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Parlamentarisches Profil : Der Eurokritiker: Peter Boehringer

Der ehemalige Vorsitzende des Haushaltsausschusses hält den Nachtragshaushalt für verfassungswidrig - und wirft der Bundesregierung Taschenspielertricks vor.

20.12.2021
2024-02-20T09:19:43.3600Z
3 Min

Vier Jahre lang war Peter Boehringer Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Bundestag, nun ist er haushaltspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion - und er schaltet in den Kritikmodus. "Das ist eine glatte Fehlverwendung", sagt er mit Blick auf den Nachtragshaushalt, den der neue Bundesfinanzminister Christian Lindner auf den Weg bringen will: 60 Milliarden Euro sollen in Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung fließen; diese Gelder kann der Bund in diesem Jahr noch als Kredite aufnehmen, um pandemiebedingte Belastungen auszugleichen, sie werden aber wohl nicht verbraucht. Für Lindner ist das ein Bekenntnis zum Klimaschutz und zur Schuldenbremse gleichermaßen; "Klima ist nicht Corona", sagt indes Boehringer, dem seine neue Rolle offenbar gefällt. Die vergangenen Jahre war der AfD-Politiker in seinem Ausschussamt seiner Moderatorenrolle nachgekommen. Nun aber heißt es für den 52-jährigen Schwaben Opposition pur.

Foto: Peter Boehringer/H. Dreblow

Peter Boehringer ist haushaltspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion.

Boehringer bewertet die Investitionen als nicht verhältnismäßig

Zum einen sieht Boehringer in dem Manöver einen Taschenspielertrick. "Die AfD versuchte schon 2020 eine Normenkontrollklage dagegen beim Bundesverfassungsgericht, aber wir erzielten nicht die erforderliche Mehrheit." Dass dies nun die Unionsfraktion angekündigt hat, findet er "hanebüchen": "CDU und CSU tragen jetzt nach Karlsruhe, was sie an der Macht selbst mitgetragen haben." Zum anderen hält Boehringer die Mittelverwendung für übertrieben. "Die Kausalkette in der heutigen Klimadebatte ist nicht stimmig. Und selbst wenn, dann ist der Effekt der ausgegebenen Gelder zu minimal." Diese Investitionen seien nicht verhältnismäßig, findet der Haushaltspolitiker.


„Die Privatwirtschaft sollte eher in Ruhe gelassen werden.“
Peter Boehringer (AfD)

Boehringers Staatsverständnis fußt auf Marktvertrauen. Große staatliche Eingriffe mit Geld sollten nur zweite Wahl bleiben, "die Privatwirtschaft sollte eher in Ruhe gelassen werden". Er sieht eine Staatsplanwirtschaft, die schief gehen müsse. Boehringer stammt aus einer Unternehmerfamilie, beide Eltern seien alteingesessene Mittelständler in sechster Generation. Jedenfalls kann man Boehringer nicht vorwerfen, von Finanzen wenig zu verstehen: Nach dem Abitur schloss er eine kaufmännische Ausbildung als bester Absolvent Baden-Württembergs ab, studierte in Deutschland, USA und Großbritannien und ist Diplom-Informatiker sowie Diplom-Kaufmann. Es folgten Stationen in einer Unternehmensberatung und als Investmentmanager, bis er 2002 freier Autor und Vermögensberater wurde, mit dem Fokus auf Sachwertanlagen.

Eurokritiker der ersten Stunde

Dann ist etwas passiert. Boehringer stieß die Einführung des Euro negativ auf, er nahm Widersprüche in der Finanzökonomie wahr, und schrieb gegen den Euro an. 2012 engagierte er sich in der Bürgerinitiative "Holt unser Gold heim", die forderte, dass die Deutschen Goldreserven aus dem Ausland nach Deutschland verlagert werden. Als sich dann die AfD ein Jahr später gründete, schien sie für ihn als Eurokritiker der ersten Stunde wie gemacht. 2015 trat er ein.

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Dann wurde die Partei immer nationalistischer und populistischer - eine Entwicklung, die Boehringer mittrug: "Die nationale Orientierung war nicht antizipierbar, aber folgerichtig", sagt er mit Blick auf die Entscheidung der Bundesregierung, in der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 die Grenzen offen zu halten. Wer Boehringers Blogbeiträge liest, erfährt dort eine Menge Wut und Sorge, eine Ablehnung vieler Veränderungen, als wünschte er sich, die Zeit zurückstellen zu können. Nun, als haushaltspolitischer Sprecher, setzt Boehringer ganz auf Attacke. Mit Erfolg: Er ist im Gespräch als kommender Bundesvorsitzender neben Tino Chrupalla, parteiintern wird er als ein aussichtsreicher Kandidat gehandelt. "Mit Boehringer könnte ich gut leben", sagte der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland gegenüber der "Welt". Allerdings wurde der Parteitag der AfD, der diese Tage hätte stattfinden sollen, wegen der Corona-Lage abgesagt.