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Wachstumschancengesetz : Steuer-Anreize für die Wirtschaft

Mit einer Investitionsprämie, höheren Abschreibungen und verbesserten Verlustverrechnungen will die Ampel-Koalition die Wirtschaft ankurbeln.

14.10.2023
2024-03-05T09:28:26.3600Z
4 Min
Foto: picture alliance/dpa

Finanzminister Lindner bei seiner Ankunft beim IWF-Treffen in Marrakesch

Bundesfinanzminister Christian Lindner (CDU) musste die schlechten Nachrichten aus Marrakesch dem Deutschen Bundestag nicht persönlich überbringen. Er weilte am Freitag noch beim Jahrestreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Marokko. Den Regierungsentwurf des Wachstumschancengesetzes brachte die parlamentarische Staatssekretärin Katja Hessel (FDP) ins Parlament ein. Sie malte ein durchaus trübes Bild. "Unser Land steht am Scheideweg, ob Wachstum oder Stagnation, ob Spitzengruppe oder Mittelmaß", sagte sie. Deutschland müsse produktiver, innovativer und wettbewerbsfähiger werden. Nur mit Reformen werde sich wieder Wachstum einstellen.

Dass es für Deutschland in diesem Jahr keine Chance auf Wachstum gibt, hatte zuvor der IWF beim Herbsttreffen in Marokko klargemacht. Die Bundesrepublik steckt in der Rezession, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte laut IWF 2023 um 0,4 Prozent schrumpfen. 2024 erwartet der IWF für Deutschland dann auch nur magere 0,9 Prozent Wachstum, deutlich weniger als die Bundesregierung mit 1,3 Prozent.

Koalition kündigt Änderungen an

Kann es der Ampel-Koalition mit dem Gesetz gelingen, das konjunkturpolitische Steuer herumzureißen und die Wachstumsdynamik der deutschen Wirtschaft wieder deutlich zu erhöhen? Die Oppositionsparteien ließen kaum ein gutes Haar an dem sieben Milliarden Euro schweren Entlastungspaket für die deutsche Wirtschaft. Doch auch Redner der Regierungsfraktionen kündigten Änderungen an.

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Ein wesentlicher Kritikpunkt der Opposition: Das Gesetz sei viel zu kleinteilig und detailliert. Von einem "Sammelsurium" sprach Matthias W. Birkwald für die Fraktion Die Linke. Mit dem Gesetz sollten 22 verschiedene Gesetze und Verordnungen geändert werden, "die nichts miteinander zu tun" hätten. Birkwald: "Das ist hier nicht seriös zu debattieren. Darum lehnen wir Linke solche Omnibusgesetze ab."

Ein Streitpunkt: Die Doppelbesteuerung der Renten

Birkwald fokussierte sich auf einen Aspekt, die Frage der Doppelbesteuerung der Renten, eine Folge des 2005 begonnen Umstiegs der Besteuerung der Renten auf eine nachgelagerte Besteuerung. Soll heißen: Künftig sollen Rentenbeiträge aus nicht versteuertem Einkommen bezahlt werden, dafür Renten besteuert werden. Der Umstellungsprozess ist bis 2025 angesetzt. Auch Redner anderer Fraktionen gingen auf diesen Aspekt ein. Sascha Müller sagte für Bündnis 90/Die Grünen jedoch: "So einfach, wie Kollege Birkenwald sich das vorstellt, ist es leider nicht." Nötig sei mehr Beratungszeit, man müsse auch die Risiken für die öffentlichen Haushalte im Blick haben. "Ich fürchte, wir werden noch öfter über das Thema reden müssen", so Müller.

Frauke Heiligenstadt erklärte für die SPD-Fraktion: "In jedem Fall werden wir die Doppelsteuerung der Renten angehen. Mit diesem Gesetz machen wir den ersten Schritt." Die Ampel-Regierung werde weitere Schritte folgen lassen.

