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Gastkommentare : Hatte der "Club of Rome" Recht? Ein Pro und Contra

Natürlich hat der Club of Rome mit seiner Wachstumsskepsis Recht gehabt, findet Gastkommentator Joachim Wille. Birgit Marschall sieht das nicht so.

21.12.2023
2024-01-02T12:52:55.3600Z
3 Min

Pro

Club of Weitsicht

Foto: Alex Kraus
Joachim Wille
arbeitet bei der "Frankfurter Rundschau".
Foto: Alex Kraus

Natürlich hat der Club of Rome Recht gehabt. Es gibt in einer endlichen Welt "Grenzen des Wachstums", solange das Wachstum nicht vom Verbrauch von Ressourcen entkoppelt ist - und das ist bisher nirgendwo erreicht worden. Die "Grenzen" schlugen 1972 gewaltig ein, keine andere wissenschaftliche Studie hatte bis dahin in der Öffentlichkeit eine solche Beachtung gefunden. Es war eine historische Leistung. Als 1973 die erste Ölkrise kam, ausgelöst durch einen Beschluss der Opec-Ölländer, schien das die Ressourcen-Schwarzseher vom Club of Rome zu bestätigen. Dabei hatten die Forscher um Dennis Meadows vom Massachusetts-Institute of Technology (MIT) ein so schnelles Knappwerden der Energiereserven gar nicht vorausgesagt. Trotzdem prägte der Ölkrisen-Schock die Wahrnehmung der MIT-Studie. Kritiker höhnten später: Der "Club" habe unnötig Kassandra gespielt. Motto: Seht her, das Öl ist ja gar nicht knapp geworden.

Die Leistung von Meadows und Co. war eine ganz andere. Sie lehrten, die Welt als eng verwobenes Ganzes zu betrachten und in längeren Zeiträumen zu denken. Sie warnten, die Wachstumsgrenzen drohten im Laufe des nachfolgenden Jahrhunderts erreicht zu werden, und zwar mit katastrophalen Folgen, falls die Ausbeutung natürlicher Rohstoffe unvermindert anhält. Die Welt ist auf diesem Weg gefährlich weit gediehen. Aktuell sind der Ressourcenhunger und Schadstoffe-Deponiebedarf der rund 200 Länder auf dem Globus so groß, dass es rechnerisch fast zwei Erden bräuchte, um sie abzudecken. Und dass die Welt inzwischen auf Drei-Grad-Erwärmungskurs ist, statt tolerable 1,5 Grad ernsthaft anzupeilen, passt dazu. Das kann, das begreift jeder, nicht lange gut gehen. Denn es sprengt die Grenzen des Wachstums.

Contra

Vorerst widerlegt

Foto: Axel Schoen
Birgit Marschall
arbeitet bei der "Rheinischen Post".
Foto: Axel Schoen

Es ist 51 Jahre her, da machten "Die Grenzen des Wachstums" Karriere. Die Verdienste dieses Bestsellers sind unbestritten. Die Autoren machten der Menschheit erstmals klar, dass das kapitalistische Wirtschaften die natürlichen Lebensgrundlagen zerstört. Schon damals warnten die Ökonomen vor der Gefahr des Klimawandels durch den CO2-Ausstoß. Was sie aber nicht voraussahen, war der Erfindungsgeist etwa bei der Energieerzeugung. Das Wirtschaftswachstum wird eben doch nicht, wie damals prognostiziert, durch Ausschöpfung aller fossilen Ressourcen gebremst, sondern Strom aus Wind und Sonne sorgt heute dafür, dass es weitergeht. Wirtschaftswachstum ist kapitalistischen Systemen immanent: Unternehmen stehen im Wettbewerb, suchen neue Produkte, streben nach Gewinnen, um Teile davon zu reinvestieren. Sie schaffen Jobs, mehr Beschäftigte zahlen Steuern, so hat der Staat mehr Geld für die Umverteilung. Wohlstand ohne Wachstum ließe sich nicht auf Dauer sichern. Ohne Wachstum wären Zukunftsinvestitionen auch kaum finanzierbar. Regulierung drosselt das ungehemmte Wachstum, etwa in Deutschland. Staatskapitalistische oder planwirtschaftliche Länder achten im Übrigen viel weniger auf Sozial- und Umweltstandards. Dennoch ist die Frage nach den Grenzen des Wachstums berechtigter denn je. Die exzessive Art, wie wir wirtschaften, belastet den Planeten. Die Erderwärmung wischt bald ganze Länder von der Weltkarte, über die Hälfte aller Arten ist vom Aussterben bedroht, die Meere mit Plastik verseucht. Ökonomen diskutieren über Auswege. Die wohl beste Lösung wäre die Internalisierung aller Umweltkosten in die Marktpreise. Der internationale CO2-Preis wäre nur der Anfang.

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