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Rohstoff-Recycling : Kampfansage an die Wegwerfgesellschaft

Mindestens 15 Prozent aller kritischen Rohstoffe sollen in Zukunft aus der europäischen Kreislaufwirtschaft stammen. Aber kann das funktionieren?

28.08.2023
2024-03-11T11:47:33.3600Z
4 Min

Derzeit ist die Steckdose ihr bester Freund. "Der Akku macht schlapp, ich muss bald einen neuen bestellen", sagt Lena Baumann und zeigt auf ihr Handy. Seit drei Jahren besitzt sie ihr Smartphone, auf den ersten Blick unterscheidet es sich nicht von anderen Modellen großer Hersteller. Wenn deren Akkus allerdings kaputt sind, muss meist das ganze Handy entsorgt werden.

Foto: picture-alliance/dpa

Wiederverwertungs-Industrie: Ein Mitarbeiter von Redux Recycling in Bremerhaven sortiert Batterien.

Ziel: Smartphones, die repariert werden sollen

Für Baumann ist das keine nachhaltige Lösung. Die 37-jährige studierte Umweltwissenschaftlerin hat sich deshalb ein Shiftphone zugelegt. Dieses ist so konstruiert, dass sie ihren alten Akku einschicken kann und einen neuen bekommt - für unter 20 Euro. "Mich ärgert, dass ich den Akku jetzt schon zum zweiten Mal tauschen muss. Aber immer noch besser, als das Handy deswegen wegzuschmeißen."

Shift ist eines von zahlreichen Unternehmen, die der Wegwerfgesellschaft den Kampf angesagt haben. Im Gegensatz zur namhaften Konkurrenz aus China oder den USA baut das Unternehmen aus Hessen Smartphones, die nicht nur repariert werden können, sondern sogar repariert werden sollen. Zudem achtet Shift auf eine möglichst nachhaltige Produktion und einen schonenden Einsatz von kritischen Rohstoffen.

Die EU ergreift die Initiative

Die Europäische Union hat derzeit 34 kritische und strategische Rohstoffe definiert, darunter Lithium, Seltene Erden, Nickel, Kobalt, Phosphor und Magnesium. Als eine der weltweit führenden Wirtschaftsnationen braucht und verbraucht Deutschland große Mengen dieser Rohstoffe, Tendenz steigend.

Das soll sich jedoch mit der Entwicklung einer Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) unter der Organisation des Bundesumweltministeriums ändern. Das Ziel: Eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft soll gerade kritische Rohstoffe im Markt erhalten, die Versorgung mit knappen Materialien sichern und so die Resilienz der Wirtschaft stärken.

Auch die Europäische Union hat die Initiative ergriffen. Mit dem Critical Raw Materials Act, dem europäischen Gesetz zu kritischen Rohstoffen, will sich die EU konkrete Ziele setzen: So soll der strategische Rohstoffbedarf bis 2030 zu mindestens zehn Prozent über eigene Förderung in der EU erfolgen, mindestens 40 Prozent sollen hier weiterverarbeitet werden und mindestens 15 Prozent aus der europäischen Kreislaufwirtschaft stammen.


„Kreislaufwirtschaft wird oft als Abfallbehandlung betrachtet, es geht aber viel weiter“
Johannes Betz, Öko-Institut

"Kreislaufwirtschaft wird oft als Abfallbehandlung betrachtet, es geht aber viel weiter", sagt Johannes Betz vom Öko-Institut. Neben der Rückführung von Ressourcen gehe es auch um die Vermeidung von Abfall durch intensivere Nutzung und die Wiederverwendung von Produkten oder deren Weiterentwicklung. So könne zum Beispiel der ausgediente Akku eines Elektroautos als stationärer Speicher dienen. Diese Idee wird derzeit aber noch diskutiert.

