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Mit der geplanten Änderung des Telekommunikationsgesetzes sollen Planungsvorhaben im Bereich Mobilfunk- und Glasfaserausbau beschleunigt werden.

Netzausbau soll Vorrang bei 5G und Glasfaser haben : Der schwierige Weg zur Glasfaserrepublik

Peinlich niedrig sei die Glasfaserquote in Deutschland, monieren Brancheninsider. Wie ist der Stand der Dinge und beflügelt die Gesetzesänderung Gigabit für alle?

05.06.2025
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4 Min

Schwarz-Rot hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, "unsere digitalen Infrastrukturen" mit einem flächendeckenden Glasfaserausbau bis in jede Wohnung hinein entscheidend voranzubringen. Zugleich gelobte die neue Koalition: "Wir werden schnellstmöglich ein wirksames Beschleunigungsgesetz einführen, das den Mobilfunk- und Glasfaserausbau als überragendes öffentliches Interesse definiert." 

Bei diesem Punkt macht die neue Bundesregierung jetzt tatsächlich Tempo: Ende Mai hat das Kabinett einen entsprechenden Entwurf zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) auf den Weg gebracht. Und zwar nicht als Regierungspapier, sondern als "Formulierungshilfe" für die Fraktionen CDU/CSU und SPD, die diese so noch vor der Sommerpause beschließen könnten. Über die von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Änderung des Telekommunikationsgesetzes debattierte das Plenum am Donnerstag in erster Lesung.

Netzausbau soll in der Abwägung höheres Gewicht bekommen

Laut der Initiative soll der Glasfaser- und Mobilfunkausbau künftig generell von "überragendem öffentlichem Interesse" sein. Das heißt: Natur- und Denkmalschutz müssten gegebenenfalls zurückstehen. Das würde bis Ende 2030 gelten. Bis dahin sollen planmäßig alle Haushalte mit superschnellem Internet versorgt und Funklöcher geschlossen sein, was auch EU-Vorgaben erfordern. Der frühere Regierungsentwurf aus Ampel-Zeiten für eine Beschleunigung des TK-Netzausbaus sah dagegen vor, dass der Vorrang in Naturschutzgebieten nur für den Mobilfunk gelten sollte, nicht für Glasfaser.

Die Bundesregierung begründet das Vorhaben damit, dass die Telekommunikationsnetze "eine außerordentliche Bedeutung für das Funktionieren des Staates in einer modernen Wirtschaft" hätten. Der Zugang der Bevölkerung, der Wirtschaft und wichtiger staatlicher Einrichtungen zu Telekommunikationsdiensten hänge von der Flächendeckung ab. Diese Bedeutung solle gesetzlich klargestellt werden, "um entsprechenden Ausbauvorhaben in Genehmigungsverfahren ein besonderes Gewicht zu verleihen".

Trotz Fortschritten beim Ausbau der Infrastruktur hinkt Deutschland hinterher

Der Breitbandverband Breko, in dem sich Herausforderer der Deutschen Telekom zusammengeschlossen haben, freut sich über eine "wortwörtlich überragende Nachricht für den Ausbau der digitalen Infrastruktur". Im Januar hatte auch Telekom-Chef Timotheus Höttges ein "echtes Netzausbaubeschleunigungsgesetz" gefordert. Er monierte: Hierzulande würden erst 13 Prozent der Haushalte Glasfaser tatsächlich nutzen. Der Magenta-Konzern setzte selbst lange auf das kupferbasierte VDSL


Timo von Lepel im Porträt
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„Wo Infrastrukturwettbewerb herrscht, ist die Versorgung am besten.“
Timo von Lepen (Netzbetreiber Netcologne)

Dass rechtliche Hürden fallen, ist Netzbetreibern wichtig. "In Deutschland ist es so kompliziert wie nirgendwo anders, die Glasfaser unter die Erde zu kriegen", räumte Susanne Ding vom neuen Bundesdigitalministerium, auf der Konferenz re:publica Ende Mai in Berlin ein. Sie hält einen langen Atem für nötig und den aktuellen Zeitplan für nicht ganz realistisch: Bis 2030 werde Kupfer wohl nicht ganz ausrangiert sein. Schwarz-Rot strebt laut Koalitionsvereinbarung auch ein Konzept für eine "markt- und verbraucherfreundliche Migration von Kupfer- auf Glasfasernetze an". Ein Datum für den Abschied von DSL und Co. gibt es aber noch nicht.

