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SPD-Vordenker Rudolf Hilferding : Ein fleißiger und loyaler Diener der Republik

Durch die Vorarbeiten von Rudolf Hilferding wurde die Rentenmark zum Erfolg. Von den Nazis wurde der Sozialdemokrat verfolgt - und starb in SS-Haft.

16.10.2023
2023-10-12T17:33:40.7200Z
4 Min
Rudolf Hilferding um das Jahr 1914.   Foto: Deutsches Historisches Museum

1933 konnte er noch knapp entkommen. Doch Anfang 1941 schnappten ihn die nationalsozialistischen Schergen dann doch. War er gescheitert? Sein Lebenswerk, die ökonomische Stabilisierung der ersten freien deutschen Republik, war bereits acht Jahre zuvor von den Nazis zerstört worden. Die Nazis, sobald sie an der Macht waren, gönnten ihm keinen Tag des Überlebens, ihm, dem sozialistischen Streiter für den Parlamentarismus in Deutschland. "Rudolf Hilferding war einer der fleißigsten und loyalsten Diener der Republik", schreibt William Smaldone in seiner Arbeit "Rudolf Hilferding. Tragödie eines deutschen Sozialdemokraten" über den langjährigen SPD-Reichstagsabgeordneten, der zweimal kurzzeitig auch Reichsfinanzminister war.

Hilferdings Rolle bei der Währungsreform

Hilferding hatte erheblichen Anteil daran, dass die Weimarer Republik sich zumindest für einige Jahre stabilisierte, insbesondere, dass die Hyperinflation 1923/24 überwunden wurde, indem 1923 mit der Rentenmark eine stabile Währung folgte. Dank Hilferdings Vorarbeiten wurde die Rentenmark zum Erfolg, wenngleich er ursprünglich eine andere Vorstellung für eine Währungsreform hatte.Die Grundidee der Rentenmark geht zurück auf den rechtsnationalen DNVP-Politiker Karl Helfferich, einem Gegner der Weimarer Republik.


„Wir kennen den Weg, wir kennen das Ziel! Unsere Aussichten sind gut.“
Rudolf Hilferding (SPD), im Jahr 1927

Die Mordanschläge auf die liberalen Politikern Matthias Erzberger (1921) und Walther Rathenau (1922) erschütterten die Republik, zerstörten Vertrauen in den jungen Staat und gefährdeten seine Existenz. In Helfferichs Hetze lag aus Sicht liberaler Zeitgenossen die geistige Urheberschaft für die politischen Morde. Trotzdem übt er noch 1923 erheblichen Einfluss auf die neue Koalition unter Reichskanzler Gustav Stresemann aus, der Hilferding als Finanzminister: angehörte. Hilferding trat ein schweres Erbe an. Die Staatseinnahmen lagen monatlich bei 169 Trillionen Mark, die Ausgaben bei 405 Trillionen. Allein die Ausgaben für den Ruhrkampf betrugen 240 Trillionen Mark, insbesondere für den Generalstreik. Mit diesem Mittel wollte die Reichsregierung Franzosen und Belgier von der Besetzung des Ruhrgebiets abbringen.

Vom "Finanzkapital" zum restriktiven Haushälter

Hilferding, der 1910 mit "Finanzkapital" noch ein sozialistisches Standardwerk vorgelegt hatte, war nun überzeugt, dass Demokratie und Republik nur eine Zukunft hätten, wenn er die Haushaltslage mit einer restriktiven Finanzpolitik in den Griff bekäme. Als Minister setzte er folglich auf Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen. "Tief konservative Ansichten" bescheinigt ihm Gerald D. Feldman im Buch "The Great Disorder" von 1993.

Stefanie Middendorf, Geschichts-Professorin an der Universität Jena, erklärt: "Helfferich und die DNVP diskreditierten die republikanische Steuerpolitik und ihre Vertreter radikal, was desaströse Folgen für den Staatshaushalt hatte und zur politischen Gewalt anstachelte. Für Hilferding und die SPD stellten stabile Finanzen hingegen ein tragendes Prinzip demokratischer Staatlichkeit dar."

Hilferdings Konzept im Kampf gegen die Hyperinflation sah eine neue goldgestützte Mark vor. Wenn die Reichsbank nicht beliebig viel Geld in Umlauf bringen konnte, sondern nur so viel, wie ihre Goldbestände zuließen, dann würde wieder Stabilität einkehren und die Inflation verschwinden, so der Gedanke. Der Plan stieß aber auf Ablehnung bei deutschnationalen Kräften.