Marktplatz für gebrauchte Batterien geschaffen

Etliche Unternehmen arbeiten derzeit daran, die wertvollen Rohstoffe aus ausgedienten Batterien zurückzugewinnen und wiederzuverwenden. Eines davon ist Duesenfeld aus Wendeburg bei Braunschweig. Das Start-up hat ein Verfahren entwickelt, das mechanische, thermodynamische und hydrometallurgische Prozesse verbindet - und somit mit deutlich weniger Energieaufwand wertvolle Metalle wie Kobalt und Nickel aus Lithium-Ionen-Batterien rückgewinnen kann, aber auch Graphit und das Lithium selbst. Eigenen Angaben zufolge können so über 90 Prozent einer Lithium-Ionen-Batteriezelle recycelt werden - im Vergleich zu 32 Prozent mit herkömmlichen Verfahren, bei denen die Batterien eingeschmolzen werden.

Auch Circunomics ist auf Batterierecycling spezialisiert, setzt aber an einem anderen Punkt an. Das Start-up hat einen Marktplatz aufgebaut, auf dem gebrauchte Batterien für den erneuten Einsatz als Speicher oder in Fahrzeugen gehandelt werden können. Zudem kooperiert das Mainzer Unternehmen mit der Firma Novum aus Dresden, einem Experten im Bereich der Batteriediagnose. Die Altbatterien sollen KI-basiert auf ihren Zustand analysiert werden, um sie möglichst sicher weiterverwenden zu können.

Alte Geräte weiter nutzen

Um Weiterverwendung von alten Geräten geht es auch bei Plattformen wie Rebuy. Hier können Menschen ihre ausgedienten, aber noch funktionstüchtigen Altgeräte wie Smartphones oder Tablets verkaufen. Die Anbieter überprüfen die eingeschickten Geräte, machen den Nutzern ein Angebot und verkaufen das Gerät weiter. "Das ist eine recht einfache Lösung, um alte Sachen loszuwerden", sagt Johannes Betz vom Öko-Institut. Die Plattformen nehmen zwar eine Verkaufsgebühr oder einen Obolus für den Service, das sei aber besser, als Geräte rumliegen zu lassen. "Viele Menschen haben teils mehrere alte Laptops oder Handys zuhause rumliegen, einfach weil sie nicht wissen, wie Daten gelöscht und gesichert werden können", sagt Johannes Betz vom Öko-Institut. Statt sich damit zu beschäftigen, lagern sie die Geräte. Dabei könnte man defekte Geräte sogar kostenlos in vielen Geschäften abgeben. Das allerdings werde sehr selten genutzt, sagt Betz. Manche Hersteller - wie zum Beispiel Shift - bieten inzwischen auch ein Pfandsystem für Elektrogeräte an. Wer sein altes Handy einschickt, bekommt immerhin 22 Euro dafür.

Umstieg auf Carsharing oder Fahrrad

Unterm Strich ist Betz zufolge die Vermeidung von Elektromüll ein wichtiger Faktor. "Wir müssen Konsummuster brechen und uns überlegen, wo Ressourcen wirklich notwendig sind und wo sie vielleicht durch andere Aspekte ersetzt werden können", sagt Betz. Dazu gehöre die Vermeidung von Verpackungsmüll genauso wie der Umstieg vom eigenen Auto auf Carsharing oder das Fahrrad. Betz: "Auch das sind Aspekte der Kreislaufwirtschaft."

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Nicht nur Unternehmer, auch Verbraucher überprüfen zunehmend ihr Verhalten. Änderungen in den Konsumgewohnheiten werden aus Sicht vieler Menschen wichtiger.Das gilt auch für die Umweltwissenschaftlerin Lena Baumann . Sie versucht, möglichst sparsam zu leben und Müll zu vermeiden, so gut es ihr Leben in der Großstadt Berlin zulässt. Dafür nimmt sie auch Einbußen in Kauf. "Mein Smartphone ist zwar nicht so gut wie andere große Marken, aber dafür nachhaltiger. Das ist es mir wert", sagt sie.

Melanie Croyé ist freie Journalistin.