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Ausschreitungen und Menschenfeindlichkeit : Extremismus belastet das Image von Standorten

Politische Stabilität ist ein wichtiger Standortfaktor, der durch gewaltbereite Aktivistinnen und Aktivsten zunehmend in Gefahr gerät.

22.08.2022
2024-03-04T11:15:33.3600Z
4 Min

Als im Flüchtlingsherbst 2015 in Dresden Tausende Demonstranten der sogenannten Pegida-Bewegung auf die Straße gingen, um gegen eine befürchtete Überfremdung und Islamisierung zu protestieren, gingen die Nachrichtenbilder um die Welt. Auch die schweren Ausschreitungen gewaltbereiter Extremisten beim G-20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg fanden international große Beachtung. Und wenn am 1. Mai in Berlin mal wieder Straßenzüge brennen und Polizisten von Linken und Autonomen mit Steinen beworfen werden, wird auch das bei internationalen Medien aufmerksam registriert.

Der Imageschaden ist beträchtlich

Wann immer Bilder und Berichte von Ausschreitungen, ausländerfeindlichen Demonstrationen, radikalen Gruppen oder konzertierten Angriffen auf Firmen oder staatliche Einrichtungen in Deutschland in der Nachrichtenwelt eine solche Fallhöhe erreichen, dass Reporter weltweit darüber berichten, ist der Imageschaden beträchtlich und kann Auswirkungen haben auf die Standortwahl von Unternehmen.

Auch ausländische Fachkräfte, die in Deutschland arbeiten wollen, sind schnell verunsichert, wenn der Firmensitz ihres potenziellen Arbeitgebers als Neonazi-Hochburg bekannt ist oder für eine gewaltbereite linke Szene, die der Industrie generell den Kampf ansagt.

Politische Stabilität als wichtiger Faktor

Zu den relevanten Standortfaktoren der Wirtschaft gehört die politische Stabilität eines Landes oder einer Region. Deutschland zählt dabei traditionell zu den als politisch stabil erachteten Staaten der Erde, getragen von demokratischen, freiheitlichen und rechtsstaatlichen Strukturen. Dennoch ist die Bundesrepublik nicht frei von unternehmerischen Risiken, die sich aus politisch motivierten Aktionen radikaler Aktivisten ergeben. So stellt der Extremismus eine Bedrohung für Unternehmen dar, die entweder direkt angegriffen werden oder unter einem Imageverlust des Standortes etwa durch fremdenfeindliche Kundgebungen leiden.

Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Matthias Rietschel

Eine Protestveranstaltung 2019 gegen die ausländerfeindliche, extremistische Pegida-Bewegung in Dresden positioniert sich klar.

Das Ifo-Institut in Dresden kommt in einer Expertise zu dem Schluss, dass die politischen, rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen einer Region für die Ansiedlungsentscheidung von Bedeutung sind und einen universellen Charakter haben. Die regionalen Rahmenbedingungen würden durch den Grad an politischer Stabilität geprägt und könnten durch die jeweilige Regierung maßgeblich beeinflusst werden. Häufige Politikwechsel etwa seien für Unternehmer schwerer berechenbar und für den Standort unter Umständen unattraktiver, heißt es.

Wachsende Gefahr durch Kriminalität

Unter den politischen, rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen werden vom Ifo-Institut unter anderem die Stichworte Rechtssicherheit, aber auch Image und Tradition einer Region aufgeführt. Zu den Standortfaktoren, die im weiteren Sinne die Lebensqualität mit beeinflussen können, gehört der Auflistung der Wissenschaftler zufolge die Kriminalität. Im März 2019 trafen sich Experten aus der Wirtschaft und Wissenschaft sowie von Sicherheitsbehörden, um über die Gefahren durch Extremismus für Firmen zu beraten.

Auf der 13. Sicherheitstagung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW) sprachen die Fachleute von einer wachsenden Gefahr. Der Vizepräsident der Verfassungsschutzbehörde, Sinan Selen, benannte als Risiken Sabotage und schwere Anschläge auf Firmen. Daneben gefährdeten Extremisten den Wirtschaftsstandort Deutschland, "wenn sie durch menschenverachtendes Agieren unser Ansehen in der Welt beschädigen und potenzielle Fachkräfte sowie Investoren aus dem Ausland abschrecken".

Direkt von Extremismus betroffen

Dem Verfassungsschutz macht die "schleichende Entgrenzung zwischen dem legitimen bürgerlichen Protest und extremistischen Strömungen" zunehmend Sorge. Die Wirtschaft muss sich nach Ansicht des BfV "auf extremistische Protestformen einstellen". Auch der ASW-Vorsitzende Volker Wagner beklagte: Die Wirtschaft sei immer wieder direkt von Extremismus betroffen. "Die Grenze zwischen bürgerlichen Interessenbekundungen und extremistischen Handlungen sind dabei fließend."


„Wenn wir Unternehmen und Fachkräfte nach Deutschland holen wollen, um hier den Wohlstand zu steigern, müssen wir jede Form von Extremismus mit aller Härte bekämpfen.“
Jana Schimke (CDU)

Führende Wirtschaftsvertreter und Politiker äußerten sich 2020 alarmiert, als im damaligen Verfassungsschutzbericht von einem zunehmenden Extremismus die Rede war. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweizer, wies im "Handelsblatt" darauf hin, dass politische Stabilität und Weltoffenheit wichtige Faktoren für das Engagement ausländischer Unternehmen seien und resümierte. "Extremistische Tendenzen sind daher Gift auch für unsere Volkswirtschaft."

Mittelstands- und Wirtschaftsunion: Extremistische Tendenzen bekämpfen

Auch die Vize-Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), die Bundestagsabgeordnete Jana Schimke (CDU), äußerte sich besorgt: "Wenn wir Unternehmen und Fachkräfte nach Deutschland holen wollen, um hier den Wohlstand zu steigern, müssen wir jede Form von Extremismus mit aller Härte bekämpfen", sagte sie der Wirtschaftszeitung. Und der FDP-Abgeordnete Michael Theurer warnte: "Fremdenfeindliche Straftaten, ausländerfeindliche Demos oder auch entsprechende Reden im Bundestag schaden Deutschland und unserem Wohlstand."

Im Verfassungsschutzbericht 2021, der im Juni 2022 veröffentlicht wurde, wird das Thema wieder aufgegriffen. Hier lautet im Kapitel Linksextremismus ein Unterpunkt: "Angriffe auf Wirtschaftsunternehmen". Dort heißt es, linksextremistisch motivierte Brandstiftungen oder Sachbeschädigungen an Fahrzeugen, Maschinen oder Infrastruktur von Unternehmen verursachten jedes Jahr Schäden in Millionenhöhe. Neben konkreten Anlässen solle damit das "kapitalistische System" bekämpft werden. Viele Unternehmen würden als "Erfüllungsgehilfen" des Staates angesehen. Als ein Beispiel genannt wird ein Brandanschlag im Mai 2021 auf die Baustelle der Tesla-Fabrik in Brandenburg.