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Foto: DBT/ Tobias Koch
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU, links) tauschte sich am Montag zum ersten Mal persönlich mit ihrer französischen Amtskollegin Yaël Braun-Pivet (rechts) in der Assemblée nationale aus.

Wenn Parlamente voneinander lernen : Klöckner knüpft politische Bande in Paris

Premiere in Paris: Bundestagspräsidentin Klöckner trifft ihre Amtskollegin Braun-Pivet. Ein Antrittsbesuch mit politischem und technischem Erkenntnisgewinn.

03.06.2025
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5 Min

Neugierig beugt sich Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) über die kleine graue Klappe, die in den Holztisch eingelassen ist. Darunter befinden sich drei Knöpfe: Pour, Contre, Abst. Über dieses System mit den Wahlmöglichkeiten „Ja“, „Nein“ und „Enthaltung“ können die Abgeordneten der Assemblée nationale ihre Stimme abgeben, erklärt die Präsidentin des französischen Parlaments, Yaël Braun-Pivet, ihrer Amtskollegin. Dadurch würden die Abstimmungsergebnisse schnell und korrekt vorliegen. 

Damit das System funktioniert, ist jedem Abgeordneten ein fester Platz zugeordnet. Ein System, um Ergebnisse in Echtzeit zu erfassen - „so etwas brauchen wir auch bei uns“, zeigt sich Klöckner sichtlich beeindruckt. 

Erste Auslandsreise führt Klöckner nach Paris

Es ist das erste Aufeinandertreffen der beiden Parlamentspräsidentinnen. Am Montag reiste Klöckner zu einem Antrittsbesuch nach Paris. Die Präsidentin der Assemblée nationale erwartete ihre Amtskollegin bereits mit einem Ehrenspalier vor dem Gebäude. Neben einem Eintrag in das Goldene Buch des Parlaments und einem Gespräch, zeigte Braun-Pivet der Bundestagpräsidentin den Plenarsaal mit seinem Abstimmungssystem und die Bibliothek. 

Während sich Klöckner und Braun-Pivet sich anfangs noch auf die konsekutive Dolmetschung verlassen, wechseln sie im Laufe des Rundgangs zur englischen Sprache, um sich direkt miteinander austauschen zu können. Auch einen kurzen Blick in den Weinkeller des Parlaments durfte Klöckner, selbst Winzertochter, werfen. Eine Besonderheit, die nur wenigen Staatsgästen gewährt wird.

Zwei Präsidentinnen, eine Aufgabe

Klöckner und Braun-Pivet sind nicht nur die Präsidentinnen ihrer jeweiligen Parlamente, sondern haben auch eine gemeinsame Aufgabe: Sie haben den Vorsitz der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung (DFPV) inne. 

Dieses Gremium beruht auf dem Deutsch-Französischen Parlamentsabkommen und soll den Austausch und die Beziehungen zwischen den beiden Nationen stärken. Mindestens zweimal im Jahr sollen die 100 Abgeordneten der Versammlung – 50 aus dem deutschen und 50 aus dem französischen Parlament – tagen. Nachdem die DFPV aufgrund der Corona-Pandemie anfangs fast ausschließlich digital tagte und die vergangenen zwei Treffen wegen der Neuwahlen in Frankreich und Deutschland ausfallen mussten, soll die Regelmäßigkeit nun wieder aufgenommen werden. 


„Die deutsch-französische Partnerschaft ist Triebfeder des europäischen Projekts. Dazu tragen auch die beiden Parlamente in besonderer Weise bei. Diesen Austausch möchte ich gerne wieder intensivieren.“
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU)

Dies sei wichtig – auch für Europa. „Die deutsch-französische Partnerschaft ist Triebfeder des europäischen Projekts. Dazu tragen auch die beiden Parlamente in besonderer Weise bei. Diesen Austausch möchte ich gerne wieder intensivieren.“ sagte Bundestagspräsidentin Klöckner im Vorfeld ihrer Reise nach Paris. Europa sei immer dann stark gewesen, wenn das deutsch-französische Verhältnis stabil und belastbar war. 

Ein erstes Zusammentreffen der DFPV in dieser Wahlperiode ist noch für Juni geplant. Beide Präsidentinnen zeigten sich zufrieden darüber, dass die Arbeit der DFPV so rasch nach der Konstituierung des 21. Deutschen Bundestages wieder aufgenommen werden kann.

Kennenlernen in der wiedereröffneten Kathedrale Notre-Dame

Neben dem politischen Austausch steht auch ein gemeinsamer Besuch der Kathedrale Notre-Dame de Paris auf dem Programm. Das französische Wahrzeichen ist gut besucht. Es riecht nach Weihrauch und Kerzen. In regelmäßigen Abständen ertönt eine automatische Ansage, die die Besucherinnen und Besucher zur Stille mahnt. Das Interesse an diesem Ort ist ungebrochen. Nachdem die Kathedrale 2019 bei einem Feuer vollständig ausgebrannt war, wurde sie über fünf Jahre lang restauriert und im Dezember 2024 wiedereröffnet. 

Sie habe die Bilder von den Flammen noch vor Augen, sagte Klöckner: „Das war nicht nur ein Brand, das war eine Tragödie.“ Auch Braun-Pivet erinnere sich noch gut daran, wie viele Menschen geweint hätten, als sie die zerstörte Kathedrale sahen. Doch durch den Wiederaufbau sei sie zu einem Symbol der Resilienz geworden. Während die Präsidentinnen durch die Kirche laufen, drehen sich immer wieder Touristen um und machen unauffällig Fotos. Dies sei die französische Parlamentspräsidentin, erklärt eine Frau einem amerikanischen Touristenpaar. 

Besuch umfasst die vier wichtigsten politischen Institutionen Frankreichs

Am Ende der Führung verabschieden sich Braun-Pivet und Klöckner herzlich. Viel Zeit zum Ausruhen bleibt der Bundestagspräsidentin nicht, denn sie trifft in Paris auch den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, Premierminister François Bayrou und Senatspräsident Gérard Larcher. 

Dass Klöckner bei ihrem Antrittsbesuch die Amtsinhaber der vier wichtigsten politischen Institutionen kennenlernt, ist Ausdruck der guten deutsch-französischen Freundschaft. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz reiste für seinen ersten Antrittsbesuch nach Frankreich. 

Beide Seiten haben ein Interesse daran, die deutsch-französischen Beziehungen zu stärken. Diese beruhen auf Jahrzehnten enger und freundschaftlicher Zusammenarbeit und sind in der Europäischen Union einmalig. Durch den Élysée-Vertrag von 1963 wurden aus den einstigen „Erbfeinden“ Deutschland und Frankreich enge Verbündete. Mit dem Vertrag von Aachen und dem deutsch-französischen Parlamentsabkommen haben beide Seiten in jüngerer Vergangenheit mehrfach bekräftigt, dass sie die Zusammenarbeit weiter ausbauen wollen.

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