Migration und Sicherheit : Union legt Forderungskatalog zur Migrationswende vor
Das Sicherheitspaket der Regierung geht der CDU/CSU-Fraktion nicht weit genug. Sie dringt auf weitere Verschärfungen der deutschen Asylpolitik.
Sollte die Bundesregierung auf breite Zustimmung zu ihrem "Sicherheitspaket" gehofft haben, das sie nach dem Messerattentat von Solingen vorgelegt hat, wurde sie in dieser Woche erneut eines Besseren belehrt: Erst wurde das Maßnahmenbündel zur Bekämpfung von Islamismus und irregulärer Migration sowie zur Verschärfung des Waffenrechts am Montag bei einer Experten-Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat von einer Reihe der Sachverständigen als zu weitgehend kritisiert. Am Donnerstag stand dann im Bundestagsplenum erstmals ein sehr viel weiter gehender CDU/CSU-Antrag mit dem Titel “Ein umfassendes Sicherheitspaket jetzt beschließen - Was beim Sicherheitspaket der Koalition fehlt” zur Debatte.
Die Union fordert umfassende Zurückweisungen
Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, an den deutschen Grenzen auch solche Personen zurückzuweisen, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des Schengen-Raums bereits Aufnahme gefunden haben oder die einen Asylantrag auch in einem Staat stellen können, aus dem sie einreisen wollen. Auch plädiert die Unionsfraktion in ihrem umfangreichen Forderungskatalog etwa dafür, den Familiennachzug zu subsidiär schutzberechtigten Ausländern bis auf Weiteres zu beenden und alle Bundesaufnahmeprogramme einzustellen.
Zugleich soll die Bundesregierung nach dem Willen der CDU/CSU unter anderem die Anreize für eine Sekundärmigration nach Deutschland senken, indem die Sozialstandards in der EU für Asylbewerber und Schutzberechtigte einander angenähert werden. Gebraucht werde eine Klarstellung im europäischen Recht, "dass Sozialleistungen - auch nach Abschluss des Asylverfahrens - nur im zuständigen Mitgliedstaat bezogen werden können", heißt es in dem Antrag weiter.
SPD spricht von "Verunsicherungspaket"
Lars Castellucci (SPD) wertete die Vorlage in der Debatte als "Verunsicherungspaket". Die Union wolle "Angst schüren und sich dann als Retter präsentieren". Indem sie nach einem der letzten Attentate im Land einen "Zuzugsstopp für Afghanen und Syrer" gefordert habe, schüre sie Ressentiments und behandele pauschal Gruppen so, "als ob jeder Afghane und jeder Syrer ein potenzieller Terrorist wäre", kritisierte Castellucci. Ressentiments schafften aber keine Sicherheit, sondern Verunsicherung. Dagegen sorge die Bundesregierung mit ihrem Sicherheitspaket dafür, dass das Maximale getan werde, um Taten wie in Solingen für die Zukunft zu verhindern.
Alexander Throm (CDU) entgegnete, dass die Menschen im Land bereits Angst hätten, aber die SPD dies nicht erkenne. Das Sicherheitspaket der Ampelkoalition enthalte nur "kleine Trippelschrittchen", während ein "Weitsprung" gebraucht werde. Mit ihrem Antrag lege seine Fraktion all die Maßnahmen vor, die in dem Koalitionspaket fehlten, etwa zur Begrenzung des Zuzugs nach Deutschland, fügte Throm hinzu und forderte "umfassende Zurückweisungen". Zugleich kritisierte der CDU-Abgeordnete, dass die Koalition die Gesetzesvorlagen zum Sicherheitspaket der Bundesregierung an diesem Tag noch nicht zur Beschlussfassung gestellt habe. Dies sei "beschämend, weil Sie es versprochen haben".
AfD attestiert CDU/CSU “völligen Bruch” mit eigener Regierungszeit
Marcel Emmerich (Grüne) hielt dem entgegen, dass die Anhörung zu diesen Gesetzentwürfen erst am Montag stattgefunden habe und nun von der Koalition "natürlich" sorgfältig ausgewertet werde. Zugleich warf Emmerich der Union vor, dass nach ihrer "Kernidee" Asylsuchende durch rechtswidrige Zurückweisungen an den deutschen Grenzen in die Nachbarländer "zurückgetrieben" werden sollten. Sie wolle nach dem islamistischen Anschlag von Solingen "nur über Asyl und Migration" reden, nicht aber über die innere Sicherheit. So zielten von 60 Punkten des CDU/CSU-Antrags mehr als 40 auf asylpolitische Maßnahmen und Verschärfungen.
Mehr zum "Sicherheitspaket"
Als Reaktion auf den mutmaßlich islamistischen Messeranschlag von Solingen will die Koalition das Asyl- und das Waffenrecht verschärfen.
Den Oppositionsfraktionen reicht das Maßnahmenpaket der "Ampel" zur Bekämpfung des Islamismus und der irregulären Migration nicht aus.
Bernd Baumann (AfD) betonte, die von der CDU/CSU geforderten Zurückweisungen seien "ein Antrag der AfD". Die Koalition habe aber verhindert, dass das Parlament über solche Zurückweisungen an diesem Tag abstimmen könne, "wohl weil sie ahnte, dass jetzt selbst einzelne FDP-Abgeordnete dem zustimmen könnten". Dies zeige, welchen Einfluss die AfD mit ihren Forderungen habe. "Wir treiben die Koalition, die CDU und die FDP vor uns her", fügte Baumann hinzu. Mit dem Ruf nach Zurückweisungen an der Grenze kopiere die CDU/CSU nicht nur die Kernforderung der AfD, sondern vollziehe damit auch einen "völligen Bruch" mit der 16-jährigen Amtszeit der unionsgeführten Bundesregierung unter der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
FDP wirbt für gemeinsame Mehrheit von Koalition und Union
Konstantin Kuhle (FDP) unterstrich, dass die Koalition das Sicherheitspaket der Bundesregierung zügig beschließen, aber zuvor auch mit der erforderlichen Sorgfalt darüber beraten werde. Er warnte davor, dass "die Parteien der demokratischen Mitte beim Thema Migration übereinander herfallen". Dies nutze am Ende nur denen, die das Thema gar nicht lösen wollten. Deswegen bleibe die Hand gegenüber der CDU/CSU ausgestreckt, die das Thema Migration ebenso wie die Parteien der Koalition lösen wolle, fügte Kuhle hinzu und warb dafür, mit einer gemeinsamen Mehrheit von Koalition und CDU/CSU "mehr Ordnung und Kontrolle in der Migrationspolitik" zu schaffen.