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Foto: picture alliance/imageBROKER/Norbert Neetz
Eine Region muss sich neu erfinden: Noch wird in Brandenburg gebaggert, doch die Kohleförderung im Osten wird bald enden.

Fördermittel fließen zu langsam : Union besorgt über Strukturwandel in ostdeutschen Kohlerevieren

Der Osten holt wirtschaftlich auf, doch in den Kohlerevieren stockt der Strukturwandel. Die Union fordert von der Regierung mehr Tempo.

05.07.2024
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3 Min

Für Überraschungen ist der Osten Deutschlands immer gut. In den letzten Tagen waren es Wirtschaftsprognosen, die Erstaunen auslösten: So berichtete das Ifo-Institut, dass die ostdeutsche Wirtschaft stärker wachse als die Wirtschaft in Gesamtdeutschland. Die Leistung der ostdeutschen Wirtschaft soll danach im Jahre 2024 um 1,1 Prozent steigen, während in Deutschland insgesamt mit 0,4 Prozent gerechnet wird. Die Prognose der Bundesregierung liegt derzeit sogar bei nur 0,3 Prozent.

Regionen im Osten drohen zurückzubleiben

Doch befürchtet die Unionsfraktion, dass einige Regionen im Osten zurückbleiben könnten. Dabei geht es vor allem um die Strukturwandelgebiete - also jene Regionen, in denen die Nutzung der Braunkohlevorkommen bereits eingestellt wurde oder im Rahmen des beschlossenen Kohleausstiegs bis 2038 beendet werden soll. Die Kohleregionen Lausitzer Revier in Brandenburg und Sachsen, das mitteldeutsche Revier in Sachsen-Anhalt und Sachsen sowie das ehemalige Braunkohlerevier Altenburger Land erhalten bis 2038 Mittel aus dem Investitionsgesetz Kohleregionen. Doch inzwischen zeige sich deutlich, dass die finanzielle Absicherung des Strukturwandels gefährdet sei, heißt es in einem Antrag der Fraktion, der am Freitag vom Bundestag an den Wirtschaftsausschuss zur weiteren Beratung überwiesen wurde.

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Großprojekte mit langem Planungs- und Genehmigungsvorlauf würden das Problem mit sich bringen, dass die Bundesmittel aus der ersten Förderperiode nicht mehr rechtzeitig bis zum Ende des Jahres 2026 abgerufen werden könnten, befürchtet die Unionsfraktion. Bisher sei unklar, wie die Bundesregierung dem Problem entgegenwirken wolle. "Diese Unsicherheit behindert die Projektentwicklung und hemmt den Strukturwandel in den Kohlerevieren", schreibt die Unionsfraktion in ihrem Antrag. Außerdem würden Fragen zur angespannten Fachkräftesituation, zu den wasserwirtschaftlichen Folgen des Braunkohleausstiegs und der Energieversorgungssicherheit unbeantwortet bleiben.

Daher erhebt die Union in ihrem Antrag eine Reihe von Forderungen, zum Beispiel nach einer Flexibilisierung der Verwendung der Mittel in den Förderperioden. Außerdem müssten Investitionen in die Bildungs- und soziale Infrastruktur als Investitionen des Strukturwandels anerkannt werden.

Zudem soll die Forschungslandschaft in den Kohleregionen weiter gestärkt werden. "Die soziale Abfederung des Kohleausstiegs kann nur gelingen, wenn wirtschaftliche, infrastrukturelle und kulturelle Projekte gleichermaßen effizient umgesetzt werden können", stellt die Union fest.

Union: Vor dem Kohleausstieg Arbeitsplätze schaffen

Abgelehnt wurde vom Bundestag mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP und AfD ein weiterer Antrag der Union zur Absicherung des Kohleausstiegs. Union und Linke stimmten zu. Darin hatte die Union gefordert, die finanzielle Absicherung des Kohleausstiegs sicherzustellen. Gefordert wird außerdem, "die Verunsicherung der Menschen in den Regionen durch widersprüchliche politische Signale innerhalb der Bundesregierung zu beenden, die auf einen überhasteten Kohleausstieg in Ostdeutschland abzielen". Das Ausstiegsdatum 2038 als Ergebnis der Kohlekommission sei "durch eine vorherige sorgfältig austarierte Einigung zwischen Wirtschaft, Politik, Klimaschützern und Wissenschaftlern" vereinbart worden.

In der Debatte des Bundestages warf Sepp Müller (CDU) der Ampel-Koalition vor, beim Strukturwandel das Pferd von hinten aufzuzäumen. Erst werde aus der Kohle ausgestiegen, und dann komme der Strukturwandel. Richtig wäre es umgekehrt. Die Union setze besonders auf weniger Bürokratie, damit die Fördermittel effektiv eingesetzt werden könnten. Die Infrastrukturprojekte sollten zügig umgesetzt werden, zum Beispiel die Bahnlinie von Dresden nach Prag. "Erst Arbeitsplätze und dann der Kohleausstieg", forderte Müller.

Ostbeauftragter verweist auf geplante Großinvestitionen

Carsten Schneider (SPD), Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, erklärte: "Die Koalition steht zu ihrem Wort." Er verwies auf geplante Großinvestitionen. Magdeburg und Dresden würden Zentren für Halbleitertechnologie werden. Hannes Walter (SPD) versicherte, die Maßnahmen zum Strukturwandel kämen bei den Menschen an und nannte als Beispiel Berufsausbildungsprojekte.

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Michael Kellner (Grüne), Parlamentarischer Staatssekretär für Wirtschaft und Klimaschutz, wies darauf hin, dass bereits jetzt mehr Arbeitsplätze in anderen Branchen entstehen würden als in der Kohlewirtschaft verloren gehen würden. Bernhard Herrmann (Grüne) sagte, ein genaues Datum für den Kohleausstieg könne nicht festgelegt werden. Wenn die Kohleverstromung unwirtschaftlich werde, werde sie abrupt enden. Und das werde vor 2038 der Fall sein, gab sich Herrmann angesichts der wachsenden Stromerzeugung durch erneuerbare Energien überzeugt.

"Es gibt keinen gesamtgesellschaftlichen Konsens zum Kohleausstieg", sagte dagegen Enrico Komning (AfD). "Sie transformieren Deutschland zurück in die Steinzeit", so Komning. "Lassen sei den Menschen ihre Kohle", forderte er. Gerald Ullrich (FDP) sagte, mehr Geld allein sei keine Lösung für den Strukturwandel: "Wir brauchen einen sinnvollen Einsatz der Mittel."