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Inflation : "Mit der Inflation ist es wie mit Zahnpasta"

Im April lag die Inflationsrate bei 7,4 Prozent - ohne Immobilien. Entlastungen sollen den Preisanstieg dämpfen.

16.05.2022
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3 Min
Foto: picture-alliance/complize/Shotshop

Ist die Zahnpasta erst einmal aus der Tube, kriegt man sie schwer wieder rein. Bei der Inflation ist es auch so.

Wenn Sebastian Brehm (CSU) über die massiven Preissteigerungen in Geschäften, Restaurants, an Tankstellen sowie bei Heizkosten und Strompreisen spricht, dann zitiert er gerne den früheren Bundesbankpräsidenten Karl-Otto Pöhl: "Mit der Inflation ist es wie mit Zahnpasta. Ist sie erst aus der Tube, bekommt man sie nur schwer wieder rein." Und genau diese Situation habe man jetzt.

Die Inflation begann lange vor dem Krieg

Überall klettern die Preise im Eiltempo. Die Inflation begann zwar schon lange vor dem Ukraine-Krieg, "aber die Auswirkungen dieses Krieges beschleunigen diese Entwicklung", erklärte Michael Meister (CDU) am Donnerstag im Bundestag.

Tatsächlich wirkten Corona-Pandemie, Lieferkettenprobleme und jetzt der Ukraine-Krieg wie Schockwellen auf die Preisstabilität, die aber zuvor bereits durch die massive Geldmengenausweitung durch die Europäische Zentralbank (EZB) in Gefahr geraten war. Eine Geldmengenausweitung wurde früher durch das unkontrollierte Drucken von Geld erreicht; der heutige Ankauf von Staatsanleihen führt im Endergebnis zum gleichen Effekt. So wuchs die Geldmenge "M3" im Euroraum seit 2015 von rund zehn auf rund 13 Billionen Euro. "Ein gewaltiger Geldmengenüberhang trifft nun auf den negativen Preisschock und setzt einen Inflationsprozess in Gang", heißt es im jüngsten "Degussa-Marktreport".

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Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag die Inflationsrate im April bei 7,4 Prozent. Da die Zahl keine Immobilienpreise enthält, müssen etwa 0,5 Prozentpunkte hinzugerechnet werden. Aber auch ohne Immobilien ist dies der höchste Wert seit der Wiedervereinigung 1990.

Auswirkungen der Inflation ist noch nicht absehbar

Man sehe noch nicht einmal die volle Wirkung der Inflation, weil viele Preise noch über Lieferverträge für bestimmte Zeiträume gebunden seien, sagte Meister. "Seit 40 Jahren haben wir keine solche Entwicklung in Deutschland erlebt, und deshalb müssen wir dringend dagegen arbeiten", forderte Meister. Die CDU/CSU hatte dazu einen Antrag eingebracht, in dem ein Schutzschirm gegen die Inflation verlangt wird. Der Antrag wurde an die Ausschüsse überwiesen.

Meister sagte, die Union respektiere die Unabhängigkeit der EZB. Aber die EZB habe auch das Mandat der Preisstabilität, das sie jetzt "entschlossen, kraftvoll und zeitnah" wahrnehmen müsse. Und die Bundesregierung müsse die Schuldenbremse ab 2023 wieder einhalten. Auf europäischer Ebene müsse der Stabilitätspakt ab 2023 wieder in Kraft gesetzt werden.

Steuersenkung und Schuldenbremse? Beides zugleich geht nicht, sagt die SPD

Verena Hubertz (SPD) erklärte, der Unionsantrag "atmet Angst". Es gebe Angst vor Krieg, Angst vor Inflation, Angst vor Wohlstandsverlust. Offenbar habe die CDU/CSU nicht mitbekommen, was die Regierung unternehme, sagte Hubertz mit Blick auf die jüngsten Entlastungspakete. Wenn die Union jetzt fordere, einerseits die Steuern zu senken und andererseits die Schuldenbremse einzuhalten, sei das ein Widerspruch "par excellence".

Für Kay Gottschalk (AfD) leidet die CDU/CSU an kollektiver Amnesie. "Euro-Rettung und Negativzinsen gehen auf Ihr Konto", rief Gottschalk. Die aktuelle EZB-Geldpolitik müsse von Sparern, Rentnern und Menschen mit geringem Einkommen bezahlt werden.

Besorgt über die Inflationsrate zeigte sich Katharina Beck (Grüne). Im Alltag der Menschen sei die Inflation "unfassbar hoch". Aber die rein geldpolitische Analyse der CDU/CSU-Fraktion greife zu kurz. Auch Beck verwies auf die Entlastungspakete der Koalition.

Wagenknecht: Diesel-Preis ist nirgendwo in der EU so stark gestiegen wie in Deutschland

Für Sahra Wagenknecht (Linke) ist die hohe Inflation nicht nur Ergebnis des Ukraine-Kriegs, "sondern Ergebnis eines eklatanten Politik-Versagens in diesem Land". So sei der Diesel-Preis nirgendwo in der EU so stark gestiegen wie in Deutschland. Und die Regierung wolle durch ein Ölembargo die Preise noch weiter nach oben treiben. Die Sanktionspolitik schade Deutschland mehr als Putin; der Euro verliere an Wert, während der russische Rubel steige.

Markus Herbrand (FDP) bezeichnete den Antrag der Union als unseriös. Er wies darauf hin, dass die Ampelkoalition rund 67 Milliarden Euro "für nachhaltige, soziale und zukunftsweisende Entlastungsmaßnahmen einsetze, die natürlich die Inflation abfedern".