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Militärhilfe für die Ukraine : Taurus-Lieferung ist in Reichweite

Die Union dringt schon länger auf die Lieferung des Marschflugkörpers Taurus an die Ukraine. Inzwischen befürworten das auch in der Koalition immer mehr.

17.11.2023
2024-02-23T09:32:18.3600Z
4 Min

Die Gegenoffensive hat nicht den erhofften Durchbruch gebracht, die USA als größter Unterstützer sind mit sich selbst beschäftigt und die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit hat sich auf den Krieg im Nahen Osten verlagert: 20 Monaten nach Beginn des russischen Angriffskrieges ist die Ukraine in einer besonders schwierigen Lage. Daran ändert die Aussicht auf die Aufnahme von Verhandlungen über einen EU-Beitritt ebenso wenig wie die Berichte über einen militärischen Vorstoß am Ostufer des Dnipro.

Taurus war bisher Reizthema in der Koalition

Die Union im Bundestag setzt sich in diese Situation dafür ein, die diplomatische, militärische und logistische Hilfe Deutschlands für die Ukraine substanziell zu erhöhen. Dazu gehört für sie insbesondere Forderung, dem von Russland angegriffenen Land rasch den Marschflugkörper "Taurus" aus Beständen der Bundeswehr zur Verfügung zu stellen: Eine Reizthema in der Koalition aus SPD, Grünen und FDP, bei denen es Eskalationssorgen genauso gibt wie entschiedene Befürworter für die Lieferung dieses Waffensystems.

Unabhängig von der "Taurus"-Frage plant die Bundesregierung, die Militärhilfen für die Ukraine im kommenden Jahr auf acht Milliarden Euro zu verdoppeln. Ein Antrag zur umfassenden und kontinuierlichen Unterstützung der Ukraine sowie zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern der CDU/CSU-Fraktion überwies das Bundestagsplenum am Donnerstag zur weiteren Beratung an den federführenden Auswärtigen Ausschuss. Ein weiterer Antrag der Union zum Wiederaufbau der ukrainischen Landwirtschaft scheiterte am Votum der übrigen Fraktionen.

Foto: picture alliance/dpa/Gabbert

Ukrainische Soldaten bei der Schulung an einem "Leopard"-Kampfpanzer am Bundeswehrstandort Klietz.

Florian Hahn (CSU) kritisierte in der Debatte die Zögerlichkeit der Koalition. Seit Mai gebe es den Hilferuf der Ukraine nach abstandsfähiger Präzisionsbewaffnung wie dem "Taurus"-Marschflugkörper, Partnernationen wie Großbritannien, Frankreich und die USA lieferten bereits ähnliches. Der Bundeskanzler aber zögere und zaudere wie schon in der Vergangenheit bei der Lieferung von Panzern. Begründet würden die Bedenken damit, dass "Taurus" in Reichweite und Wirksamkeit hocheffizient sei. Eine "fadenscheinige Doppelmoral", befand Hahn. Das Ziel, die territoriale Integrität wiederherzustellen, werde die Ukraine nur erreichen, wenn sie den Stellungskrieg mit unterschiedlichen Waffensystemen aufbrechen und die russischen Truppen zum Rückzug zwingen könne.

"Keine kriegsentscheidende Wunderwaffe"

Michael Roth (SPD) erinnerte daran, dass der russische Präsident sein "erbärmliches, imperialistisches, neokolonialistisches Ziel" nicht erreicht habe, und das habe mit der westlichen Unterstützung, vor allem aber mit dem Willen der Menschen in der Ukraine zu tun. "Diese Ukrainerinnen und Ukrainer werden sich niemals einem Diktatfrieden unterwerfen." Roth bemängelte, dass die EU der angekündigten europäischen Allianz zur Lieferung von "Leopard"-Panzern und Munition kaum Taten habe folgen lassen. Die Bundesregierung hingegen "hat vielleicht nicht alles versprochen, aber sie hat alle Versprechen gehalten", sagte Roth, betonte aber auch: "Wir müssen mehr tun, wir müssen es schneller tun." Sein Fraktionskollege Jörg Nürnberger kritisierte hingegen die Forderung der Union: Sie vermittle mit dem "Taurus" das Bild einer "Wunderwaffe, die allein den Krieg entscheiden kann" , das jedoch sei "falsch".