Auch im EU-Vergleich steht Deutschland schlecht da

Von der Politik erwarten die Telekom-Konkurrenten, dass sie für faire Bedingungen sorgt. Die Kommunen, "in denen Stadtnetzbetreiber am Werke sind und wo Wettbewerb herrscht, sind am besten mit Glasfaser versorgt", unterstrich Timo von Lepel, Chef des Netzbetreibers NetCologne, auf der re:publica. "Das zeigt: wo Infrastrukturwettbewerb herrscht, ist die Versorgung am besten." Philipp Riederer, Geschäftsführer des deutschen Ablegers des schwedischen Providers Bahnhof, bezeichnete es als "wirklich peinlich", dass Deutschland im europäischen Vergleich bei schnellem Internet schlecht dastehe: "Die Schweden haben über 87 Prozent Glasfaser."

Deutschland schneidet in einem europäischen Ländervergleich zur Kupfer-Glas-Migration, den der Brüsseler Lobbyverband FTTH Council Europe in Kooperation mit dem Beratungshaus Cullen International erstellt hat, nicht gut ab. Es gehört demnach mit Griechenland und Tschechien zu den Nationen, die noch immer auf die alte Kupferinfrastruktur angewiesen sind. Die Analysten machen das vor allem daran fest, dass die Telekom als alteingesessener Betreiber erst fünf Prozent ihres Netzes auf Glasfaser in den Varianten FTTB, also bis zum Haus, und FTTH (bis zur Wohnung) umgestellt habe.

Laut dem aktuellen Bericht der EU-Kommission zur Umsetzung der digitalen Ziele für 2030 wie "Gigabit für alle" vom Juli 2024 hat Deutschland zwar "bemerkenswerte Fortschritte beim Ausbau der Konnektivitätsinfrastruktur gemacht", insbesondere im Bereich 5G. 98,1 Prozent der Haushalte stehe diese Mobilfunkgeneration zur Verfügung. Andererseits liege die Bundesrepublik bei FTTB auf dem vorletzten Platz in der EU. Die Quote der erreichten Gebäude habe damals 29,8 Prozent betragen. Auch beim Anteil der Breitbandanschlüsse mit Geschwindigkeiten von mehr als 1 GBit/s hinke Deutschland mit 5,5 Prozent gegenüber dem EU-Mittel von 18,5 Prozent hinterher.

Verbände kritisieren strategischen Doppelausbau durch die Telekom

Der Breko-Marktanalyse vom April zufolge lag die Glasfaserausbauquote für grundsätzlich direkt anschließbare Häuser Ende 2024 bei 48,8 Prozent. Das entspricht 22,5 Millionen Haushalten und ist ein Plus von 9,1 Prozentpunkten im Vergleich zu 2023. Damit gilt das Zwischenausbauziel der Regierung von mindestens 50 Prozent bis Ende 2025 als erreichbar. Die Anzahl der tatsächlich angeschlossenen Haushalte stieg auf 24,5 Prozent (11,3 Millionen). Das ist ein Wachstum von 4,1 Prozentpunkten. Die sogenannte Take-up-Rate der tatsächlich genutzten Glasfaseranschlüsse lag bei 26 Prozent.

Mit ähnlichen Zahlen wartet die jüngste Marktanalyse des Branchenverbands VATM und Dialog Consult auf. Ende 2024 waren demnach 24,8 Millionen Haushalte sowie kleinere und mittlere Unternehmen mit Glasfaser erreichbar. Die tatsächliche Versorgungsquote soll bis Ende 2025 auf 21,7 Prozent steigen, was rund 9,9 Millionen versorgten Haushalten entspricht. Um eine flächendeckende Glasfaserversorgung bis 2030 zu erreichen, halten Breko und VATM regulatorische Korrekturen für nötig. Zentraler Kritikpunkt der Verbände ist der strategische "Doppelausbau" durch die Telekom, die sich Rosinen in lukrativen Gegenden herauspicke.

Laut einer vom Breko in Auftrag gegebenen Umfrage erwarten zwei Drittel der Bundesbürger, dass die Regierung Verbesserungen an der digitalen Infrastruktur mit hoher oder höchster Priorität vorantreibt. Eine Sondierung des Vergleichsportals Verivox im November zeigte aber auch, dass rund 38 Prozent der Bundesbürger mit ihrem jetzigen DSL-Anschluss zufrieden sind und keine Notwendigkeit für einen Wechsel zu Glasfaser sehen. Vielen erscheinen die Kosten noch zu hoch. Andererseits sind diejenigen, die bereits Glasfaser haben, deutlich zufriedener als Nutzer von DSL oder Kabel.

Der Autor arbeitet als freier Journalist in Berlin.

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