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Foto: DBT/Thomas Köhler/photothek
Standard ist derzeit die nichtöffentliche Ausschuss-Sitzung. SPD, Grüne und FDP wollen das ändern.

Neuerungen im Bundestag : Offene Türen in den Ausschüssen

Auf Antrag der Koalitionsfraktionen sollen ab Januar mehr Ausschüsse öffentlich tagen und auch die Regierungsbefragung soll spannender werden.

19.12.2022
2024-04-18T09:53:48.7200Z
4 Min

Der Bundestag will vom nächsten Jahr an transparenter werden und seine Entscheidungen für die Öffentlichkeit nachvollziehbarer machen. Dazu hat er vergangene Woche eine Reform seiner Geschäftsordnung beschlossen. Zentrale Neuerungen sind öffentliche Ausschusssitzungen und lebendigere Regierungsbefragungen. Die Reform wurde auf Antrag der Koalitionsfraktionen SPD, Grüne und FDP (20/4331) in der vom Geschäftsordnungsausschuss geänderten Fassung (20/4808) mit Koalitionsmehrheit angenommen. Die Unionsfraktion und die AfD stimmten dagegen, Die Linke enthielt sich. Der SPD-Abgeordnete Johannes Fechner bezeichnete diese erste Generalrevision der Geschäftsordnung seit 1980 als ersten Schritt, dem 2023 ein zweites Reformpaket folgen soll, um die Parlamentsarbeit familienfreundlicher zu gestalten. Dagegen sprach Patrick Schnieder (CDU) von einem "Reförmchen".

Sechs Ausschüsse starten im Januar mit öffentlichen Sitzungen

Fechner kündigte in der Debatte an, dass im Januar die ersten sechs Ausschüsse beschließen werden, öffentlich zu tagen. Abhängig von den Übertragungskapazitäten sollen diese Sitzungen im Internet gestreamt werden. Schnieder bezweifelte, dass dies zu mehr Transparenz führt. Die Abgeordneten müssten sich auch äußern können, ohne jedes Wort abzuwägen. Die Folge werde sein, dass die geschützten Räume vorverlagert werden in andere Runden. Das Parlament als Herzkammer der Demokratie darstellen zu wollen, werde nicht gelingen, wenn in immer mehr öffentlichen Formaten "letztlich nur Schaufensterreden gehalten werden".

Die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat hielt diese "Angst" für unbegründet. Angesichts zunehmender Zweifel am demokratischen System sei es wichtig, Einblick zu gewähren. In zehn Bundesländern und im Europaparlament tagten die Ausschüsse bereits jetzt öffentlich. Stephan Thomae (FDP) sprach von einem "tieferen Blick in den Motorraum des Parlaments". Ausschüsse seien keine vertraulichen Runden, sie vertieften einzelne Gesichtspunkte stärker als es im Plenum möglich wäre. Die Ausschüsse, die sich zuerst für öffentliche Sitzungen entscheiden, werden seiner Ansicht nach an Bedeutung gewinnen.

Dass die Ausschüsse zwar nicht mehr grundsätzlich nichtöffentlich tagen wie bisher, aber über die Öffentlichkeit ihrer Sitzungen auch künftig noch beschließen müssen, reicht für die Linken-Abgeordnete Petra Sitte nicht aus. Die Ausschüsse müssten grundsätzlich öffentlich tagen, forderte sie, die Reform sei daher nur ein "halber Schritt".

Die Regierungsbefragung wird um einen Minister erweitert und verlängert

Die Regierungsbefragung wird von jetzt 60 auf 90 Minuten verlängert, und statt einem sollen künftig immer zwei Regierungsmitglieder den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Für Johannes Fechner erlaubt dies, verschiedene Positionen einander gegenüberzustellen. Dadurch werde Politik erlebbarer und spannender. Patrick Schnieder hält dies indes für eine "Mogelpackung", weil jeder Minister statt 60 nur noch 45 Minuten befragt werden könne. Auch dass die Regierung kurzfristig festlegen kann, wer sich der Regierungsbefragung stellen muss, schwäche die Kontrollfunktion des Parlaments. Sein Eindruck sei, dass das "gewollt ist".

Aus Sicht von Filiz Polat liegt es an den Abgeordneten selbst, zu einer lebendigen Regierungsbefragung beizutragen: "Wir werfen mit dieser Reform Licht in die Maschinenräume unserer parlamentarischen Arbeit." Die Regierungsbefragung werde dynamischer und flexibler. Für Petra Sitte ist die Präsenz von zwei Regierungsmitgliedern das "absolute Minimum", sie könnte sich nach eigenen Worten auch vorstellen, alle Minister zu befragen. Dass diese eingangs künftig acht statt fünf Minuten sprechen dürfen, sei eine "Selbstbeschränkung des Parlaments". Problematisch sei die Halbierung der Fragestunde von 90 auf 45 Minuten. Dadurch sei nur noch ein Teil der Fragen öffentlich zugänglich.

Mehr Digitalisierung im Gesetzgebungsverfahren

Die Reform umfasst eine Reihe weiterer Änderungen. So müssen Sachverständige, die in Anhörungen befragt werden sollen, künftig angeben, ob sie ein persönliches Interesse an dem jeweiligen Regelungsgegenstand haben. Die Abgeordneten wollten wissen, so Johannes Fechner, ob jemand das Gesetzgebungsverfahren beeinflussen will oder "wirklich neutral" ist.

Bundesbedienstete, vor allem des Bundesrechnungshofs, können künftig an öffentlichen Anhörungen teilnehmen. Wenn ein Gesetzentwurf ganz erheblich den Datenschutz betrifft, gilt dies auch für den Bundesdatenschutzbeauftragten. Schnieder lobte, dass sich die Koalition beim Bundesrechnungshof den Argumenten der Unionsfraktion "gebeugt hat". Filiz Polat ergänzte, auch Anregungen der Linken seien aufgenommen worden. Sie bedauerte, dass die Union nicht bereit sei, dieser "großen Reform" zuzustimmen.

Stephan Brandner (AfD) rief dazu auf, zuerst die unstreitigen Vorschriften der Geschäftsordnung umzusetzen, bevor über Reformen geredet werde. Seine Fraktion wolle keine parallelen Sitzungen von Plenum und Ausschüssen, sondern mehr Sitzungswochen. Darüber hinaus müsse die Gendersprache aus Bundestagsdrucksachen verbannt werden.

Weiter vorangehen soll es mit der Digitalisierung. Während der Pandemie konnten Ausschusssitzungen online stattfinden. Diese befristete Möglichkeit wird nun als Dauerregelung übernommen. Während Patrick Schnieder nach eigenen Worten von Digitalisierung noch nichts spürt, ist der Bundestag nach Einschätzung von Filiz Polat während der Pandemie digitaler geworden.