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EDITORIAL
Johanna Metz
Zeit zum Umdenken

"Made in Germany" - wo das draufsteht, steckt Gutes drin. Davon jedenfalls sind Konsumenten in aller Welt laut einer Statista-Erhebung aus dem Jahr 2017 überzeugt. Bestnoten gaben die 43.000 Befragten aus 52 Ländern besonders in den Kategorien Qualität und Sicherheitsstandards, das Label "Hergestellt in Deutschland" landete damit auf Rang 1 unter den Vertrauenssiegeln anderer Exportnationen und verwies "Made in USA" oder "Made in UK" auf die Plätze.

Doch ein guter Ruf sichert allein noch keinen Standort. Auch Unternehmen, die überwiegend in Deutschland produzieren, müssen in der globalisierten Wirtschaft und angesichts der Konkurrenz aus Fernost um Absatzmärkte kämpfen - und das unter immer schwierigeren Bedingungen wie Fachkräftemangel und steigenden Energiepreisen.

Deutschland war schon immer ein teurer Standort. Die Arbeitskosten sind hier laut einem Vergleich des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Durchschnitt der Industrieländer um fast ein Drittel höher. In den Rankings der OECD rangiert es beständig in der Spitzengruppe bei der Unternehmensbesteuerung, erst recht, nachdem andere Staaten ihre Steuersätze deutlich abgesenkt haben. Und auch bei digitaler Infrastruktur und Bürokratie finden die Unternehmen in Deutschland deutlich schlechtere Rahmenbedingungen vor als anderswo, schreibt das IW.

Das hat Folgen: Nach Angaben der Deutschen Industrie- und Handelskammer investieren deutsche Unternehmen inzwischen mehr im Ausland als ausländische Unternehmen in Deutschland. Auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG warnt, ausländische Konzerne würden den Standort Deutschland zunehmend kritisch sehen und ihre Investitionen zurückfahren - sie bemängeln unter anderem hohe Abgaben, schwache Digitalisierung, marode Straßen, Brücken und Schienen.

Dass es dringend bessere Standortbedingungen braucht, liegt auf der Hand. Doch auch die Unternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle überdenken. Niedrigere Löhne befeuern nur den Fachkräftemangel. Die Umstellung auf digitale und klimaneutrale Produktionsprozesse hingegen spart Zeit und teure Energie. "Made in Germany" hätte dann noch ein Qualitätsmerkmal mehr: Nachhaltigkeit.

Aus Politik und Zeitgeschichte

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