Piwik Webtracking Image

Infrastruktur : Tempo beim Ausbau

Um die Energiewende voranzubringen, will die Regierung das Raumordnungsrecht trimmen und Sonderregelungen einer EU-Verordnung nutzen. Die Opposition übt Kritik.

06.03.2023
2024-03-05T14:15:27.3600Z
3 Min
Foto: picture-alliance/dpa/Christian Charisius

Planungs- und Genehmigungsverfahren von Energieprojekten sollen zeitlich gestrafft werden.

Der Bundestag macht den Weg frei, um Erneuerbare Energie- und Infrastrukturprojekte schneller und unbürokratischer umzusetzen. Am vergangenen Freitag haben die Abgeordneten für eine Änderung des Raumordnungsgesetzes (ROG) und anderer Vorschriften sowie die Umsetzung der EU-Notfallverordnung gestimmt. Der geänderte und erweiterte Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/4823) wurde mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP angenommen, dagegen votierten CDU/CSU, AfD und Die Linke. Die Entschließungsanträge der AfD (20/5842) sowie der Fraktion Die Linke (20/5843), blieben ohne Mehrheit.

Mit der geänderten Fassung des Raumordnungsgesetzes sollen Planungs- und Genehmigungsverfahren zeitlich gestrafft werden. Die wesentlichen Inhalte des Gesetzes sind eine Modernisierung der Planung durch Digitalisierung der Beteiligungsverfahren beim Aufstellen von Raumordnungsplänen; eine Flexibilisierung der Planung durch Erleichterungen bei der Abweichung von Zielfestlegungen in Raumordnungsplänen; die Beseitigung von Redundanzen bei Änderungen von Planentwürfen sowie mehr Planungs- und Investitionssicherheit durch erweiterte Regelungen zur Planerhaltung sowie eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren durch eine engere Verzahnung von Raumordnungs- und Zulassungsverfahren.

Die EU-Notfallverordnung sieht einfachere Verfahren für Planung und Genehmigung von Windrädern an Land und auf See vor, für Anbindungsleitungen für Offshore-Windparks, für Solaranlagen auf Freiflächen und für die Stromnetze. So können Prüfungen zur Umweltverträglichkeit und zu Auswirkungen für den Artenschutz durch Windräder entfallen, wenn bei der Ausweisung des Gebiets für die Windenergie bereits eine ähnliche Untersuchung stattgefunden hat. Behörden müssen die Öffentlichkeit künftig auch online über Planungen informieren.

Heftige Kritik

Die Art und Weise, wie das Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht wurde, stieß bei der Opposition auf heftige Kritik. Bis vergangenen Mittwoch sei der Entwurf den Fraktionen der Opposition nicht bekannt gewesen. Der Koalitionsausschuss hatte beschlossen, die EU-Notfallverordnung als "Omnibus" an den Entwurf zur Änderung des Raumordnungsgesetzes anzuhängen. Mit dem durchaus gängigen sogenannten Omnibusverfahren sparen die Abgeordneten Zeit und Aufwand, wenn sie neue Gesetze durchbringen wollen. Dazu werden schon in der Beratung befindliche Entwürfe im parlamentarischen Verfahren um die gewünschten, meist sachfremden Änderungen ergänzt.

Die Fraktionen von CDU/CSU und Die Linke kritisierten, dass eine Anhörung und eine Sitzung des zuständigen Bauausschusses für Mittwochnachmittag mit einem Vorlauf von vier Stunden einberufen worden waren. Es sei weder Zeit gewesen, Experten einzuladen, noch Gelegenheit zur fachlichen Vorbereitung. Beide Fraktionen reichten schriftliche Beschwerden bei Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) ein.

Vor diesem Hintergrund debattierte der Bundestag am Freitagmorgen über den Entwurf. Die Regierungsfraktionen stellten die Vorteile der Gesetzesänderungen in den Vordergrund. Franziska Maschek (SPD) betonte, dass die Eile angebracht sei. Angesichts der Klimakrise und des Kriegs in der Ukraine sei es dringend erforderlich, dass in Deutschland die Erneuerbare Energie ausgebaut werde und die dazu notwendigen Verfahren gestrafft und digitalisiert würden.

Michael Breilmann (CDU) begrüßte zwar den Ausbau von Erneuerbaren Energien, nannte das Gesetzgebungsverfahren jedoch "einen hausgemachten Skandal". Der Bundestag sei die "Herzkammer der Demokratie", in der rechtsstaatliche Regeln gälten. Die Änderungen am ROG würden dazu führen, dass die Anzahl der Verfahren "stark zunehmen", die Planungsträger würden geschwächt. Die Novelle sei "kommunal- und regionalunfreundlich", so Breilmann.

Ein "Geschenk"

Christina-Johanne Schröder (Bündnis 90/Die Grünen) hingegen lobte vor allem die Entscheidung, die EU-Notfallverordnung mit abstimmen zu lassen. Die EU habe mit der Verordnung "ein Geschenk" gemacht, nun sei der Weg frei für den beschleunigten Ausbau von Wind- und Solarenergie. Projekte wie der Bau der LNG-Terminals und des Tesla-Autowerkes hätten gezeigt, dass in Deutschland "Tempo beim Ausbau von Infrastruktur" möglich sei. Dem schloss sich Lukas Köhler (FDP) an. Geschwindigkeit beim Ausbau moderner Infrastruktur und beschleunigte Verfahren seien auch deshalb nötig, weil der Bedarf an Strom weiter steigen werde. Er plädierte auch dafür, die EU-Notfallverordnung zu verlängern. Roger Beckamp (AfD) kritisierte den Entwurf und das Verfahren. Er sprach sich gegen den Ausbau von Windanlagen aus und nannte das Zustandekommen der Gesetzesänderungen "rücksichtslos".

Auch Susanne Hennig-Wellsow (Die Linke) bemängelte das Vorgehen, die Ampelkoalition sei angetreten, um das Parlament und die Demokratie zu stärken und die Gesetzgebung zu verbessern, "aber so wie das Verfahren beim Raumordnungsgesetz gelaufen ist, geht es nicht", klagte Hennig-Wellsow. Die Änderungen am ROG halte sie zudem fachlich für unausgewogen, die Digitalisierung der Verfahren sei zwar sinnvoll, etablierte analoge Beteiligungsformen sollten jedoch nicht "automatisch abgeschnitten werden", sagte sie.