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Europa : EU-Sanktionen sollen wirksamer werden

Bundestag spricht sich für eine Angleichung der Regeln in den Mitgliedstaaten aus.

04.10.2022
2024-04-17T10:37:06.7200Z
3 Min

Der Bundestag befürwortet eine effektivere Durchsetzung von EU-Sanktionen, wie sie die Union etwa gegen den Iran oder Russland verhängt hat. Am vergangenen Donnerstag votierte er mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, gegen die Stimmen von AfD und Die Linke, für einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, mit dem der deutsche Vertreter im Europäischen Rat ermächtigt wird, einer dazu vom Rat vorgelegten Beschlussvorlage zuzustimmen.

Diese sieht vor, den Tatbestand "Verletzung von EU-Sanktionen" neu in die Liste der EU-Straftaten in Artikel 83 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) aufzunehmen. In einem zweiten Schritt planen Kommission und Rat ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren für eine EU-Richtlinie mit Mindestvorschriften zur Durchsetzung der Sanktionen in den Mitgliedstaaten.

Für die Anwendung sind die Mitgliedstaaten zuständig

Restriktive Maßnahmen (Sanktionen) sind ein wichtiges Instrument der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU, sie können sich gegen Mitglieder von Regierungsstellen von Nicht-EU-Ländern sowie gegen Unternehmen, Gruppen, Organisationen oder Einzelpersonen richten.

Für ihre Anwendung sind in erster Linie die Mitgliedstaaten zuständig, die sie in ihren jeweiligen Rechtsordnungen umsetzen müssen. Das es daran oft hapert, machte zuvor ein Vertreter der EU-Kommission in einer öffentlichen Anhörung des Europaausschusses deutlich: Die Mitgliedstaaten würden sehr unterschiedlich definieren, was als Sanktionsverstoß gelte und welche Strafen verhängt würden, erläuterte Richard Sonnenschein. EU-weit sei die Zahl der Strafverfahren wegen Sanktionsverstößen daher sehr gering. Personen, deren Vermögenswerte aufgrund von EU-Sanktionen eingefroren werden sollen, hätten oft weiter Zugang zu ihrem Geld.

EU-Sanktionen gegen Russland

📦 Pakete: Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat die EU sieben Sanktionspakete geschnürt. Sie sehen restriktive Maßnahmen in den Bereichen Finanzen, Energie und Transport sowie gegen Personen und Einrichtungen vor. Ein achtes Paket ist in Planung.

🕵️‍♀️ Ermittlungen: Laut Recherchen des Südwestrundfunks ermitteln deutsche Behörfen in mehr als hundert Fällen wegen mutmaßlicher Verstöße gegen die gegen Russland und Belarus verhängten Maßnahmen. Die Vorwürfe betreffen überwiegend die mögliche Umgehung von Ein- und Ausfuhrverboten.



Die vier geladenen Sachverständigen bewerteten die geplante Harmonisierung der Regeln deshalb als begründet und sinnvoll. Verstöße gegen EU-Sanktionen seien besonders schwerer und grenzüberschreitender Natur, urteilten die Juristen, sodass sie die Voraussetzungen für eine Aufnahme in Artikel 83 Absatz 1 erfüllten. Es bestehe eine besondere Notwendigkeit, sie auf einer gemeinsamen Grundlage zu bekämpfen. Zugleich wiesen sie die Abgeordneten auf die Möglichkeit der sogenannten Notbremse in Artikel 83 hin. Der Bundestag könne sie ziehen, wenn er Sorge habe, dass der Entwurf der EU-Richtlinie grundlegende Aspekte seiner Strafrechtsordnung berühre.

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In der Debatte urteilte Michael Sacher (Bündnis 90/Die Grünen), vor dem Hintergrund des Krieges, den Russland gegen die Ukraine führe, sei die rechtliche Schwachstelle bei den Sanktionen noch einmal deutlich hervorgetreten. "Hier nachzubessern, ist notwendig und dringend geboten." Auch Catarina dos Santos-Wintz (CDU) urteilte, die EU müsse einheitlich und stark reagieren können. Jedes Schlupfloch schwäche "die Sicherheit, die Verhandlungsbasis und letztendlich auch die Reputation der EU und jedes Mitgliedstaats selbst". Fabian Funke (SPD) betonte, dass Deutschland mit dem Sanktionsdurchsetzungsgesetz national bereits die Voraussetzungen geschaffen habe, Verstöße gegen die Sanktionen zu ahnden. "Mit der Änderung des Artikels 83 AEUV schaffen wir sie auch europäisch."

Den Vorwurf von Fabian Jacobi (AfD), der Beschluss diene der EU "als willkommener Vorwand, um den Parlamenten der Mitgliedstaaten weitere strafrechtliche Gesetzgebungskompetenzen zu entziehen", wies Thorsten Lieb (FDP) zurück. Der Bundestag werde über die Kommissionsvorschläge für neue Regeln und deren Auswirkungen auf das deutsche Strafrecht "selbstverständlich" im Einzelnen beraten. Für Die Linksfraktion kritisierte Andrej Hunko "diese sozusagen neue Ermächtigung für die EU, Sanktionsverstöße in Zukunft wie Terrorismus oder Menschenhandel behandeln zu können".