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Krankenhausreform : Schwierige Operation

Viele Krankenhäuser stehen finanziell unter Druck. Eine Reform soll helfen. Die Linke fordert eine weitere Gesetzesinitiative der Bundesregierung.

10.07.2023
2024-03-14T14:08:14.3600Z
4 Min
Foto: picture alliance / Shotshop

Bund und Länder arbeiten an einer Krankenhausreform, die auch eine Spezialisierung vorsieht. Komplexe Eingriffe sollen nur von besonders qualifizierten Häusern übernommen werden.

Nichts weniger als eine "Revolution im Krankenhaussektor" hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angekündigt und damit das Ausmaß der geplanten Reform skizziert, die derzeit zwischen Bund und Ländern beraten wird. Der Minister räumte ein, die Ökonomisierung der Medizin sei in den Krankenhäusern übertrieben worden, das müsse sich wieder ändern. Bei der Krankenhausreform geht um mehrere Stellschrauben, darunter das Vergütungssystem über Fallpauschalen (DRG), das um sogenannte Vorhaltepauschalen ergänzt werden soll. Gemeint ist die Vorhaltung bestimmter Fähigkeiten wie Betten, Technik, Personal oder Notfallversorgung. Die mangelhafte Vorhaltung war zuletzt in der Corona-Pandemie ein wichtiges Thema, weil es an Intensivkapazitäten mangelte.

Es geht aber auch um die Krankenhausplanung, die eigentlich Ländersache ist, weshalb schon seit geraumer Zeit mit den Ländern über die Eckpunkte der Reform heftig gerungen wird. Ausgehend von Vorschlägen einer Regierungskommission zur Reform der Krankenhäuser soll sich die Qualität, Effizienz und Transparenz der Versorgung durch Spezialisierung und Systematisierung verbessern. Im Gespräch ist, die Krankenhäuser in drei sogenannte Level einzuordnen: in Krankenhäuser der Grundversorgung (Level I), der Regel- und Schwerpunktversorgung (Level II) sowie der Maximalversorgung (Level III). Für jede Ebene sollen technische und personelle Mindestvoraussetzungen gelten, um eine einheitliche Behandlungsqualität zu gewährleisten. Schon gegen diese Systematik erhebt sich Widerstand in den Ländern.

Länder befürchten die Abwertung kleiner Krankenhäuser

Angelehnt an die Versorgungsstufen sollen nach den Überlegungen der Experten die jeweils zu erbringenden sogenannten Leistungsgruppen genauer definiert werden. Behandlungen könnten demnach künftig nur abgerechnet werden, wenn die betreffende Leistungsgruppe dem Krankenhaus auch zugeteilt wurde. Dahinter steht die Überlegung, dass nicht jedes Krankenhaus aufgrund seiner Ausstattung für komplexe Behandlungen qualifiziert ist. Dabei spielen auch Mengenvorgaben eine Rolle, weil ausreichend Erfahrung in komplizierten Fällen für den Behandlungserfolg entscheidend sein kann. Die Länder befürchten eine Abwertung ihrer kleinen Krankenhäuser auf dem Land und wollen sich Optionen und eigene Entscheidungen offenhalten. Kritisiert wird auch, dass die Wahlfreiheit der Patienten durch die Neuregelungen eingeschränkt werden könnte.

Infos zur Krankenhausversorgung

Abrechnung Stationäre Behandlungen im Krankenhaus werden seit 2004 nach Fallpauschalen abgerechnet. Es handelt sich um ein leistungsorientiertes, pauschalierendes Vergütungssystem.

Ausgaben Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) hat 2022 rund 88 Milliarden Euro für Krankenhausbehandlungen bezahlt.

Patienten Die Krankenhäuser haben 2021 rund 16,7 Millionen Patienten/Fälle versorgt.



Ohne eine grundlegende Reform können nach Einschätzung Lauterbachs viele der insgesamt rund 1.900 Kliniken wirtschaftlich nicht überleben. Belastet wurden die Kliniken zuletzt zusätzlich durch die hohen Energiepreise und die allgemein hohe Inflation. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) liegt das Gesamtdefizit der Häuser derzeit bei rund 7,5 Milliarden Euro und wächst weiter. Die Kosten stiegen viel stärker als die Erlöse. Die DKG hat Alarm geschlagen und online eine Defizit-Uhr installiert.

Linke warnt vor Kliniksterben

Über die prekäre Finanzlage der Krankenhäuser diskutierten am Freitag die Abgeordneten, denen ein Antrag der Linksfraktion zum Thema vorlag. In dem Antrag fordert die Linke einen Ausgleich für defizitäre Krankenhäuser über ein Vorschaltgesetz vor der geplanten Krankenhausreform. Ates Gürpinar (Linke) warnte vor einem Kliniksterben. Rund zwei Drittel der Krankenhäuser seien in Gefahr. Wenn jetzt Strukturen wegbrächen, würde Leben aufs Spiel gesetzt. Es sei daher verwunderlich, weshalb die Bundesregierung nicht von selbst auf den Gedanken komme, die Defizite auszugleichen. Offenbar sei die Koalition überfordert mit dem großen Krankenhaus-Reformprojekt.

Christos Pantazis (SPD) räumte ein, dass sich die Krankenhauslandschaft in einer schwierigen Lage befinde und nannte als Ursachen die massive Ökonomisierung durch eine Überbetonung von Fallpauschalen, zunehmende Bürokratie und Fachkräftemangel. Ein Ausgleich der Defizite nach dem Gießkannenprinzip sei jedoch unbrauchbar, zumal die Krankenhäuser bereits Hilfsgelder in Milliardenhöhe erhalten hätten.

Union sorgt sich um "kalten Strukturwandel"

Diana Stöcker (CDU) hielt Lauterbach vor, mit widersprüchlichen Aussagen zur Zukunft der Krankenhäuser für Verunsicherung gesorgt zu haben. Sie warnte vor einem kalten Strukturwandel und einer Marktbereinigung mit wenigen Krankenhausstandorten. Armin Grau (Grüne) widersprach. "Wir wollen alle bedarfsnotwendigen Krankenhäuser erhalten." Den Ansatz der Linken wies er als "Streubüchsenvorschlag" zurück. Die richtige Therapie für die Kliniken sei die Krankenhausreform, bei der die Qualität im Mittelpunkt stehe.

Nach Ansicht von Kay-Uwe Ziegler (AfD) sind die Fallpauschalen die Wurzel allen Übels. Sie führten dazu, dass etwa Geburtsstationen geschlossen würden, weil sich eine Geburt nicht lohne. Patienten würden zu reinen Umsatzziffern degradiert.

Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) erinnerte daran, dass die Länder ihren finanziellen Verpflichtungen für die Krankenhäuser jahrelang nicht nachgekommen seien. Die Kliniken stünden deswegen vor einem großen Investitionsstau. Sie betonte: "Wir haben eine teure, aber ineffiziente Versorgung."