
Seltene Erden, strategische Lage : Grönland im Visier
Trumps Annexionsdrohungen empören die Grönländer – in der Hauptstadt Nuuk wächst der Widerstand, in Kopenhagen das Bewusstsein für die fragile Partnerschaft.
Es waren turbulente Wochen auf der größten Insel der Welt. Ein wenige Stunden kurzer Trip nach Grönland von Donald Trump Junior im Januar, eine Blitzvisite von US-Vizepräsident J.D. Vance auf der Pituffik Space Base im Nordwesten der riesigen Insel, Parlamentswahlen Anfang März, und auch Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen schaute in der vergangenen Woche vorbei.
Grönland mit seinen rund 57.000 Einwohnern rückte in den ersten Monaten des Jahres in den Mittelpunkt des Weltinteresses. Der Grund: Kurz nach seinem Amtsantritt im Januar drohte US-Präsident Donald Trump Grönland notfalls sogar mit Gewalt zu übernehmen. "Aus Sicherheitsgründen", wie er seinen wenig diplomatischen Vorstoß begründete. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, schickte er seinen Sohn für einige Stunden in die grönländische Hauptstadt Nuuk.
Doch damit nicht genug: Auch US-Vizepräsident J. D. Vance stattete der Insel einen Besuch ab, um sich "über Grönland und seine Kultur" zu informieren. Nachdem sowohl die grönländische als auch die dänische Regierung den Besuch kritisiert hatten und sich keine offiziellen Vertreter der Regierung in Nuuk fanden, um Vance und seine Delegation zu treffen, wurde das Besuchsprogramm zusammengestrichen. Nun stand nur noch ein Besuch auf dem im hohen Nordwesten gelegenen US-Militärstützpunkt Pituffik Space Base (früher Thule Air Base) an.
Bereits in seiner ersten Amtszeit wollte Präsident Trump Grönland kaufen
In einer Rede an die rund 150 US-Soldaten, die auf dem Stützpunkt stationiert sind, kritisierte Vance Dänemark scharf. Das Land habe "keinen guten Job gemacht", polterte er. Der Vizepräsident warf Kopenhagen vor, in den vergangenen 20 Jahren nicht genug in die Sicherheit und die Infrastruktur investiert zu haben. Gleichzeitig betonte er zur vorsichtigen Erleichterung in Kopenhagen mehrfach das Selbstbestimmungsrecht Grönlands und schlug damit einen etwas anderen Ton an als sein Chef Trump.

Grönlands Regierungschef Jens-Frederik Nielsen (Mitte) mit Abgeordneten während der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Parlaments in Nuuk.
Dessen Interesse an Grönland ist nicht neu. Schon während seiner ersten Amtszeit hatte der US-Präsident mit einem Kaufangebot für Schlagzeilen gesorgt. Das ist besonders bemerkenswert, hatten die Vereinigten Staaten doch in der Vergangenheit 17 Militärstützpunkte in Grönland mit mehreren tausend Soldaten. Doch sie entschied sich, ihr Engagement auf der Arktisinsel zu reduzieren. Seitdem betreibt sie nur noch die Pituffik Space Base.
Die Annexionspläne von Trump werden sowohl in Kopenhagen als auch in Nuuk aufs Schärfste zurückgewiesen. Alle fünf im grönländischen Parlament vertretenen Parteien veröffentlichten nach den jüngsten Drohungen von Trump eine gemeinsame Erklärung. "Wir, die Parteivorsitzenden aller Parteien, akzeptieren die erneuten Aussagen zur Einverleibung und Kontrolle Grönlands nicht". Und: "Dieses Verhalten gegenüber Freunden und Verbündeten halten wir als Parteivorsitzende für inakzeptabel".
Fast 90 Prozent der 57.000 Bewohner Grönlands sind Inuit
Obwohl Grönland weitgehend selbstverwaltet ist, gehört es weiterhin zum dänischen Königreich. Seit Jahrzehnten streben die Inuit, die rund 90 Prozent der fast 57.000 Einwohner stellen, nach Unabhängigkeit. Doch bislang scheiterten diese Bestrebungen an der finanziellen Abhängigkeit von Dänemark, das jährlich umgerechnet rund 670 Millionen Euro nach Nuuk überweist. Lange hieß es aus Kopenhagen unmissverständlich: "Wenn ihr unabhängig werden wollt, gibt's kein Geld mehr."
Eine schwierige Ausgangslage für Grönland, das neben dem Fischfang, der rund 90 Prozent der Exporteinnahmen ausmacht, und Tourismus kaum weitere Einkünfte hat. Denn der Abbau von Rohstoffen, über die die Arktis-Insel reichlich verfügt, gestaltet sich wegen der klimatischen Voraussetzungen und fehlender Infrastruktur als äußerst schwierig.
Durch Trumps Übernahmedrohungen sind Kopenhagen und Nuuk wieder ein wenig enger zusammengerückt. Während ihres Besuchs in Grönland in der vergangenen Woche, beschwor die dänische Premierministerin Mette Frederiksen die Einigkeit zwischen Dänemark und Grönland. "Wir müssen zusammenhalten", sagte sie. Gleichwohl betonte sie, dass sie die Entscheidungen der Grönländer respektieren werde.
