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Debatte in Minderheitensprachen : "Wat bün ik blied, dat wi up Platt proten köönt"

Der Bundestag würdigt das 25. Jubiläum der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen - unter anderem op Platt.

06.03.2023
2024-02-09T10:19:46.3600Z
3 Min

"Wat bün ik blied, dat wi vandaag rechtschapen mitnanner up Platt proten köönt". Johann Saathoff, ostfriesischer Sozialdemokrat, eröffnete die Vereinbarte Debatte im Bundestag zum 25. Jubiläum der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen mit einem klaren Bekenntnis und einem Seitenhieb auf die AfD-Fraktion. Diese habe vor fünf Jahren einen Antrag eingebracht, um Deutsch als Landessprache im Grundgesetz festzuschreiben. Saathoff hatte in der Debatte am 2. März 2018 den Antrag mit seiner Rede auf Plattdeutsch gekontert.

Auf Plattdeutsch, Friesisch und Dänisch haben Abgeordnete im Bundestag über den Schutz der anerkannten Minderheitensprachen debattiert.   Foto: picture alliance/dpa/Frank Molter

In Deutschland, so führte Saathoff nun erneut aus, würden neben Deutsch auch Sprachen wie Dänisch, Nordfriesisch, Nieder- beziehungsweise Plattdeutsch, Saterfriesisch, Romanes und Sorbisch gesprochen. Und dies sei nicht zuletzt ein Verdienst der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen. Diese hatte der Europarat am 5. November 1992 verabschiedet und trat am 1. März 1998 in Kraft. 25 Mitgliedstaaten des Europarates haben sie bislang ratifiziert.

Ziel der Charta ist die Anerkennung der Regional- und Minderheitensprachen als einzigartiger Bestandteil des kulturellen Erbes Europas. Sie sollen vor dem Aussterben geschützt und ihr Gebrauch im Bereich des Rechts, der Schulen, des öffentlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens sowie der Medien ausgeweitet werden. Oder wie Johann Saathoff es ausdrückte: "Leev Lüü, mi is ok wichtig, noch maal to seggen, dat Hoogdüütsch letzten Endes neet dat Nonplusultra is."

Seit Januar 2022 gibt es einen Parlamentskreis Plattdeutsch

Neben Saathoff nutzten mehrere Abgeordnete die Debatte, um ihre Reden ganz oder zumindest in Teilen diesmal nicht auf Hochdeutsch zu halten - zum Beispiel Astrid Damerow (CDU) und Stefan Seidler (SSW) auf Nordfriesisch, Linda Heitmann (Grüne) und Gyde Jensen (FDP) auf Plattdeutsch. Im Januar 2022 hatten Jensen und Saathoff den Parlamentskreis Plattdeutsch gegründet  und angeregt, eine Debatte auf Plattdeutsch im Bundestag zu führen. Sie treibt um, dass immer weniger Menschen Plattdeutsch sprechen. So gaben 2017 in einer Erhebung des Instituts für niederdeutsche Sprache 68 Prozent der Befragten an, nur wenige Wörter oder gar kein Plattdeutsch zu sprechen.


Gyde Jensen, FDP, aufgenommen im Rahmen der Vereinbarten Debatte zum Internationalen Frauentag am 08.03., in Berlin
Foto: DBT/ Florian Gaertner/ photothek.net
„Es geht beim Schutz von Minderheitensprachen um einen Reichtum, den es zu schützen und fördern gilt.“
Gyde Jensen, FDP (auf Plattdeutsch)

Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass Bundestagsabgeordnete zur Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprache nicht auf Hochdeutsch, sondern auf Plattdeutsch sprachen. Diesmal hat sich auch der Stenografische Dienst fachkundige Unterstützung vom Institut für niederdeutsche Sprache in Bremen geholt, um die Redebeiträge korrekt im Plenarprotokoll wiedergeben zu können. So dankten denn die Redner in der Debatte den Stenografen auch ausdrücklich für ihre Arbeit.

"Reichtum" durch Sprachen der Nationalen Minderheiten

Es gehe beim Schutz von Minderheitensprachen "nicht um Fischbrötchen, Möwengeschrei und Folklore", sondern um einen "Reichtum", den es zu schützen und fördern gelte, betonte Jensen.

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Dies gelte allerdings nicht nur für die anerkannten Minderheitensprachen, sondern auch für Ukrainisch, Vietnamesisch oder Polnisch. Die Sprachen von Immigranten fallen allerdings nicht unter den Schutz der EU-Charta. Und Petra Pau (Linke) warf die Frage auf, warum Jiddisch ebenfalls noch immer nicht zu den anerkannten Minderheitensprachen in Deutschland gehört.

Lediglich der AfD-Abgeordnete Götz Frömming mochte sich dem mehrheitlichen Tenor der Debatte nicht anschließen, sprach von "Karnevalsstimmung" und betonte, er wolle zu dem Thema "ernsthaft" und "in einem inklusiven Hochdeutsch" sprechen. Unter Berufung auf eine "ältere Dame" berichtete Frömming, dass im Elsass "noch vor wenigen Jahren" kleinen Kindern in der Schule auf die Finger geschlagen worden sei, "wenn sie während des Unterrichts automatisch in ihr deutsches Idiom rutschten". Auch wenn diese Zeiten vorbei seien, so habe Frankreich die Charta trotz Unterzeichnung bis heute nicht ratifiziert. Und die Konflikte zwischen Warschau und Berlin hätten dazu geführt, dass für die deutsche Minderheit in Polen der deutschsprachige Unterricht von drei Wochenstunden auf eine gekürzt worden sei.