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Foto: picture alliance/AP Photo/Pete Souza
US-Präsident Barack Obama und Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrates 2011 im "White House Situation Room".

Streit um neues Gremium : Koalition kann sich nicht auf Nationalen Sicherheitsrat einigen

Nach Vorbild der USA hatte die Bundesregierung einen Nationalen Sicherheitsrat für Deutschland ins Spiel gebracht. Eine Einigung darauf ist jedoch gescheitert.

19.06.2023
2024-01-12T10:19:01.3600Z
4 Min

Dieses Bild ging 2011 um die Welt: US-Präsident Barack Obama, Vize Joe Biden, Außenministerin Hillary Clinton und Verteidigungsminister Robert Gates schauen umringt von weiteren Kabinettsmitgliedern und Behördenvertretern gebannt auf einen Bildschirm, auf dem ihnen ein Update zur Jagd auf Osama bin Laden, den Al-Qaida-Anführer und langjährig gesuchten Terroristen hinter den 9/11-Anschlägen, geboten wird. Die Anspannung der Beteiligten ist mit Händen zu greifen. Das vom Executive Office veröffentlichte Bild gibt einen seltenen Einblick in den "Situation Room" im Keller des Weißen Hauses, in dem üblicherweise der "United States National Security Council", der Nationale Sicherheitsrat, streng abgeschirmt tagt. Das Gremium versammelt unter Vorsitz des US-Präsidenten neben der Vizepräsidentin eine Reihe von Ministern seines Kabinetts (darunter Außen, Verteidigung, Finanzen, aber auch Energie, Justiz und Heimatschutz) sowie - teils fallweise - die Spitzen von Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten sowie den Nationalen Sicherheitsberater des Präsidenten.

Ob Condoleezza Rice, Colin Powell oder Henry Kissinger - es sind prominente Namen, die sich mit diesem Berater-Amt verbinden - so prominent, dass sie außerhalb der Vereinigten Staaten bisweilen bekannter sind als die Namen mancher US-Ministerin oder Minister. Und mit einer gewissen Folgerichtigkeit rückte Kissinger ebenso wie Rice und Powell später auch als Außenminister beziehungsweise Außenministerin ins Kabinett auf.

Vergleichbare Gremien auch in Frankreich und Großbritannien

Das Amt des Sicherheitsberaters, geschaffen 1947 während der Präsidentschaft von Harry S. Truman durch den National Security Act, ist im Weißen Haus angesiedelt. Für die Besetzung ist der Präsident nicht auf die Zustimmung des Senats angewiesen, was etwa zahlreiche Abgeordnete bei den sechs teils heftig umstrittenen und teils sprunghaft erfolgten Besetzungen beziehungsweise Nachbesetzungen unter US-Präsident Donald Trump zur Weißglut getrieben haben dürfte. Gleichwohl unterliegt der Posten als Teil des präsidialen Executive Office natürlich der Budget-Kompetenz des US-Kongresses. US-Sicherheitsrat und der Nationale Sicherheitsberater befassen sich - wie der Name es sagt - mit Fragen der äußeren Sicherheit des Landes, sie tauschen sich mit den für die nationale Sicherheit zuständigen Behörden aus und setzen Leitlinien zur Außenpolitik. So wirken sie etwa an der Nationalen Sicherheitsstrategie mit, mit der jede US-Regierung regelmäßig vor den US-Kongress treten muss, um ihre außen- und sicherheitspolitischen Zustandsbeschreibungen und Pläne darzulegen.

Vergleichbare Gremien wie den US-Sicherheitsrat gibt es in Frankreich und in Großbritannien. In "Downing Street 10" beratschlagt seit 2010 ein National Security Council nach US-Vorbild, im Élysée-Palast setzt der "Conseil national de sécurité" mit dem französischen Staatspräsidenten an der Spitze Prioritäten für die Sicherheitsbehörden und Geheimdienste.

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Ein vergleichbar institutionalisiertes Gremium gibt es in Deutschland bisher nicht, ebenso wenig einen explizit so benannten Nationalen Sicherheitsberater. Über beides sowie über eine dazugehörige Nationale Sicherheitsstrategie ist nach dem Fehlschlag des Abzugs der Bundeswehr aus Afghanistan im Sommer 2021 in Deutschland aber wieder intensiv diskutiert worden. Im Koalitionsvertrag haben sich Sozialdemokraten, Grüne und Liberale darauf verständigt, "im ersten Jahr der neuen Bundesregierung eine umfassende Nationale Sicherheitsstrategie" zu erarbeiten. Diese liegt nun nach einigen Verzögerungen seit vergangener Woche Mittwoch vor. Doch der Versuch, die Strategie gewissermaßen mit einem eigenen Nationalen Sicherheitsrat institutionell aufzuwerten, eine Forderung auch der oppositionellen Unionsfraktion, scheiterte letztlich unter anderem an der Frage, ob dieser Rat im Außenministerium oder im Bundeskanzleramt angesiedelt sein soll.

Bundessicherheitsrat dient bisher dem Austausch 

Nichtsdestotrotz gibt es dort natürlich einen Sicherheitsberater des Kanzlers - im Organigramm ist das der Leiter der für Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik zuständigen Abteilung 2. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekleidete lange Christoph Heusgen dieses Amt, der heute Chef der Münchener Sicherheitskonferenz ist. Seit 2021 ist der Diplomat Jens Plötner sein Nachfolger. Und mit dem bestehenden Bundessicherheitsrat gibt es bereits seit 1955 einen Kabinettsausschuss, in dem sich der Kanzler und eine Reihe von Ministerinnen und Ministern (Außen, Verteidigung, Finanzen, Inneres, Justiz, Wirtschaft, Entwicklung sowie Kanzleramt) austauschen. "Der Bundessicherheitsrat berät Fragen der Sicherheitspolitik, insbesondere auf allen Gebieten der Verteidigung sowie der Abrüstung und Rüstungskontrolle", heißt es in der 2015 neu gefassten Geschäftsordnung des Gremiums. Die Zusammenkünfte sind geheim, aber das bedeutet natürlich nicht, dass nichts nach außen dringt. Zu den bekannt gewordenen Beschlüssen der jüngeren Zeit gehört zum Beispiel die Entscheidung, Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern, mit der die Bundesregierung lange gerungen hatte, aus der sie am Ende aber kein Geheimnis machte. Ohnehin ist die Regierung verpflichtet, jährlich in einem Rüstungsexportbericht dem Bundestag über ihre Genehmigungspraxis für den Export von Kriegswaffen Rechenschaft zu geben.