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Historie : Im Auf und Ab der Wählergunst

Ein Streifzug durch 19 Bundestagswahlen: vom ältesten Kanzler bis zur ersten Frau an der Regierungsspitze

20.09.2021
2023-08-30T12:39:42.7200Z
5 Min

Zwei der letzten drei Wahlperioden haben CDU/CSU und SPD miteinander regiert, und jetzt das: Mit 32,9 Prozent der Stimmen stürzt die Union bei der Bundestagswahl 2017 auf ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949; die Sozialdemokraten schneiden gar mit 20,5 Prozent so schlecht ab wie noch nie bei einer Bundestagswahl. Des einen Leid, des anderen Freud: Während Linke und Grüne leicht zulegen können, ziehen die erst 2013 gegründete AfD sowie die zuletzt erstmals nicht im Parlament vertretene FDP an ihnen vorbei und vergrößern die Zahl der im Bundestag vertretenen Parteien von fünf auf sieben - so viele waren zuletzt vor 70 Jahren im Hohen Haus vertreten gewesen, nämlich bis zur Wahl 1957.

Sogar drei mehr waren es nach der ersten Bundestagswahl 1949 gewesen: Neben der Union mit 31,0 Prozent, der SPD mit 29,2 Prozent und der FDP mit 11,9 Prozent hatten die Wähler Abgeordnete von sieben weiteren Parteien in das Parlament entsandt. Das lag auch am damaligen Wahlgesetz, nach dem die Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug in die Volksvertretung nur in einem Bundesland übersprungen werden musste. Nach der Wahl setzte dann Konrad Adenauer (CDU) statt einer möglichen großen Koalition mit der SPD ein Regierungsbündnis mit der FDP und der "Deutschen Partei" (DP) durch; mit nur einer Stimme Mehrheit wurde er dann zum "Gründungskanzler" gewählt.

Bei der zweiten Bundestagswahl 1953, bei der es erstmals Erst- und Zweitstimmen gab, war die Fünf-Prozent-Hürde verschärft. Es mussten nun mindestens fünf Prozent aller bundesweit abgegebenen Zweitstimmen oder - wie 1949 - mindestens ein Direktmandat errungen werden, um entsprechend dem Zweitstimmenergebnis ins Parlament einzuziehen. Die Union verbesserte sich auf 45,2 Prozent und bildete eine Koalition mit FDP, DP und dem "Gesamtdeutschen Block/Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten". Dieser hatte 5,9 Prozent der Stimmen geholt, während die DP und das Zentrum nach Wahlabsprachen mit der Union in den Bundestag gelangten.

Als die DP vier Jahre später nochmals aufgrund solcher Absprachen neben Union, SPD und FDP ins Parlament einzog, galt ein neues Bundeswahlgesetz, das sich nicht wie seine Vorgänger auf nur jeweils eine Wahl bezog, sondern allgemein galt. Mit dem Gesetz wurde die zur Umgehung der Fünf-Prozent-Hürde notwendige Zahl an Direktmandaten auf drei erhöht.

Bei der Bundestagswahl 1957, bei der erstmals auch die Saarländer abstimmten, erreichte die Union mit 50,2 Prozent die absolute Mehrheit - einmalig in der Bundestagshistorie.

Nach der folgenden Wahl von 1961 waren Union, SPD und FDP im Bundestag unter sich - bis 1983. Nachdem die Union 1961 ihre absolute Mehrheit verlor, machte die FDP eine Koalition von Adenauers Rücktritt während der neuen Wahlperiode abhängig. 1963 löste den damals 87-Jährigen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard als Regierungschef ab, unter dem die Union bei der Wahl 1965 wieder Stimmengewinne verbuchte. Die fortgesetzte Koalition mit der FDP zerbrach indes im Jahr darauf, und ohne neues Wählervotum folgte von 1966 bis 1969 die erste große Koalition unter Kanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU), der damals - wie auch sein Vize Willy Brandt (SPD) - kein Bundestagsmandat hatte.

Brandt konnte den CDU-Regierungschef nach zwei vergeblichen Kanzlerkandidaturen bei der Wahl 1969 ablösen. Die Union blieb zwar mit 46,1 Prozent erneut stärkste Kraft, doch fanden SPD und FDP nun zur sozialliberalen Koalition zusammen. Sie wurde bei der vorgezogenen Bundestagswahl von 1972, bei der erstmals das aktive Wahlalter von 21 auf 18 Jahre gesenkt war, bestätigt; die SPD überrundete die Union als stärkste Fraktion. Auch 1976 konnte sich die SPD/FDP-Koalition unter Brandt-Nachfolger Helmut Schmidt gegen die Union behaupten, die indes wieder stärkste Fraktion wurde. Noch einmal fand sich dann 1980 eine Mehrheit für das sozialliberale Regierungsbündnis, doch wurde Schmidt zwei Jahre später im Herbst 1982 durch ein konstruktives Misstrauensvotum von Union und FDP gestürzt.