"Hilferdings Plan wurde im Kabinett abgelehnt, aber die von Helfferich und anderen unterstützte Alternative trägt seine Handschrift", erklärt Hilferding-Biograf Smaldone, der heute als Professor das historische Department der Willamette University im US-Bundesstaat Oregon leitet. Hilferding, wenige Tage vor Einführung der Rentenmark aus dem Kabinett entlassen, unterstütze weiter Hans Luther, seinen Nachfolger als Finanzminister.

Für Freihandel und Sozialpolitik

Das neue Geld war nicht an Roggen gebunden, wie Helfferich es wollte, sondern an Grund, Boden und Industrieanlagen. Die deutsche Wirtschaft war beteiligt, aber der Primat lag beim Staat. Die Stabilisierung gelang. Es folgten die Goldenen 20er Jahre.

Als wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD unterstützte Hilferding in den Jahren der Republik Freihandelspolitik, bilaterale Handelsabkommen, Steuer- und Haushaltsreformen sowie die Sozialgesetzgebung. Auf dem Kieler Parteitag 1927 legte er die Basis, dass sich die Arbeiterbewegung programmatisch vom revolutionären Marxismus abwandte hin zu einer demokratischen Reform von Wirtschaft und Gesellschaft. "Wir kennen den Weg, wir kennen das Ziel! Unsere Aussichten sind gut", rief er seinen Parteigenossen zu.

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1928 wurde Hilferding abermals Reichsfinanzminister unter Kanzler Hermann Müller. Dort traf Hilferding jedoch abermals auf einen erbitterten Gegner, der weit rechts stand: Hjalmar Schacht, damals Präsident der Reichsbank, später im Kabinett von Adolf Hitler Reichswirtschaftsminister.

Schacht forderte von Kanzler Müller drastische Maßnahmen und das Regieren über sogenannte Notstandsparagraphen am gewählten Parlament vorbei. Hilferding bezeichnete diesen Vorschlag als eine "Katastrophenpolitik". Hätte die Rechte 1928 nicht seine Steuererhöhungen verhindert, so argumentierte er, wäre der Haushalt 1928 ausgeglichen gewesen.

Deutschnationale und Nationalsozialisten gegen Weimar

Doch auch diesmal unterlag Hilferding den Attacken von rechts. Im Dezember 1929 musste er als Finanzminister aus dem Kabinett ausscheiden. Wissend, wie sehr die Weimarer Republik zu diesem Zeitpunkt durch Attacken von Deutschnationalen und Nationalsozialisten in Gefahr war, arbeitete er dennoch weiter für die Stabilität der Regierung. Den Austritt der SPD aus der Reichsregierung am 27. März 1930 hielt er für falsch.

Die SPD solle weiter die Minderheitsregierung Heinrich Brünings stützen und so verhindern, dass Nationalisten und Faschisten die Macht an sich rissen und die Republik zerstörten. Hilferding pflegte enge Kontakte zu Brüning. Smaldone schreibt: "Hilferding war davon überzeugt, dass, wenn die Nazis die Macht erst einmal in Händen hielten, sie sie nicht mehr abgeben würden, und er wies eindringlich darauf hin, dass außerparlamentarische Aktionen zu ihrer Ablösung, wie etwa der Generalstreik, wenig Chancen auf Erfolg hätten, wenn so viele Arbeiter arbeitslos seien oder unter dem Einfluss der unzuverlässigen KPD stünden."

Tod in SS-Haft

Hilferding wollte kein Blutvergießen riskieren. Ihn selbst warnte im März 1933 Ex-Kanzler Brüning, dass die Nazis Teile der SPD-Führung nach Verabschiedung eines Ermächtigungsgesetzes am 23. März 1933 verhaften wollten. Kurz nach der Abstimmung im Reichstag floh Hilferding aus Berlin, gerade noch rechtzeitig. Am Tag nach seiner Abreise stürmte der nationalsozialistische Schlägertrupp der SA seine Wohnung. Für einige Jahre konnte er fliehen. Doch am 14. Juni 1940 lieferte ihn das französische Vichy-Regime den Nazis aus. In SS-Haft starb Hilferding am 11. Februar 1941.