Der Regierung geht es um Investitionen

Im Wachstumschancengesetz will die Ampel vor allem Investitionsanreize setzen. Staatssekretärin Hessel nannte vier Punkte: Die Liquiditätslage von Unternehmen soll durch erweiterte Regelungen zur Verrechnung von Gewinnen und Verlusten über mehrere Jahre besser werden. Für Unternehmen soll es zweitens eine Investitionsprämie geben für Klimaschutz in Höhe von 15 Prozent für neue bewegliche Anlagegüter, das nütze im Vergleich zu höheren steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten vor allem jungen Unternehmen, die noch wenig oder keine Gewinne erwirtschaften. Unternehmen sollen drittens Ausgaben für Forschung und Entwicklung in höherem Maß steuerlich absetzen können. Bei Bauinvestitionen schließlich sollen die Abschreibungsmöglichkeiten auf sechs Prozent jährlich für neue Wohngebäude steigen.


„Wir brauchen jetzt nicht das Klein-Klein dieses WC-Gesetzes. Wir brauchen eine große Unternehmenssteuerreform.“
Fritz Güntzler (CDU)

 Für die CDU/CSU-Fraktion forderte Mathias Middelberg (CDU) in seiner Antwort auf Hessel, die Ampel-Koalition müsse "das Ruder rumreißen, und zwar radikal". Zwar enthalte der Gesetzentwurf richtige Anreize, bleibe aber zu oft auf halber Strecke liegen. "Ihre Investitionsprämie ist hyperbürokratisch und vom Volumen her völlig mickrig", warf er der Regierung vor. Das Entlastungsvolumen insgesamt sei zu niedrig. Er verwies auf Subventionen für einzelne Fabriken zur Herstellung von Computerchips, die zehn oder fünf Milliarden Euro erhielten, und fragte: "Jetzt wollen Sie uns vorrechnen, dass sieben Milliarden Euro Entlastung für die gesamte deutsche Volkswirtschaft einen Wachstumsschub auslösen? Das kann Ihnen doch keiner glauben." Middelbergs Fraktionskollege Fritz Güntzler (CDU) sagte: "Wir brauchen jetzt nicht das Klein-Klein dieses WC-Gesetzes. Wir brauchen eine große Unternehmenssteuerreform."

AfD verweist auf Amerika: USA zeigen wie es geht

Veränderungsbereitschaft signalisierte unter anderem Bernhard Daldrup (SPD). Bei der Investitionsprämie sei "Luft nach oben". Auch Katharina Beck (Grüne) sprach sich für eine höhere Investitionsprämie aus: "Da arbeiten wird daran, das kann noch größer werden.". Auch die Forschungsprämie lasse sich möglicherweise noch ausweiten. Beck verwies aber auch auf die Haushaltslage. Wenn die Union mehr Entlastung wolle, als die im Entwurf für das Wachstumschancengesetz vorgesehenen sieben Milliarden Euro, dann passe das nicht zu Forderungen nach einer schwarzen Null im Haushalt. "Ich bin gespannt, wie wir zusammen vielleicht nochmal irgendwann seriös über Finanzpolitik sprechen können", sagte sie in Richtung der Opposition.

Dort hatte auch Jörn König für die AfD-Fraktion ein höheres Volumen gefordert. Er verwies auf den Inflation Reduction Act (IRA) der USA. "Wie es richtig geht, zeigen die Amerikaner", sagte er, und erklärte, Deutschland sei die einzige Industrienation weltweit, die schrumpfe.

Auch Lindner weiß: "It´s the economy, stupid!"

Tatsächlich prognostiziert der IWF für die USA im laufenden Jahr ein robustes Wirtschaftswachstum von 2,1 Prozent und für 2024 von 1,5 Prozent. Allerdings erwartet er dort auch eine Neuverschuldung von 8,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts 2023 und 7,4 Prozent 2024. In Deutschland liegen die Zahlen mit 2,9 Prozent und 1,7 Prozent deutlich niedriger. Für deutsche Unternehmen sind die Anreize des IRA gleichwohl vielfach anziehend. "Deutsche Unternehmen gehen nach Amerika, um zu überleben", mahnte König.

In den USA stehen im kommenden Jahr Präsidentschaftswahlen an. Joe Biden wirbt mit seinem Konzept von "Bidenomics". Vor 30 Jahren soll der damals wahlkämpfende Bill Clinton zum Wahlausgang gesagt haben: "It´s the economy, stupid!" Den Satz kennt sicher auch der FDP-Vorsitzende Lindner.