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Haushalt 2022 : Im Zentrum steht das Sondervermögen

Das Zwei-Prozent-Ziel der Nato lässt die Ausgaben auf ein Rekordhoch steigen. Finanzminister Lindner will das Sondervermögen im Grundgesetz verankern.

28.03.2022
2024-03-04T13:19:11.3600Z
4 Min
Foto: picture-alliance/EPA/FOCKE STRANGMANN

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) fährt in einem Schützenpanzer Puma während ihres Besuchs der Panzerlehrbrigade 9 in Munster am 7. Februar dieses Jahres.

Zu einem passenderen Zeitpunkt hätten die Presseberichte nicht kommen können: Während Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) in der vergangenen Woche dem Bundestag ihre Pläne für die Erhöhung des Wehretats auf 50,3 Milliarden Euro in diesem Jahr und die Einrichtung eines Sondervermögens von 100 Milliarden Euro präsentierten, berichteten NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" von der Beschaffung zweier Tankschiffe für die Bundeswehr, die einmal mehr die Frage nach dem Umgang mit Haushaltsgeldern aufwirft.

Bundesrechnungshof äußert "erhebliche Zweifel an der Wirtschaftlichkeit"

So seien die Kosten des Tanker-Projektes von den veranschlagten 570 Millionen Euro auf 915 Millionen Euro angestiegen, heißt es unter Berufung auf vertrauliche Berichte des Bundesrechnungshofes und des Beschaffungsamtes der Bundeswehr aus dem vergangenen Jahr. Nach dem Verzicht auf technische Anforderungen wie zum Beispiel eine zweite Antriebswelle seien die Kosten für die beiden Schiffe von der beauftragten Werft zwar wieder auf 870 Millionen reduziert worden, aber der Bundesrechnungshof habe "erhebliche Zweifel an der Wirtschaftlichkeit" angemahnt. Selbst die interne Prüfung im Beschaffungsamt spreche von "deutlich überzogenen" Forderungen der Werft und schätze die Kosten auf nur 620 Millionen Euro. Dennoch wolle das Beschaffungsamt an dem Vorhaben festhalten.

Der Fall ist für den Haushaltspolitiker Sebastian Schäfer (Grüne) ein weiterer Beleg dafür, dass die Bundeswehr nicht nur an einem Mangel an Geld leidet, sondern an einem Mangel an Effizienz im Beschaffungswesen. "Wir zahlen zu viel für zu wenig", befand er in der ersten Lesung des Verteidigungshaushaltes. Unisono forderten aber Abgeordnete aus allen Fraktionen, dass das Beschaffungswesen der Bundeswehr reformiert werden muss. Dies sei "die zentrale Aufgabe" von Verteidigungsministerin Lambrecht in ihrer Amtszeit, sagte der FDP-Haushaltsexperte Karsten Klein. Und die angesprochene Ministerin sagte genau dies zu. Erste Schritte seien im Bundeskabinett beschlossen worden. Konkreter wurde Lambrecht jedoch nicht. Einig zeigten sich mit Ausnahme der Linken aber angesichts des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine auch alle Fraktionen, dass die Bundeswehr mehr Geld benötigt, um den Auftrag zur Landes- und Bündnisverteidigung zu erfüllen.

Zum Erreichen des Zwei-Prozent-Zieles wären 70 Milliarden Euro nötig

Im Zentrum der Debatte stand das geplante Sondervermögen. Mit dieser Kreditermächtigung soll in den kommenden Jahren die Beschaffung von Ausrüstung und Gerät für die Bundeswehr finanziert werden. Und nur mit diesem Sondervermögen ist die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der Bund werde gemäß der Vereinbarung der Nato, zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) für Verteidigung aufbringen, zu realisieren. Denn der vorgelegte Wehretat von 50,3 Milliarden Euro entspricht rund 1,5 Prozent des BIP von 2021. Nötig zum Erreichen des Zwei-Prozent-Zieles wären aber 70 Milliarden Euro.

Die CDU-Verteidigungspolitikerin Kerstin Vieregge bemängelte, dass die Ampelkoalition den Wehretat in den kommenden Jahren bei rund 50 Milliarden Euro einfrieren wolle. Somit sei völlig unklar, wie nach Ausschöpfung des Sondervermögens das Zwei-Prozent-Ziel dauerhaft finanziert werden soll.

Lindner will das Sondervermögen im Grundgesetz verankern

Finanzminister Lindner will das Sondervermögen im Grundgesetz verankern. Doch der Weg dahin dürfte politisch recht holprig werden. Die Unionsfraktion, deren Stimmen zum Erreichen der Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat für eine Grundgesetzänderung benötigt werden, begrüßt das Vorhaben zwar prinzipiell, knüpft ihre Zustimmung aber an Bedingungen: So dürfe das Geld ausschließlich für die Bundeswehr ausgegeben werden, sagte Vieregge. Und daran hat die Union nach Verabschiedung der entsprechenden Gesetzentwürfe durch das Bundeskabinett, die dem Bundesrat zur Beratung übermittelt wurden, erhebliche Zweifel. So soll in Artikel 87a Grundgesetz zwar festgeschrieben werden, dass der Bund "einmalig" Kredite von bis zu 100 Milliarden Euro "zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit" aufnehmen kann. In der Begründung zum Begleitgesetz heißt es aber, dass "auch Maßnahmen zur Stärkung im Cyber- und Informationsraum sowie zur Ausstattung und Ertüchtigung der Sicherheitskräfte von Partnern" finanziert werden können - und dies "ressortübergreifend".


„Die Bundeswehr bekommt nicht das, was sie braucht, sondern was die Rüstungsindustrie ihr teuer verkaufen kann.“
Gesine Lötzsch (Linke)

Wie zur Bestätigung des Verdachts der Union, befand die Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger (Grüne), "Sicherheit bedeutet mehr als nur Militär". Der Schutz vor Cyberattacken gehöre mit dazu. Das Sondervermögen dürfe nicht aus parteitaktischen Gründen verhindert werden, hielt sie der Union vor. Und der FDP-Abgeordnete Klein attestierte der Union, sie sei doch Schuld an der Misere der Bundeswehr. Schließlich habe sie in den vergangenen 16 Jahren unter Bundeskanzlerin Angela Merkel alle Verteidigungsminister gestellt.

Auch die AfD-Fraktion bewertet das Sondervermögen kritisch. Höhere Verteidigungsausgaben seien in der Tat dringend notwendig, befand deren Haushaltspolitiker Michael Espendiller. Aber das Sondervermögen diene wohl eher dazu, die Schuldenbremse im Bundeshaushalt über Jahre hinweg zu unterlaufen.

Die Linksfraktion hingegen lehnt höhere Verteidigungsausgaben ab. So monierte die Haushaltsexpertin Gesine Lötzsch, das Sondervermögen sei in Wirklichkeit keine Reaktion auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine. Alle diskutierten Beschaffungsvorhaben seien bereits im Koalitionsvertrag benannt worden. Die Bundeswehr bekomme auch "nicht das, was sie braucht, sondern was die Rüstungsindustrie ihr teuer verkaufen kann".