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Foto: picture alliance/dpa/Kay Nietfeld
Ein ukrainischer Soldat an einem Gepard-Flugabwehrkanonenpanzer in einer Stellung östlich von Odessa. Der von Deutschland gelieferte Panzer wird zur Abwehr von feindlichen Drohnen, Flugzeugen oder Hubschraubern eingesetzt.

Krieg in der Ukraine : Eine Frage der Reichweite

Die Koalition setzt auf weitere Waffenlieferung für die von Russland angegriffene Ukraine. Die Taurus-Frage bleibt aber offen.

23.02.2024
2024-02-23T16:05:26.3600Z
4 Min

Zwei Jahre nach der russischen Invasion und zehn Jahre nach der Besetzung der Krim spricht sich im Bundestag eine Mehrheit für die fortgesetzte Ausweitung der Waffenunterstützung für die von Russland angegriffene Ukraine aus. In namentlicher Abstimmung votierten am Donnerstag 382 Abgeordnete für einen Antrag der Ampelfraktionen von SPD, Grünen und FDP zur Lieferung "weitreichender Waffensysteme", 284 Abgeordnete stimmten dagegen, es gab zwei Enthaltungen. Die Frage, ob damit auch der Marschflugkörper Taurus aus Beständen der Bundeswehr gemeint ist, bleibt aber weiter offen. Die Unionsfraktion, die eine solche Lieferung explizit gefordert hatte, fand für ihren Antrag keine Mehrheit.

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Die Befürworter, die sich auch in den Reihen von Grünen und FDP finden, argumentieren mit Präzision und Reichweite dieses Waffensystems: Mit ihm könne die Ukraine Logistik und Infrastruktur der russischen Armee hinter der Front weitaus empfindlicher treffen als bisher. Gegner der Taurus-Abgabe verweisen hingegen auf die Gefahr, dass die Ukraine damit auch Ziele innerhalb Russlands anvisieren könnte. Damit könnte Deutschland tiefer in diesen Krieg hineingezogen oder gar Kriegspartei werden, so die Befürchtung.

Die größte Sicherheitsbedrohung für Europa

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) betonte: "Für die Ukrainerinnen und Ukrainer geht es um alles." Die Freiheit und Sicherheit von 40 Millionen Menschen, die Integrität ihres Landes, ihre demokratischen Werte, ihre selbstbestimmte Zukunft. Putins Russland werde auf absehbare Zeit die größte Sicherheitsbedrohung für Europa bleiben. Der russische Präsident habe Angst nicht vor der Bedrohung der Nato oder einer widerstandsfähigen Ukraine, sondern davor, "dass die freie, demokratische Welt ihm auf die Pelle rückt und sein Regime, seine Macht gefährdet."

Johann David Wadephul (CDU) bekräftigte die breite Unterstützung der Ukraine aus der Mitte des Hauses. "Das ist ein Kampf, den die Ukraine für uns alle führt - gegen Revanchismus, gegen Regime, die die Menschenrechte verachten, die jede regelbasierte Ordnung ablehnen." Wadephul bemängelte aber fehlende Entschiedenheit der Koalition. "Ich möchte von Bundeskanzler Scholz in dieser Situation einmal wissen, was denn das ganz große Problem mit der Lieferung der Taurus-Raketen ist. Niemand weiß es." Die Öffentlichkeit, die Ukraine, der Bundestag hätten einen Anspruch darauf zu erfahren, warum die Regierung nicht liefern könne.

Grüne: Union redet Unterstützung für die Ukraine klein

Agnieszka Brugger (Grüne) warf der Union vor, die große Unterstützung, die die Koalition seit zwei Jahren für die Ukraine auf den Weg gebracht habe, kleinzureden. Gleichwohl sei kein Platz für deutsches Eigenlob: "Denn wenn es insgesamt nicht reicht, wird die Ukraine sich nicht erfolgreich wehren können. Und dann enden auch Gewalt und Terror nicht." Es werde die Geschichtsbücher nicht interessieren, wer auf welchem Platz im Ranking der Ukraine-Unterstützer gestanden habe.


„Niemand kann behaupten, dass ein einzelnes Waffensystem der Game-Changer ist.“
Gabriela Heinrich (SPD)

Alexander Gauland (AfD) wandte sich gegen die wertegeleitete Außenpolitik der Bundesregierung. Wenn diese dazu führe, dass Gespräche und Verhandlungen enden oder nicht aufgenommen würden, müsse sie durch Realpolitik ersetzt werden. "Realpolitik ist die Kunst des Möglichen. Das Mögliche ist ohne schmerzliche Kompromisse oft nicht zu haben." Putin führe einen Krieg, den man für ungerecht und falsch halten könne oder auch müsse. "Um ihn zu beenden, taugt es aber nicht, seine Kriterien zu übernehmen."

Deutschland ist nach den USA zweitgrößter Unterstützer der Ukraine

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) bekannte, für den Unions-Antrag gestimmt zu haben. Sie habe dies ausschließlich deswegen getan, weil darin "das System des Taurus unmissverständlich genannt worden ist". Die Ukraine brauche die deutsche Unterstützung und sie bekomme sie. "Wir brauchen uns im internationalen Vergleich nicht zu verstecken, im Gegenteil. Umso tragischer ist es, dass wir seit Monaten darüber streiten, ob wir der Bitte der Ukraine nachkommen, den Marschflugkörper Taurus in Ergänzung zu allen anderen gelieferten Waffensystemen zu liefern."

Gabriela Heinrich (SPD) hingegen argumentierte, dass die "verkürzte Debatte über einzelne Waffensysteme" den Blick auf das Wesentliche verstelle. "Niemand kann doch mit Sicherheit behaupten, dass ein einzelnes System der Game-Changer ist." Zum Gesamtbild gehöre, dass Kanzler Scholz den Bürgern die Sicherheit vermittle, dass Deutschland nicht Kriegspartei werde. Deutschland sei zudem nach den USA der größte Unterstützer der Ukraine, habe für dieses Jahr die militärischen Hilfen von vier auf sieben Milliarden Euro aufgestockt.

Sören Pellmann (Gruppe Die Linke) betonte, dass die Lieferung von Taurus diesen Krieg nicht beenden, sondern die Gefahr für einen Atomkrieg erhöhen würde. Auch Klaus Ernst (Gruppe BSW) warnte davor, "dass wir weiter in diesen Krieg hineingezogen werden".

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