. Autos von BMW kamen früher aus Eisenach, die Knorr-Bremsen aus Berlin.

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Die Liste ließe sich um einige bekannte Marken ergänzen. Eines haben sie gemeinsam: Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Einführung der sozialistischen Planwirtschaft verlegten die Firmen ihre Zentralen nach Westdeutschland, sogar die in West-Berlin beheimateten wie Siemens. BMW fertigt seine Fahrzeuge heute zum größten Teil in Bayern. Auch Knorr Bremse ist seither in München zuhause.

Rückzug nach der Wende

Nach 1990 haben viele Firmen, etwa die Technoligiekonzerne Schott und Carl Zeiss aus Jena, ihre Hauptsitze im Osten nicht wieder eingenommen. Die Dresdner Bank fusionierte 2009 mit der Commerzbank in Frankfurt am Main. Die Auto-Union (Audi) ist von Zwickau nach Ingolstadt abgewandert. Wella wird von Darmstadt aus gesteuert; im sächsischen Rothenkirchen, wo der Friseur Franz Ströher 1880 den heutigen Weltkonzern gründete, blieb nur das Tochterunternehmen Londa übrig.