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Glosse : Kleider und Leute

Auch mit Klamotten kann man Politik machen. Das geht im Bundestag manchmal gehörig schief.

06.06.2025
True 2025-06-06T15:02:03.7200Z
2 Min

Kleider kleiden Leute. Manche Leute sehen in ihren Klamotten drollig aus, andere elegant. Die Mode kommt und geht zum Glück auch wieder. In den 1970ern waren unvorteilhafte Schlaghosen in Mode, später "Karotten", für die Herren Sakkos mit Schulterpolstern aus Schaumstoff, in denen die Träger ziemlich dicht dran waren an klassischen Witzfiguren.

Der erste Gedanke ist nicht immer der beste

Im Bundestag spielte Kleidung schon immer eine große Rolle. Früher litten die Herren unter dem Krawattenzwang, die Damen sollten "weiblich" auftreten, also lieber Rock als Hose. Ist lange her. Heute ist der Look deutlich legerer, Turnschuhe werden dank Revoluzzer Joschka Fischer am Rednerpult nun oft und gerne getragen, der Gesamtauftritt bleibt aber meist angemessen würdig. Schließlich geht es im Parlament stets um die Zukunft des Landes, selbst wenn über schlechtes Wetter oder Schraubengrößen diskutiert wird, da sollten zerschossene Jeans, zerknitterte Hemden oder Adiletten besser nicht als Symbolbild dienen, wo uns das Hemd ohnehin gerade etwas kurz sitzt, um die Wirtschaftskrise wohlwollend zu formulieren.

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Pfiffigen Abgeordneten war immer schon klar, dass die Bekleidung im Plenarsaal eine prima Werbefläche ist, auch wenn der Ältestenrat das anders sieht: So wurden schon Fußball-Trikots gesichtet und Hemden mit politischen Botschaften. Auch Schals, Hüte, Tücher oder Anzug-Sticker können politisch ausdrucksstark sein. 

Warum große Reden schwingen, wenn die Botschaft auch auf ein T-Shirt passt? Ernst Litfaß stünde der gedanklichen Weiterentwicklung seiner Erfindung sicher aufgeschlossen gegenüber. Dass die Linke versucht, die Nahost-Krise rhetorisch auf einem Pullover zu lösen, dürfte aber selbst unter politisch Gleichgesinnten als unterkomplex wahrgenommen werden. Insofern könnten politische Aktivisten, die überzeugt sind, die Sache durchdrungen zu haben, vielleicht bedenken: Der erste Gedanke ist nicht immer auch der beste.