Piwik Webtracking Image

Politisch motivierte Kriminalität : Keine Entwarnung für die wehrhafte Demokratie

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas sieht die freiheitliche Gesellschaft bedroht. Die Zahl der Angriffe auf Parteirepräsentanten ist weiter gestiegen.

27.06.2022
2024-01-03T09:05:06.3600Z
3 Min
Foto: picture alliance / dpa | Uwe Zucchi

Der nordhessische Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) wurde 2019 von einem Rechtsextremisten ermordet.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hat an den Mord an Walther Rathenau vor hundert Jahren durch Rechtsextremisten erinnert und dabei die Bedrohung für die Demokratie von heute durch Hass und politische Gewalt hervorgehoben. Der Mordanschlag auf den liberalen Außenminister der Weimarer Republik habe dem "bedeutenden Repräsentanten der ersten deutschen Demokratie" gegolten: "Weil er Jude war. Und weil er für Deutschlands Zukunft auf Ausgleich und Verständigung setzte", sagte Bas vergangenen Freitag im Bundestagsplenum.

"Der Mord war Teil eines rechtsterroristischen Umsturzplans, der die Republik zu Fall bringen sollte. Das Netzwerk reichte in rechtsnationale Kreise und in staatliche Institutionen hinein. Der Plan scheiterte." Die Republik schien damals verstanden zu haben, dass sie sich entschlossen gegen ihre inneren Feinde zur Wehr setzen müsse, sagte Bas mit Blick auf Massendemonstrationen nach dem Mord an Rathenau und das damals eingeführte Gesetz zum Schutz der Republik. "Wir wissen: Am Ende reichte das nicht."

Entschlossenes Vorgehen gegen Freinde der Demokratie gefordert

Bas betonte, dass "auch unsere Demokratie, die sich seit mehr als sieben Jahrzehnten bewährt" habe, durch "Polarisierung, Unversöhnlichkeit und eine Enthemmung in Worten und Taten" herausgefordert sei. "Unsere freiheitliche Gesellschaft wird bedroht von Verschwörungstheorien und gezielter Desinformation, von Hetze und Hass". Dieser Hass habe zu den Morden des NSU, zu den Anschlägen von Halle und den Toten von Hanau geführt und dieser Hass habe dem hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni vor drei Jahren das Leben gekostet.

"Unsere Demokratie muss sich mutig und entschlossen gegen ihre Feinde zur Wehr setzen", sagte die Bundestagspräsidentin. "Das ist die Lehre, die unser Grundgesetz aus der gescheiterten Weimarer Republik zieht."

Fackelaufzug vor Privathaus von Sachsens Sozialministerin 

Wie wichtig diese Lehre ist, zeigen auch, aber nicht nur Vorfälle wie der Fackelaufzug von Gegnern der Corona-Politik vor dem Haus von Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) im vergangenen Dezember, der parteiübergreifend verurteilt wurde und nicht nur den damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) "an die dunkelsten Kapitel unserer deutschen Geschichte" erinnerte. Im folgenden Monat unterband der Objektschutz der Polizei den Versuch eines AfD-Landtagsabgeordneten und eines weiteren AfD-Mitglieds, vor Köppings Privathaus zu demonstrieren.

2.500 Straftaten gegen Partei-Repräsentanten im Jahr 2021

Insgesamt stieg die Zahl der Angriffe auf Repräsentanten beziehungsweise Mitglieder von Parteien laut Bundesregierung von 1.534 Straftaten im Jahr 2020 auf 2.500 Straftaten im vergangenen Jahr. Dagegen sank die Zahl der Angriffe auf Parteigebäude beziehungsweise -einrichtungen von 506 Straftaten in 2020 auf 443 Straftaten in 2021, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine AfD-Anfrage hervorgeht.

Mehr zum Thema

Mehr zum Thema Anschlag von Rechtsextremisten auf Außenminister Rathenau
Gewalt in der Weimarer Republik: Anschlag von Rechtsextremisten auf Außenminister Rathenau

Danach waren im vergangenen Jahr von Straftaten mit dem Angriffsziel "Parteirepräsentant/Parteimitglied" in 660 Fällen Vertreter der AfD betroffen, in 617 Fällen Vertreter der CDU, in 454 Fällen Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen und in 445 Fällen Vertreter der SPD. In 120 Fällen waren laut Vorlage Vertreter der CSU betroffen, in 114 Fällen Vertreter der Linken und in 78 Fällen Vertreter der FDP.

Wie aus der Antwort weiter hervorgeht, waren von den Straftaten mit dem Angriffsziel "Parteigebäude/Parteieinrichtung" im vergangenen Jahr in 120 Fällen die AfD betroffen, in 83 Fällen die SPD, in 82 Fällen die CDU und in 67 Fällen die Grünen, während auf Die Linke 58 Fälle entfielen, auf die FDP 16 Fälle und auf die CSU sieben Fälle.