Wahlen zum Abgeordnetenhaus : Schlechte Chancen für Premier Fiala in Tschechien
Vor der Wahl in Tschechien Anfang Oktober sehen Umfragen die Koalition von Petr Fiala als möglichen großen Verlierer. Gut da steht hingegen Ex-Premier Babis.
Vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Tschechien am 3./4. Oktober deutet viel auf einen Sieg des früheren Premierministers Andrej Babis hin. Bis zu 35 Prozent der Stimmen kann seine Bewegung ANO nach aktuellen Umfragen erwarten. Die amtierende Mitte-Rechts-Koalition unter dem Bürgerdemokraten Petr Fiala dürfte eine Mehrheit deutlich verpassen.
Die großen Themen im Wahlkampf sind der Krieg in der Ukraine und der Umgang mit den Flüchtlingen, von denen Tschechien in Relation zur Einwohnerzahl so viele aufgenommen hat wie kein anderes Land. Zum anderen treibt die Teuerung der vergangenen Jahre viele Menschen um, auch wenn die Inflation zuletzt bei unter zwei Prozent gelegen hat.

Endspurt im die Sitze im Abgeordnetenhaus: Ex-Premierminister Andrej Babis und seine ANO-Bewegung haben gute Chancen auf den Wahlsieg.
"Premierminister Fiala ist sehr unbeliebt, nur 22 Prozent der Wähler wollen ihn als Regierungschef", fasst Meinungsforscher Premysl Cech in einem Interview mit tschechischen Journalisten das Stimmungsbild zusammen: "Demgegenüber wünschen sich mehr als 40 Prozent der Wähler Andrej Babis als Premierminister - das ist weitaus mehr als die Wählerschaft seiner Partei."
Babis war bereits von 2017 bis 2021 tschechischer Regierungschef. Der 71-Jährige, der mit einem Agrar- und Lebensmittelkonzern zu einem der reichsten Tschechen aufgestiegen ist, hat seine Bewegung ANO 2011 gegründet. Im gängigen Rechts-Links-Schema lässt sich die Partei schwer verorten: In der damaligen Koalition mit den Sozialdemokraten sprach Babis mit einer ausgeprägten Sozialpolitik eine eher linksorientierte Wählerschaft an, im Europaparlament gehört ANO allerdings zur Fraktion der sogenannten Patrioten.
40 Prozent der Wähler wollen Ex-Premier Babis als Regierungschef
Babis setzt auf unzufriedene Wähler: "Sie haben genug von der Teuerung und den ständigen Preissteigerungen", erklärt er in einem Beitrag an die Wähler: “Sie haben genug vom Gefühl der Bedrohung und dem endlosen Angst-Einjagen mit einem Krieg. Sie haben genug von der Unsicherheit und dem ununterbrochenen Strom der schlechten Nachrichten.”
Die derzeitige Regierungskoalition besteht aus vier Parteien. Die Bürgerdemokraten (ODS) von Petr Fiala haben sich mit der liberalen Partei TOP09 und der kleinen christdemokratischen Partei KDU-CSL zur Wahlgemeinschaft SPOLU zusammengeschlossen. Als vierter Koalitionspartner kommt die stark in den Regionen verankerte Bürgermeisterpartei hinzu. Die zu Beginn der Legislatur an der Regierung beteiligte linksliberale Piratenpartei ist nach Streitigkeiten aus der Koalition ausgeschieden. SPOLU liegt in Umfragen bei rund 20 Prozent, die Bürgermeisterpartei bei zwölf, die Piraten bei rund neun Prozent. Premierminister Fiala setzt im Wahlkampf auf die Themen Sicherheit und Demokratie, er betont die Verankerung Tschechiens in der EU und die Unterstützung der Ukraine und verweist auf die Arbeitslosenquote, die zu den niedrigsten in der EU gehört. "Ein Teil der Opposition schaut nach Ungarn und in die Slowakei und freut sich darauf, dass sie in Tschechien die Schrauben genauso anziehen wird", sagt Fiala.
Kurz vor der Wahl sind noch rund 20 Prozent der Wähler unentschieden
Eine entscheidende Rolle bei der Regierungsbildung dürfte den populistischen Parteien zukommen. Die nationalistische Partei Svoboda a prímá demokracie ("Freiheit und direkte Demokratie") könnte auf zwölf Prozent kommen, zu ihren Kernforderungen gehört ein Referendum über den Austritt Tschechiens aus der EU. Die unreformierte kommunistische Partei, die bei der zurückliegenden Wahl erstmals an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist, hat sich mit den ebenfalls aus dem Parlament ausgeschiedenen Sozialdemokraten zum linkspopulistischen Bündnis Stacilo! ("Es reicht!") zusammengeschlossen und könnte auf neun Prozent kommen.
An der Fünf-Prozent-Hürde kratzt die Autofahrer-Partei Motoristé, die sich vor allem die Abschaffung des "Green Deals" der Europäischen Union vorgenommen hat. Rund 20 Prozent der Wähler sind noch unentschieden. Politologen verweisen darauf, dass in Tschechien traditionell die letzten Tage vor der Wahl wichtig sind.
Der Autor berichtet als freier Korrespondent aus Tschechien.