Mehr Kompetenzen für den Zoll : Kampf gegen Schwarzarbeit
Digitalisierung und neue Zuständigkeiten sollen die Finanzkontrolle Schwarzarbeit stärken. Barbershops, Nagelstudios und Lieferdienste werden häufiger kontrolliert.
Bei Schwarzarbeit wird oft an Nachbarschaftshilfe oder kleine Gefälligkeiten ohne Rechnung gedacht. Doch das Problem hat eine ganz andere Dimension, wie in einer Debatte des Bundestages am Donnerstag deutlich wurde. Es gehe "um organisierte Strukturen, um Firmengeflechte mit Scheinrechnungen und illegale Beschäftigung", wie Ingo Vogel (SPD) deutlich machte. Anja Karliczek (CDU) nahm die finanziellen Ausmaße in den Blick. Auf rund 100 Milliarden Euro werde der Schaden für Steuer-und Sozialkassen geschätzt. "Ich finde, es lohnt sich, an dieser Stelle etwas zu tun", sagte Karliczek.
Gesetz identifiziert neue Brennpunkte wie Nagelstudios bei der Schwarzarbeit
Tatsächlich hat die Koalition in diesem Punkt geliefert. Der Bundestag beschloss am Donnerstag Maßnahmen zur intensiveren Bekämpfung der Schwarzarbeit. Dem Gesetzentwurf der Bundesregierung “zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung” stimmten in namentlicher Abstimmung 322 Abgeordnete zu, 50 stimmten mit Nein, 207 enthielten sich. Abgegeben worden waren 579 Stimmen.
„Ihnen geht es um Geld und Wettbewerbsbedingungen, aber nicht um Gerechtigkeit für Arbeiterinnen und Arbeiter.“
Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) sagte, es gebe Kriminelle, die Lücken im System ausnutzten, die Menschen ausbeuten würden und denen schlechte Arbeitsbedingungen egal seien. Die Koalition habe sich vorgenommen, "hart dazwischenzugehen". Es sei eine Frage der Gerechtigkeit. Man habe dafür zu sorgen, dass der Ehrliche am Schluss nicht der Dumme sei.
Mit dem Gesetz würden die Kompetenzen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit ausgebaut, Informationen könnten besser ausgetauscht werden. Eine große Menge an Daten könne automatisch bearbeitet werden. Es würden neue Brennpunkte der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung identifiziert. Ingo Vogel (SPD) sagte, bei den neuen Brennpunkten handele es sich um Barbershops, Nagelstudios und plattformbasierte Lieferdienste.
Friseure auf eigenen Wunsch auf Schwarzarbeitsliste
Das Handwerk stehe durch die Schwarzarbeit unter Druck, erklärte Gitta Connemann (CDU), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium. Schwarzarbeit raube ehrlichen Betrieben Aufträge und gefährde Arbeitsplätze. Connemann lobte, dass das Friseurhandwerk mit auf die Liste der Schwerpunktbetriebe für Prüfungen genommen werde. Dies geschehe auf ausdrücklichen Wunsch der Branche.
Dass handwerkliche Fleischereien nicht mehr zu den Schwerpunktbranchen für Prüfungen gehören würden, reduziere Dokumentations- und Meldepflichten für 95 Prozent dieser Betriebe und sei eine Entlastung "mit Verstand und Herz".
Die Bilanz der Finanzkontrolle Schwarzarbeit 2024
🔎 Die rund 9.500 Beschäftigten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls haben 2024 laut Finanzministerium 25.274 Arbeitgeber überprüft. Dabei seien 96.813 Strafverfahren und 49.686 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden.
👷 Auf Baustellen habe die FKS 73.425 Personenbefragungen durchgeführt. Bei zahlreichen Arbeitgeberprüfungen im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe habe die FKS 10.019 Straftaten und 12.440 Ordnungswidrigkeiten aufgedeckt.
Max Lucks (Grüne) nannte den Grundgedanken des Gesetzes richtig, aber die "skrupellose Skandal-Fleischindustrie" werde die neu geschaffene Lücke ausnutzen, und die Ausbeutung von Billiglöhnern werde weitergehen. Erfreut zeigte er sich, dass Lieferdienste jetzt intensiver geprüft würden, was auf einen Vorschlag der Grünen zurückgehe. Dort gebe es moderne Ausbeutung, die ein Ende haben müsse. Aber es habe einen Beigeschmack, dass man kleine Friseurbetriebe schärfer ins Visier nehme, kritisierte Lucks.
Linke kritisiert Herausnahme von Fleischereien und Landwirtschaft
Cem Imke (Linke) kritisierte, es werde nicht zur Gerechtigkeit für Arbeiter beigetragen, sondern es gehe darum, Steuern einzutreiben. "Ihnen geht es um Geld und Wettbewerbsbedingungen, aber nicht um Gerechtigkeit für Arbeiterinnen und Arbeiter." Es gebe in Fleischereien und in der Landwirtschaft Ausbeutung, unzulässige Arbeitsbedingungen, illegale Beschäftigung und Mindestlohnverstöße, sagte er zu der Herausnahme dieser Branchen aus der Liste der Risikobranchen.
Kay Gottschalk (AfD) bezeichnete Finanzkriminalität als Krebsgeschwür in der Gesellschaft. Er nahm vor allem zu den Anträgen Stellung, die sich mit Cum-Cum und Cum-Ex beschäftigen. Weder Cum-Cum noch die Pleite von Wirecard seien aufgearbeitet worden. Das größte Übel sei, dass es weisungsgebundene Staatsanwaltschaften gebe. Dies gehöre abgeschafft. Bis zu 28 Milliarden Euro seien dem Staat bei Cum-Cum verloren gegangen.
Mehrere Oppositionsanträge zu den Themen Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung wurden abgelehnt - wie ein Antrag der Grünen mit dem Titel “Faire Arbeit sichern”, ein Antrag der Grünen zum Thema organisierte Steuerhinterziehung und ein Antrag der Linken zur Bekämpfung der Finanzkriminalität. Ein Antrag der AfD-Fraktion zu Cum-Ex und Cum-Cum wurde an den Finanzausschuss überwiesen.