Ära Kohl Deren neue Koalition unter Helmut Kohl (CDU) wurde nach vorzeitiger Parlamentsauflösung im März 1983 bestätigt, ebenso wie 1987, 1990 und 1994. Mit 16 Jahren und 26 Tagen brachte es Kohl auf die bislang längste Amtszeit aller Bundeskanzler.

Mit den Grünen gelangte 1983 erstmals seit 30 Jahren eine neue Partei ins Parlament. Im Gegensatz zu 1987 verpassten sie bei der ersten gesamtdeutschen Wahl Ende 1990 im Westen den Wiedereinzug, während in den neuen Ländern die Listenverbindung Bündnis 90/Die Grünen die in Ost und West damals separate Fünf-Prozent-Hürde nahm und als Bundestagsgruppe ins Parlament kam.

Davor lag am 18. März 1990 die einzige freie Wahl der DDR-Volkskammer, die bei der in der deutschen Geschichte höchsten Wahlbeteiligung von 93,4 Prozent mit dem Sieg einer Allianz unter CDU-Führung den Weg in die Einheit wies. Bei der Wahl Anfang Dezember zog dann auch die SED-Nachfolgepartei PDS in Gruppenstärke in den Bundestag ein, ebenso 1994, als sie unter fünf Prozent blieb, aber vier Direktmandate holte, während die nun vereinigten Ost- und West-Grünen wieder in Fraktionsstärke auftraten.

Das gelang der PDS erst 1998, als die SPD stärkste Kraft wurde und die rot-grüne Koalition unter Gerhard Schröder (SPD) einging. Bei deren Bestätigung 2002 blieben der PDS nur zwei Direktmandate; bei der vorgezogenen Wahl 2005 kam sie als Linkspartei erneut auf Fraktionsstärke. Die Union landete mit 35,2 Prozent der Stimmen knapp vor der SPD mit 34,2 Prozent und stellte in der zweiten großen Koalition mit Angela Merkel (CDU) die erste Frau an der Regierungsspitze. Angestrebt hatten weder Union noch Sozialdemokraten das gemeinsame Regierungsbündnis, doch reichte das Wahlergebnis weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb, und Dreierkonstellationen wie "Jamaika" oder "Ampel" wurden noch nicht ernstlich erwogen.

Der neuerlichen Regierungszeit der beiden großen Partner folgte vier Jahre danach ein vor allem für die Sozialdemokratie herber Absturz, als sie mit 23,0 Prozent ihr bis dahin schlechtestes Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik hinnehmen musste, während die Union mit 33,8 Prozent ihr (bis 2017) zweitschlechtestes zu verkraften hatte. Dagegen konnte sich die FDP mit 14,9 Prozent über ein Rekordergebnis freuen, und auch Die Linke und die Grünen feierten 2009 mit 11,9 beziehungsweise 10,7 Prozent historische Höchstwerte. Im Ergebnis kam es zur altbekannten schwarz-gelben Koalition - schließlich hatte die Union damals insgesamt 29 Jahre gemeinsam mit der FDP regiert, wenn auch anfangs noch mit weiteren Partnern.

Wie zuvor für die SPD sollte sich indes auch für die Freidemokraten das Regieren unter Merkel nicht auszahlen: 2013 verpasste die FDP mit nur 4,8 Prozent der Stimmen erstmals den Einzug in den Bundestag, dem sie seit 1949 ununterbrochen angehört hatte. Insgesamt 46 Jahre lang hatte sie in Regierungsverantwortung gestanden; nun schickte der Wähler sie in die außerparlamentarische Verbannung, während Union und SPD sich an die dritte Auflage einer großen Koalition machten.

16 Jahre Merkel Ihr folgte nach der für SPD und Union desaströsen Wahl von 2017 gar eine vierte, nachdem die FDP wochenlange Koalitionsverhandlungen mit CDU, CSU und Grünen platzen ließ. Merkel blieb so oder so im Amt, tritt indes bei Wahl am kommenden Sonntag nicht mehr an. Damit ist sie die erste Regierungschefin, die aus eigenem Entschluss aus dem Amt scheidet.