2009 erhielt Grönland nach jahrzehntelangem Kampf das Recht auf Selbstverwaltung. Nur die Außen- und Verteidigungspolitik wird in Kopenhagen bestimmt. Nachdem die Forderungen der Grönländer nach vollständiger Unabhängigkeit lauter geworden sind und auch den Wahlkampf dominierten, hat die dänische Regierung eine Charmeoffensive gestartet und das Selbstbestimmungsrecht der Grönländer bestätigt.
Grönländischen Frauen wurden ungefragt Spiralen eingesetzt
Das sind neue Töne, denn viele Grönländer fühlen sich seit Jahrzehnten von Dänemark gegängelt. "Die Kolonialmacht lässt uns ständig spüren, dass wir von ihr abhängig sind", sagt ein Demonstrant auf einer Kundgebung während des Wahlkampfs in Nuuk. Und tatsächlich hat Dänemark sein arktisches Gebiet in den vergangenen Jahrzehnten vernachlässigt. Wenn US-Präsident Trump behauptet, Dänemark habe zur Verteidigung der Eisinsel zwei Hundeschlitten geschickt, ist das zwar stark übertrieben. Tatsache ist aber, dass Dänemark erst Ende des vergangenen Jahres eine stärkere militärische Präsenz auf Grönland angekündigt hat.
„Wir stehen zusammen, wollen über unsere Zukunft selbst entscheiden.“
Ein besonders dunkles Kapitel in den grönländisch-dänischen Beziehungen ist der sogenannte Spiralen-Skandal. In den 1960er und 1970er Jahren ließ Dänemark Tausenden grönländischen Frauen und Mädchen teils gegen ihren Willen oder ohne ihr Wissen Spiralen einsetzen. Ziel war eine heimliche Geburtenkontrolle, um die Zahl grönländischer Kinder zu reduzieren und so Kosten für Schulen und Krankenhäuser zu senken. Viele Grönländer und Völkerrechtler sprechen von einem Verbrechen. Im vergangenen Jahr entschuldigte sich die dänische Regierung offiziell. Im Mai soll eine Untersuchungskommission ihren Bericht vorlegen.
Grönländer demonstrieren gegen Trumps Annexionspläne
Wenn US-Präsident Donald Trump eines mit seinen imperialistischen Übernahmeträumen geschafft hat, ist es eine neue Einigkeit auf der größten Insel der Welt, Grönland. Wenige Tage nach den Parlamentswahlen auf der Arktis-Insel versammelten sich rund 1.000 Menschen in der Hauptstadt Nuuk, um gegen Trumps Annexionspläne zu demonstrieren. Eine so große Demonstration hat es in der rund 20.000-Einwohner zählenden Stadt noch nicht gegeben. Auf einmal schien auch das vergessen zu sein, was den Wahlkampf eigentlich dominiert hatte: das deutlich gestörte Verhältnis zum Mutterland Dänemark.
Grönland ist altnordisch für „Grünland“
❄️ Grönland ist mit einer Landfläche von 2,16 Millionen Quadratkilometern die größte Insel der Welt. Beinahe 80 Prozent des Landes sind von einer Eiskappe bedeckt. Das war nicht immer so: Vor über 2,5 Millionen Jahren soll es tatsächlich weitgehend grün gewesen sein.
👨👧👦 Mit einer Einwohnerzahl von geschätzt 56.480 zählt das Land zu den am dünnsten besiedelten Ländern der Welt. 88 Prozent der Grönländer sind Inuit, 12 Prozent europäischer, vor allem dänischer Abstammung.
📗 Grönland ist ein selbstverwaltetes Gebiet innerhalb des Königreichs Dänemark. Seit 1721 war Grönland eine dänische Kolonie und wurde 1953 Teil des dänischen Reichs. 1979 wurde die erste Stufe der Selbstverwaltung eingeführt, 2009 wurden weitere Verantwortungsbereiche an die grönländische Regierung übertragen. Für Sicherheit und Verteidigung ist trotzdem noch Dänemark verantwortlich.
Bei den Parlamentswahlen Mitte März ging die sozialliberale Partei Demokraatit als Überraschungssieger hervor. Ihr Vorsitzender, der 33-jährige Jens Frederik Nielsen, konnte am Montag seine Koalitionsregierung präsentieren: Fünf der sechs im Parlament vertretenen Parteien stellen die neue Regierung, nur die nationalistische Naleraq, die eine schnelle Loslösung vom Königreich Dänemark fordert, ist nicht in der Regierung vertreten.
Dass die grönländische Politik auf eine breite Koalition setzt, ist auch ein Zeichen an die USA. "Wir stehen zusammen, wollen über unsere Zukunft selbst entscheiden", erklärte Nielsen. Statt einer Annexion hofft man in Nuuk und Kopenhagen auf bilaterale Abkommen mit den USA über weitere Stützpunkte und eine gemeinsame Förderung von Rohstoffen.
Der Autor ist Nordeuropa-Korrespondent des Handelsblattes.
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