„Wir müssen mehr tun, wir müssen es schneller tun.“
Michael Roth (SPD)

Robin Wagener (Grüne) räumte ein, dass die Ukraine mit einer schnelleren und engagierteren Unterstützung des Westens erfolgreicher gewesen wäre. Er erinnerte daran, dass ein gemeinsamer Beschluss der Koalition mit der Union zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine kein Waffensystem heraushebe, aber auch keines ausschließe. "Niemand hier im friedlichen Berlin sollte sich über die ukrainischen Bedarfe auf dem Gefechtsfeld hinwegsetzen", sagte Wagner. Man müsse der Ukraine alles zur Verfügung stellen, "was erfolgreich Munitionsdepots, Kommandoposten und Versorgungslinien bekämpfen kann."

AfD gibt Bundesregierung Mitschuld an Eskalation

Matthias Moosdorf (AfD) warf Union und der Koalition vor, in Kauf zu nehmen, dass die Ukrainer zum "geopolitischen Kanonenfutter in einem verlorenen Krieg" geworden seien. "Sie alle hier sind mit Ihrer rhetorischen Eskalation und der Lieferung immer schwererer Waffen nicht nur krachend gescheitert, Sie haben auch wider besseres Wissen erhebliche Schuld an der jetzigen Situation." 400.000 Tote seien zu beklagen. Es sei Zeit, dem "Frieden und den Menschen auf beiden Seiten wieder eine Chance zu geben", sagte Moosdorf.

Unterstützung der Ukraine

Mittel zur Ertüchtigung: Sie belaufen sich 2023 auf insgesamt 5,4 Milliarden Euro. Für 2024 sind acht Milliarden Euro geplant. Im Jahr 2022 waren es noch zwei Milliarden Euro.

Lieferung von schwerem Gerät: Unter anderem hat Deutschland bisher 30 Kampfpanzer vom Typ "Leopard" 1 A5 und 18 vom Typ 2 A6 geliefert, außerdem 60 "Marder"-Schützenpanzer sowie Minen- und Brückenlegepanzer und Mehrzweckfahrzeuge auf Ketten.

Systeme zur Luftverteidigung: Zum Schutz vor russischem Raketenbeschuss hat Deutschland der Ukraine die Luftverteidigungssysteme IRIS-T SLM und PATRIOT zur Verfügung gestellt, des Weiteren Bodenüberwachungsradare und Aufklärungsdrohnen.



Auch Gregor Gysi (Die Linke) wandte sich gegen weitere Waffenexporte: Die Lieferung von "Streubomben und Raketen eröffnet keine Chance auf Frieden". Der langjährige Generalstabschef der US-Armee Mark Milley habe erklärt, dass keine Seite diesen Krieg militärisch gewinnen könne, der ukrainische Armeechef Walerij Saluschnyj spreche von einer Patt-Situation. "Wollen Sie wirklich statt Waffenstillstand einen jahrelangen, einen jahrzehntelangen Krieg?"

Getreidetransporte sind wieder möglich

Alexander Müller (FDP) lenkte den Blick hingegen auf die Situation im Schwarzen Meer. Putin setze dort Hunger als Waffe ein. Es sei der Ukraine aber gelungen, die russische Schwarzmeerflotte auch dank westlicher Waffensysteme zu verdrängen und Getreidetransporte wieder zu ermöglichen. "Das zeigt, es macht einen Unterschied, ob die Ukraine Waffen hat oder nicht." Müller erinnerte nochmals an die langwierigen Diskussionen um die Lieferungen von Panzern. Der Westen insgesamt sei zu spät gewesen, der russische Aggressor habe sich in Stellungen eingraben können, die heute unüberwindbar seien. "Wir sollten diesen Fehler bei anderen Waffensystemen nicht wiederholen."