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Foto: picture alliance/dpa
Mitarbeiter der Bahn arbeiten an den Gleisanlagen am Kölner Hauptbahnhof

Beschleunigung von Bauvorhaben : Turbo für Schiene und Straße

Schienen- und Straßenbauprojekte sollen schneller genehmigt werden können. Der dazu von der Ampel vorgelegte Gesetzentwurf geht vielen Abgeordneten nicht weit genug.

26.06.2023
2024-03-05T11:31:30.3600Z
4 Min

Wenn die Parteivorsitzende der Linken, Janine Wissler, zum gleichen Befund kommt, wie der Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), dann lässt das aufhorchen. Bei der Deutschen Bahn, so verkündete Wissler am vergangenen Donnerstag im Plenarsaal des Bundestages, sei "alles auf Kante genäht" - bei den Zügen, dem Schienennetz und beim Personal. Und wenig später räumte eben auch Wissing am Rednerpult ein: "Unser Schienennetz ist an vielen Stellen mittlerweile stark überlastet. Züge sind unpünktlich und überfüllt; sie fallen ganz aus."

In gleich zwei Debatten beriet der Bundestag, wie die von allen Fraktionen einmütig beschriebenen Missständen bei der Deutschen Bahn (DB) abgestellt werden können. Zur Debatte standen ein Gesetzentwurf zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich und zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Verwirklichung des transeuropäischen Verkehrsnetzes (20/6879) und ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/7350), die eine konsequente Trennung von Netz und Betrieb fordert und deshalb die Bahn-Tochterunternehmen DB Netz AG und DB Station und Service AG in einer bundeseigenen und weisungsgebundenen Schieneninfrastruktur GmbH außerhalb der Deutschen Bahn AG überführen will. Beide Vorlagen wurden in den Verkehrsausschuss überwiesen.


„Wer gleichzeitig ganz viel beschleunigen will, der beschleunigt am Ende nichts.“
Stefan Gelbhaar, Bündnis 90/Die Grünen

Mit seinem Gesetzentwurf zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich will Minister Wissing ausgewählten Schienen- und Straßenbauprojekten ein überragendes öffentliches Interesse attestieren. Bei Abwägungsentscheidungen im Laufe des Genehmigungsverfahrens erhielten diese Infrastrukturprojekte so ein stärkeres Gewicht als bisher. Bei Straßenprojekten müsse es sich um Engpassbeseitigungen handeln, zudem sollen marode Brücken schneller ersetzt werden. Der besondere Fokus des Gesetzes aber, so betonte Wissing, liege auf der Schiene.

Union kritisiert "überschaubare Maßnahmen"

Die Opposition bezweifelt, dass das Gesetz ausreichen wird. Der Entwurf enthalte "Maßnahmen in so überschaubarer Zahl", dass er keine Wirkung entfalten werde, befand Felix Schreiner (CDU). Verkehrsminister Wissing habe es nicht geschafft, die Systematik des LNG-Beschleunigungsgesetzes auf diesen Gesetzentwurf zu übertragen. "Warum haben Sie es nicht geschafft? Weil Sie von Grün und Rot wieder einmal ausgebremst wurden. Das ist doch die Wahrheit", kritisierte Schreiner.

Dirk Spaniel (AfD) bescheinigte Wissing zwar, dass der Gesetzentwurf in die richtige Richtung weise, monierte aber ebenfalls, dass nur für wenige Projekte das überragende öffentliche Interesse gelten soll. Der vordringliche Bedarf müsse für alle Projekte des Verkehrswegeplans gelten. Dazu gehörten eben auch die Autobahnen.

Grüne wollen weitere Priorisierungen 

Stefan Gelbhaar (Grüne) hielt Spaniel entgegen, dass genau diese Priorisierung der richtige Weg sei: "Wer gleichzeitig ganz viel beschleunigen will, der beschleunigt am Ende nichts." Zugleich machte er deutlich, weitere Priorisierungen am Gesetz vornehmen zu wollen. "Wir müssen die Projekte beschleunigen, die dem Schutz unserer Lebensgrundlage dienen", betonte Gelbhaar. Klima, Umwelt und Natur gehörten dazu. "Die Klimaschutzlücke im Verkehr ist enorm."

Beim Koalitionspartner FDP stoßen solche Ankündigungen jedoch nur bedingt auf Gegenliebe. "Wir wollen einen Beschleunigungsturbo, der für alle Verkehrsträger gilt, für die Schiene, für die Straße, aber auch für die Wasserstraße", führte der FDP-Abgeordnete Bernd Reuther an.


„Wir als Ampel stehen dagegen ganz klar für den integrierten Konzern, in dem die Infrastruktur gemeinwohlorientiert und ohne Gewinndruck arbeitet.“
Dorothee Martin (SPD)

Für die Linksfraktion wiederum monierte Thomas Lutze, dass die angestrebte Beschleunigung der Genehmigungsverfahren zu Lasten der Beteiligungsrechte von Bürgern und Umwelt- und Tierschutzverbänden gehe. Anstatt das Problem zu langer Genehmigungsverfahren durch den Abbau von Bürokratie lösen zu wollen, "sollten wir eher dafür Sorge tragen, dass in den Behörden wieder genügend Personal vorhanden ist, damit diese Anträge ordnungsgemäß und zeitnah bearbeitet werden", argumentierte Lutze.

Trennung von Netz und Betrieb?

Kaum weniger konfrontativ gestaltete sich die Debatte über die Reform der Organisationsstrukturen der Deutschen Bahn AG. Einigkeit zwischen Regierungskoalition und Opposition besteht zwar prinzipiell, dass Netz und Betrieb bei der Bahn getrennt werden sollen. Uneins sind sie sich allerdings, ob die zu trennenden Bereiche weiterhin unter dem Dach der Deutschen Bahn AG vereint sein sollen oder nicht.

Die SPD-Abgeordnete Dorothee Martin erteilte dem Vorstoß der CDU/CSU eine Absage: Deren Antrag laufe auf "eine Zerschlagung der Bahn" hinaus. "Wir als Ampel stehen dagegen ganz klar für den integrierten Konzern, in dem die Infrastruktur gemeinwohlorientiert und ohne Gewinndruck arbeitet." Martin verwies auf die Schweiz und Österreich mit ihren gut funktionieren integrierten Bahnkonzernen. In Großbritannien hingegen sei die Trennung von Netz und Betrieb gescheitert.

Ulrich Lange (CDU) hielt der Regierungskoalition vor, dass bislang allenfalls Eckpunkte des Verkehrsministers für diese geplante Infrastruktur-Gesellschaft namens "InfraGo" bekannt seien. "Das Einzige, was angeblich steht, ist ein Datum: 1. Januar 2024. Es bleibt alles unter dem Dach des Konzerns. Ob das Parlament beteiligt wird oder nicht, wissen wir auch nicht", kritisierte Lange. Der Vorschlag der Union hingegen sei bei den Verbänden, beim Bundesrechnungshof und der Monopolkommission und auf "positive Resonanz" gestoßen.