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Editorial : Verfahren mit Wert

Das Parlament hat gezeigt, dass in der Politik manchmal beides geht: Geschwindigkeit und ordentliches Verfahren.

13.02.2023
2024-01-10T14:58:43.3600Z
2 Min

Es gibt wenige Abgeordnete, die den parlamentarischen Alltag auch ein Jahrzehnt nach ihrem Tod noch prägen können. Der im Jahr 2012 verstorbene Peter Struck (SPD) war so ein Abgeordneter. Sein "Strucksches Gesetz" besagt, dass nichts so aus dem Bundestag herauskommt, wie es hineingekommen ist. Gesetzesvorlagen werden oft von der Bundesregierung formuliert, die zentrale Rolle hat aber das Parlament. Bei der nun beschlossenen Straffung des Rechtsschutzes gegen bedeutsame Infrastrukturvorhaben hat sich gezeigt, dass dies nicht nur demokratisch bedeutend ist. Das Parlamentsverfahren kann entscheidend sein, Fehler zu vermeiden.

Verfahren sollen die Entscheidungsfindung sichern

Die Lorbeeren hat sich dort der Rechtsausschuss verdient. Sein Beschluss, eine öffentliche Anhörung zu diesem Gesetz durchzuführen, war ausschlaggebend dafür, den Entwurf der Bundesregierung umfassend zu ändern. Die Kritik annähernd aller Sachverständigen konnte nicht ohne Folgen bleiben. Eine Expertin äußerte sogar ganz offen die Hoffnung, dass das Gesetz geändert werden möge. Der Obmann von CDU/CSU im Ausschuss, Carsten Müller, brauchte in der anschließenden Plenardebatte kaum eigene Worte für seine Kritik. Er zitierte sechs Minuten die Sachverständigen und holte sich hierfür den Hinweis der Bundestagspräsidentin ab, dass der überwiegende Teil einer Rede im Plenum eigentlich aus eigenen Ausführungen bestehen sollte.

Verfahren sollen die Entscheidungsfindung sichern, indem sie alle Belange berücksichtigen. Das Dilemma besteht darin, besonders bedeutsame Infrastrukturvorhaben mit möglichst viel Tempo umzusetzen, selbst wenn diese in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht besonders schwierig sind. Längst nicht alles hängt dabei an nationalen Vorschriften, oft gibt es zusätzlich Vorgaben des Unions- und Völkerrechts sowie des Europäischen Gerichtshofes.

Das Gefühl, dies sei alles überbürokratisiert, kann dabei leicht bedient werden. Von "langwierigen Genehmigungen von gestern" ist dann die Rede. Doch der neue Geschwindigkeitsrausch birgt Gefahren, nicht nur in der Gesetzgebung. Autofahrer wissen: Wer zu schnell unterwegs ist, bekommt die Kurve nicht. Das Parlament hat jetzt gezeigt, dass in der Politik manchmal beides geht: Geschwindigkeit und ordentliches Verfahren. Zwischen der ersten Beratung und der Abstimmung lagen nur drei Wochen.

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