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Anhaltende Wohnungsnot : Der geplatzte Traum vom Eigenheim

Die Kaufpreise für Wohnungen und Häuser im Bestand haben sich etwa verdoppelt. Im Bundestag machen sich die Fraktionen gegenseitig für die Krise verantwortlich.

13.02.2023
2024-03-11T10:26:48.3600Z
5 Min
Foto: picture-alliance/dpa/Bernd Weißbrod

Die Bundesregierung hat ihr Ziel, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, 2022 verfehlt.

Sie war eines der Hauptthemen im gerade zu Ende gegangenen Wahlkampf um das Berliner Abgeordnetenhaus, die Wohnungsnot. In ihrem Koalitionsvertrag von Ende 2021 hatten sich SPD, Grüne und Linke in Berlin den Bau von jährlich 20.000 neuen Wohnungen zum Ziel gesetzt. Tatsächlich fertiggestellt wurden 2022 rund 16.500 Wohnungen. "Nur" sagte Oppositionsführer Kai Wegner (CDU) dazu in einer Fernsehdiskussion vier Tage vor der Wahl, "immerhin" die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) angesichts von Inflation und Materialmangel.

Unstrittig ist, dass es für Gering- und Durchschnittverdiener immer schwerer wird, eine bezahlbare Wohnung zu finden oder ein Eigenheim zu finanzieren. Und das ist beileibe keine Berliner Besonderheit. So haben sich die Kaufpreise, die für Wohnungen und Häuser im Bestand verlangt und bezahlt werden, auch an vielen anderen Orten in Deutschland etwa verdoppelt. Der Wohnraummangel in München hat sogar in hundert Kilometer entfernten Orten wie Traunstein zu einem Preissprung geführt. Einen Verkäufermarkt nennt man das in der Immobilienwirtschaft, weil, etwas übertrieben gesagt, Verkäufer den Preis bestimmen konnten. Das war bisher auch deshalb so, weil angesichts von Hypothekenzinsen um ein Prozent genügend Interessenten die Finanzierung auch teurer Wohnungen und Häuser stemmen konnten.

Vier Prozent sind für viele zu viel

Doch inzwischen dreht sich der Wind. Wegen der gestiegenen Leitzinsen der Europäischen Zentralbank und in Erwartung weiterer Leitzinserhöhungen verlangen Banken jetzt um die vier Prozent für Baufinanzierungen. Für Viele ist damit der Traum von den eigenen vier Wänden geplatzt.

Auch für die Bundesregierung wird es schwer, das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen aus der Koalitionsvereinbarung umzusetzen. Stattdessen werde es 2023 lediglich 250.000 geben, sagte Jan-Marco Luczak (CDU) vergangene Woche in einer von seiner Fraktion verlangten Aktuellen Stunde des Bundestags voraus und machte dafür Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) mitverantwortlich. Sie habe ein beispielsloses Förderchaos verursacht, das die Investitionssicherheit genommen habe. Zugleich würden immer strengere Baustandards auf den Weg gebracht, "was das Bauen teuer und das Wohnen am Ende unbezahlbar macht".


„Die große Krise ist vor allem die Frage nach dem bezahlbaren Wohnraum“
Hanna Steinmüller, Bündnis 90/Die Grünen

Dagegen machten Redner von FDP, Grünen und Linken die unionsgeführte Vorgängerregierung für die negativen Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt mitverantwortlich. Horst Seehofer (CSU) habe als Bauminister in den vergangenen vier Jahren 300.000 Wohnungen zu wenig gebaut, kritisierte Christoph Meyer (FDP). Es gelte Hindernisse aus dem Weg zu räumen und Rahmenbedingungen für mehr Bautätigkeit zu setzen. Vor allem brauche es eine Ausweisung von deutlich mehr Bauland.

Dagegen warnte Hanna Steinmüller (Grüne) davor, den Fokus nur auf Neubau zu legen. "Die große Krise ist vor allem die Frage nach dem bezahlbaren Wohnraum", sagte sie. Die Union habe vor 30 Jahren die Wohngemeinnützigkeit abgeschafft. Zudem habe sie maßgeblich den sozialen Wohnungsbau ebenso wie die Wärmewende ausgebremst. Es gelte daher, das Mietrecht zu stärken und in die energetische Sanierung zu investieren. Beides tue die Ampelkoalition.

Bislang kein Verbot von Indexmieten

Caren Lay (Die Linke) bemängelte den Wegfall von einer Million Sozialwohnungen während der Regierungszeit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Leider sei aber die Situation unter der Ampelkoalition nicht viel besser geworden. So werde von der FDP weiterhin das Vorkaufsrecht für Mieter blockiert. Auch zum Verbot der Indexmieten gebe es noch kein Gesetz, kritisierte sie und sprach sich für eine Vergesellschaftung von "Deutsche Wohnen und Co." aus.

Bauministerin Geywitz wies darauf hin, dass es in der Baubranche in den vergangenen Jahren eine verhältnismäßig niedrige Effektivitäts- und Innovationsentwicklung gegeben habe. Die Art und Weise, wie Bauwerke errichtet würden, sei verhältnismäßig gleich geblieben. Mehr Fördergelder allein reichen aus ihrer Sicht nicht aus, um die Krise zu bewältigen. Wenn man in einen begrenzten Markt mit einer begrenzten Kapazität Milliardenförderungen hineingieße, führe das dazu, "dass die Preisspirale für alle, die bauen wollen, angetrieben wird".

Migranten verschärfen laut AfD die Situation

Aus Sicht von Roger Beckamp (AfD) gäbe es ohne die "Deutschland überschwemmende Migrationswelle" keine Krise auf dem Wohnungsmarkt. Die Kommunen wüssten nicht mehr wohin mit den Flüchtlingen. Die "migrantensüchtige Regierung" baue nun in den Städten Wohnungen "nur für Migranten". Zudem sorgten "irrwitzige Sanierungsauflagen" für einen hohen Kostendruck auf die Bestandsmieter.

Noch ist der Immobilienmarkt allerdings nicht eingebrochen. Makler berichten, es fänden sich immer noch Interessenten mit genügend Eigenkapital, um die höheren Zinsen zu verkraften. In manchen Lagen beginnen die Preise allerdings schon zu bröckeln, und die Immobilienportale berichten von einer längeren Verweildauer der angebotenen Objekte.

Materialkosten steigen weiter

Fatal ist diese Entwicklung für den dringend benötigten Wohnungsneubau. Denn Materialkosten und Lohnkosten steigen weiter, und daher müssten auch die Preise weiter steigen, soll sich der Neubau noch rentieren. Aber bekommt man sie noch bezahlt?

Die Frage stellt sich nicht nur für kleine Unternehmen, die Einfamilienhäuser auf dem Land bauen. Am 31. Januar verkündete das größte deutsche Wohnungsunternehmen, die Vonovia, den Stopp aller noch nicht begonnenen Neubauvorhaben. Als Grund nannte Entwicklungsvorstand Daniel Riedl die gestiegenen Zinsen und Baukosten sowie Unsicherheiten bei der Förderung. Um dennoch kostendeckend zu vermieten, müsste man künftig 20 statt früher 12 Euro pro Quadratmeter verlangen, hieß es aus dem Konzern. Das aber sei unrealistisch.

Einen Tag später bestätigte das Statistische Bundesamt, Baumaterialien hätten sich 2022 um 14 Prozent verteuert und die Arbeiten am Bau von Wohnungen um 16,4 Prozent.