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Foto: picture-alliance/ZB/euroluftbild.de/Robert Grahn
Zelte dienen derzeit in Berlin-Tegel als Flüchtlingsunterkünfte.

Flüchtlingspolitik : Konträre Lösungsrezepte

Bundestag weist Vorschläge von Union und Linken zur Asylpolitik zurück. Auch die AfD hat einen Antrag vorgelegt.

02.05.2023
2023-11-27T21:32:36.3600Z
4 Min

Mit sehr gegensätzlichen Vorstößen zur Flüchtlingspolitik in Deutschland sind die Oppositionsfraktionen von Union und Linken vergangene Woche im Bundestag gescheitert. In namentlicher Abstimmung lehnten am Freitag 410 Abgeordnete einen CDU/CSU-Antrag "für Humanität und Ordnung" in der Flüchtlingspolitik bei 169 Ja-Stimmen und 66 Enthaltungen ab. Gegen einen Linken-Antrag für einen "Paradigmenwechsel in der Asylpolitik" votierten alle übrigen Fraktionen. Bereits zwei Tage zuvor hatte das Parlament einen AfD-Antrag "zum Schutz der Grenzen und vor unregulierter Massenmigration" zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen.

Darin fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, "sofortige temporäre stationäre Grenzkontrollen zur durchgehenden Sicherung der Landgrenzen" einzuführen und "Gewahrsamszentren unmittelbar an den Grenzen zur Sicherung sofortiger aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Falle von unzulässigen Schutzanträgen einzurichten". Zudem soll die Bundesregierung nach dem Willen der AfD unter anderem die Einrichtung eines Programms prüfen, durch das in Deutschland ankommende Asylbewerber zur Prüfung ihrer Asylanträge in ein Drittland überstellt werden können.

Die CDU/CSU forderte in ihrer Vorlage, weitere Staaten als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Auch sollten Entscheidungen über Asylanträge dem Antrag zufolge an der EU-Außengrenze getroffen werden müssen. Ferner sprach sich die Union unter anderem dafür aus, "lageangepasst und als letztes Mittel" die an der deutsch-österreichischen Grenze stattfindenden Kontrollen auf die Grenzen zu Tschechien und der Schweiz auszuweiten.

Die Linke plädierte in ihrem Antrag unter Verweis auf die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge dafür, allen Geflüchteten zu erlauben, in einer privat angemieteten Wohnung oder bei Verwandten oder Bekannten unterzukommen, wenn ihnen dies möglich ist. Ferner sprach sie sich dafür aus, Arbeitsverbote für alle Geflüchteten "zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens" abzuschaffen und ihnen einen Zugang zu regulären Sozialleistungen nach den Sozialgesetzbüchern sowie einer uneingeschränkten Gesundheitsversorgung zu eröffnen.

Union spricht von "Migrationskrise"

In der Debatte am Freitag warf Andrea Lindholz (CSU) der Regierungskoalition "Realitätsverweigerung" vor. In den vergangenen Monaten seien fast 200.000 Asylbewerber nach Deutschland gekommen, das zudem seit dem Beginn des Ukraine-Krieges rund eine Million Flüchtlinge aufgenommen habe. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) habe jedoch die derzeitige "Migrationskrise" bestritten und wiegele wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Forderung der Kommunen nach mehr Geld ab. Notwendig sei mehr Unterstützung der Kommunen, die "am Limit" seien, mahnte Lindholz. Zugleich forderte sie den Stopp freiwilliger Aufnahmeprogramme wie dem Aufnahmeprogramm Afghanistan.

Gülistan Yüksel (SPD) verwies im Gegenzug auf Maßnahmen der "Ampel" zur Ordnung der Fluchtmigration. Dazu zähle neben vorübergehenden Grenzkontrollen die Einsetzung eines Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen, der dafür sorgen werde, "dass Herkunftsländer ihre Landsleute ohne Asylanspruch wieder aufnehmen". Auch würden die Asylverfahren beschleunigt, und Faeser dringe in der EU auf ein "Gemeinsames Europäisches Asylsystem mit einheitlichen Standards und solidarischer Verteilung". Zudem habe der Bund vergangenes Jahr 4,4 Milliarden Euro für die Kommunen bereitgestellt und weitere 2,75 Milliarden Euro für dieses Jahr.

Bernd Baumann (AfD) sagte, Kommunalpolitiker hielten die derzeitige Migrationspolitik für katastrophal. Spitzenvertreter der Kommunen forderten eine effektive Sicherung der EU-Außengrenzen und gegebenenfalls Kontrollen an den deutschen Landesgrenzen. Auch der Großteil der Bevölkerung wisse mittlerweile, dass Migranten oft keine Fachkräfte seien, sondern eine "Belastung für die gesamte Gesellschaft".


„Flucht ist eine Realität, die nicht einfach verschwinden wird.“
Clara Bünger (Die Linke)

Filiz Polat (Grüne) entgegnete, "Abschottung und Abschreckung" hätten nichts mit den Herausforderungen bei der Aufnahme Schutzsuchender zu tun. Die Koalition setze sich für sichere Fluchtrouten und humanitäre Aufnahmeprogramme ein. Zugleich warb sie für ein "erneutes Signal" des Kanzlers vor der anstehenden Ministerpräsidentenkonferenz zur angemessenen Unterstützung der Kommunen. Zudem plädierte sie für eine Streichung der Wohnsitzauflage für Asylbewerber und die Abschaffung der Arbeitsverbote im Aufenthaltsrecht.

Clara Bünger (Linke) rief Bund, Länder und Kommunen auf, sich darauf einzustellen, dass dauerhaft Asylsuchende nach Deutschland kommen. Flucht sei "eine Realität, die nicht einfach verschwinden wird". Dabei verlasse niemand freiwillig sein Zuhause. Vielmehr würden die Menschen durch Kriege, repressive Regime und die Folgen des Klimawandels zur Flucht gezwungen. Daher müsse langfristig in kommunale Infrastruktur und Integration investiert werden und der Bund die Kosten für diese Aufnahme von Geflüchteten übernehmen.

26 Milliarden Euro für Flüchtlingspolitik

Stephan Thomae (FDP) betonte, von der Bekämpfung der Fluchtursachen bis zu Integrationsmaßnahmen würden in diesem Jahr mehr als 26 Milliarden Euro aus dem Bundesetat für Flüchtlingspolitik ausgegeben. Zugleich verwies er darauf, dass in der Migrationsdebatte drei sich widersprechende Aspekte in Einklang gebracht werden müssten, nämlich die humanitären und rechtlichen Verpflichtungen, die volkswirtschaftlichen Erfordernisse und die gesellschaftliche Akzeptanz. Darüber werde auch bei der Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler am 10. Mai diskutiert.

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