Anhörung zum Entlastungspaket : Experten fordern weitere Entlastungen für die Bürger
In einer Anhörung des Finanzausschusses begrüßen die Sachverständigen die Maßnahmen der Regierung, kritisieren jedoch die späte Auszahlung der Energiepreispauschale.
Seltenes Einvernehmen: Alle Sachverständigen haben in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses in der vergangenen Woche die Pläne der Ampelkoalition zur Entlastung der Bürger wegen Pandemie, Krieg und Inflation begrüßt, aber in der Summe als nicht ausreichend bezeichnet. Die Koalitionsfraktionen SPD, Grüne und FDP wollen mit dem gemeinsam eingebrachten Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 2022 die Bürger in diesem Jahr um rund 4,46 Milliarden Euro entlasten.

Zu den Preistreibern gehört Mehl - wenn es überhaupt welches gibt.
Bis 2026 soll sich die Entlastung auf 22,5 Milliarden Euro summieren. So ist vorgesehen, den Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer rückwirkende zum 1. Januar von derzeit 9.984 Euro um 363 Euro auf 10.347 Euro anzuheben. Ebenfalls rückwirkend auf 1.200 Euro erhöht wird der Arbeitnehmerpauschbetrag für Werbungskosten, der bisher 1.000 Euro betragen hat. Außerdem wird die bereits für die Jahre 2024 bis 2026 festgelegte Erhöhung der Entfernungspauschale ab dem 21. Entfernungskilometer um drei Cent auf 0,38 Euro je vollen Entfernungskilometer auf die Jahre 2022 und 2023 ausgedehnt. Die geplante Energiepreis-Pauschale ist in dem Entwurf noch nicht enthalten. Sie soll im weiteren Beratungsverlauf mit einem Änderungsantrag vom Bundestags-Finanzausschuss eingefügt werden.
Arbeitgeber und Gewerkschaften schlagen deutliche Anhebung des Grundfreibetrages vor
Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft begrüßten ebenso wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Maßnahmen grundsätzlich, verlangten jedoch eine deutlich höhere Anhebung des Grundfreibetrages. Der DGB will zudem eine gerechtere Ausgestaltung der Entfernungspauschale, die bisher Bezieher höherer Einkommen stärker entlaste. Der DGB verlangte ebenso wie Lisa Windsteiger (Max-Planck-Institut für Steuerrecht und öffentliche Finanzen) die Umwandlung der Entfernungspauschale in ein einheitliches Mobilitätsgeld.
„Haushalte mit niedrigem Einkommen sollen gezielter entlastet werden, insbesondere über höhere Sozialleistungen.“
Der Bund der Steuerzahler forderte ebenfalls eine stärkere Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrages. Wie die Wirtschaftsverbände sprach sich der Steuerzahlerbund dafür aus, wegen der kalten Progression die Tarifeckwerte anzuheben. Der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine verlangte außerdem, die steuerlichen Freibeträge für Kinder und das Kindergeld anzuheben.
Steuerzahlerbund verlangt eine Anhebung der Entfernungspauschale
Die Erhöhung des Grundfreibetrages sei nicht ausreichend, um die kalte Progression in Gänze wieder einzufangen, kritisierte der Deutsche Steuerberaterverband die Maßnahmen der Bundesregierung. Insgesamt seien die Maßnahmen jedoch zu begrüßen. Es seien grundsätzlich wirksame Schritte, um die gegenwärtigen Belastung ein Stück weit abzufedern. Wie der Steuerzahlerbund verlangten auch die Steuerberater eine stärkere Anhebung der Entfernungspauschale, da insbesondere Arbeitnehmer im ländlichen Raum für ihren Arbeitsweg auf das Auto angewiesen seien.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bezeichnet das Entlastungspaket der Bundesregierung als grundsätzlich sinnvoll. Die Maßnahmen sollten aber nachgebessert werden. Dann sollten Haushalte mit niedrigem Einkommen gezielter entlastet werden, insbesondere über höhere Sozialleistungen. Die Entlastungen über die Einkommensteuer seien sinnvoll, sollten aber mit Blick auf Mindereinnahmen und Verteilungswirkungen nicht erhöht werden. Dass Rentner, Pensionäre und Bezieher von Arbeitslosengeld die Energiepreis-Pauschale von 300 Euro nicht bekommen sollten, sei angesichts der potenziellen Belastungen von Haushalten mit niedrigen Einkommen durchaus fragwürdig.
Die Spitzenverbände der Wirtschaft wiesen darauf hin, dass die Pauschale erst mit den September-Gehältern ausgezahlt werde. Nach Ansicht des Instituts der deutschen Wirtschaft kommt die Auszahlung zu spät, da viele Haushalte bereits deutlich höhere Belastungen in den Monaten davor finanzieren müssten.