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Nach der Korruptionsaffäre um Huawei : Keine durchgreifenden Reformen zu erwarten

Die Ermittlungen gegen den chinesischen IT-Konzern Huawei deuten darauf hin, dass im Europäischen Parlament Ethik-Regeln weiterhin lax gehandhabt werden.

12.06.2025
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5 Min

Seit die belgischen Behörden im März 21 Räumlichkeiten, darunter auch Büros im Europäischen Parlament, durchsucht haben, dringen im Fall Huawei neue Details an die Öffentlichkeit. Der chinesische IT-Konzern soll EU-Abgeordnete und ihre Mitarbeiter bestochen haben, um Entscheidungen in Brüssel in seinem Sinn zu beeinflussen. Die belgische Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen acht Verdächtige erhoben, denen unter anderem Bestechung, Geldwäsche und Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen wird. Eine Spur führt auch nach Deutschland. 

Weder EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) noch Parlamentspräsidentin Roberta Metsola (EVP) sehen darin allerdings einen Grund, den Kampf gegen Korruption energisch anzugehen. Von der Leyen hat gerade erst bestätigt, dass sie die Überprüfung des EU-Lobbyregisters nicht vorziehen wird, wie dies mehrere Europa-Abgeordnete gefordert hatten. Sie hält das Lobbyregister nicht für das geeignete Instrument, um Probleme wie Bestechung oder Betrug anzugehen. Die EU-Kommission hat Mitarbeitern seit den Hausdurchsuchungen alle Treffen und Kontakte mit Huawei untersagt. 


„Jeder Skandal hat Forderungen nach Reformen ausgelöst. Dieser Effekt war jedoch meist von kurzer Dauer.“
Wirtschaftsprofessor Alberto Alemanno

Seit Anfang Mai gelten im Europäischen Parlament geringfügig strengere Regeln für Lobbyisten. Sie müssen, wenn sie die Gebäude betreten, den Grund ihres Besuches angeben und ihre Zugangsausweise aktivieren. Auf diesem Wege soll nachvollziehbar werden, wer mit wem spricht. Zuvor konnten Lobbyisten mit ihren Zugangskarten im Europäischen Parlament frei ein- und ausgehen. 

Die Korruptionsaffäre um Huawei ist nicht der erste Skandal im EU-Parlament

Die jüngste Änderung war eine Reaktion auf „Katargate“, den Skandal rund um die frühere griechische Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Eva Kaili. In ihrer Privatwohnung hatte die belgische Polizei im Dezember 2022 bündelweise Bargeld gefunden. Insgesamt hatten die Behörden 1,5 Millionen Euro sichergestellt. Es besteht der Verdacht, dass Katar, Marokko und Mauretanien mit Geld Entscheidungen beeinflusst haben. Bisher ist es aber in diesem Fall zu keinem Gerichtsverfahren gekommen.

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Beobachter fragen sich, was in Brüssel passieren muss, damit Ethik-Regeln endlich ernst genommen werden. Jeder Skandal habe Forderungen nach Reformen ausgelöst, beobachtet Alberto Alemanno, Professor für Europäisches Unionsrecht an der Wirtschaftshochschule HEC in Paris. „Dieser Effekt war jedoch meist von kurzer Dauer.“ Auch diesmal sind maximal kosmetische Änderungen zu erwarten.

Katargate hat gezeigt, wie schwierig es ist, Korruption lückenlos nachzuweisen und die Schuldigen rechtskräftig zu verurteilen. Im Fall Huawei hat die belgische Staatsanwaltschaft beantragt, die Immunität von fünf Europa-Abgeordneten aufzuheben. Bei einer Person hat sie den Antrag jedoch wieder zurückgezogen. Es ist nicht abzusehen, ob es zu Gerichtsurteilen kommen wird. 

Huawei ist in zahlreichen Ländern ins Visier der Justiz geraten 

Beobachter sind von den Anschuldigungen gegen den chinesischen Konzern nicht überrascht. Huawei ist in zahlreichen Ländern rund um den Globus wegen des Verdachts auf Bestechung ins Visier der Justiz geraten. In Algerien wurde ein Huawei-Mitarbeiter in Abwesenheit zu zehn Jahren Haft wegen Bestechung verurteilt. In Indonesien muss ein Telekommunikationsminister 15 Jahre in Haft verbringen, weil er von Huawei mehr als eine Million Dollar angenommen hatte. 

In Brüssel soll vergleichsweise wenig Geld geflossen sein. Für einen Brief soll ein Europa-Abgeordneter Medienberichten zufolge 15.000 Euro bekommen haben. Abgeordnete, die den Brief mitunterschrieben haben, sollen mit 1.500 Euro bezahlt worden sein. 

Foto: picture alliance/dpa

Erneut steht das Europäische Parlament im Zentrum eines Korruptionsskandals. Konkret soll Geld des chinesischen IT-Konzern Huawei an Abgeordnete geflossen sein.

In dem Brief warben Europa-Abgeordnete dafür, Huawei beim Aufbau der Infrastruktur des 5G-Mobilfunknetzes in der EU zu berücksichtigen. Huawei wurde darin namentlich zwar nicht erwähnt. Aus dem Zusammenhang erschloss sich jedoch, um welches Unternehmen es ging. Medienberichten zufolge soll auch eine Person, die für deutsche EU-Abgeordnete tätig war, Geld von Huawei erhalten haben. Die belgische Staatsanwaltschaft äußert sich offiziell nicht zu den Ermittlungen.

Abgeordnete sollen Tickets für hochkarätige Fußballspiele bekomme haben

Huawei hat offenbar nicht nur mit Geld versucht, Europa-Abgeordnete für sich einzunehmen. Der Konzern hat im Fußballstadion von Anderlecht auch eine Loge gemietet, in die Politiker eingeladen wurden. Der Malteser Daniel Attard und der Bulgare Nikola Minchev, deren Immunität aufgehoben werden soll, behaupten beide, sie hätten nicht gewusst, dass die Tickets für hochkarätige Fußballspiele von dem chinesischen Konzern stammten. 

Den Regeln zufolge müssten Europa-Abgeordnete Geschenke von mehr als 150 Euro melden. In der Praxis wird jedoch nicht überprüft, ob die Regeln eingehalten werden.

Huawei folgte auch dem Beispiel der US-Techkonzerne und engagierte sich bei Brüsseler Denkfabriken. Das Unternehmen ist etwa - wie Amazon, Google, Meta und Microsoft - Mitglied des Wirtschafts-Thinktanks Bruegel. Der betont, dass Huawei mit einem Mitgliedsbeitrag von 50.000 Euro im Jahr 2024 nur 0,64 Prozent zum Gesamtbudget beigetragen und keinen Einfluss auf die Forschungsergebnisse genommen hat. Institute wie Bruegel geben Huawei jedoch eine Bühne, um Botschaften zu platzieren. 

Auch andere chinesische Konzerne betreiben Lobbyarbeit in der EU

Genau wie US-Konzerne hat Huawei Mitarbeiter aus EU-Institutionen abgeworben. Im November 2014 heuerte Huawei den Iren David Harmon an, der direkt davor noch im Stab der irischen Forschungskommissarin gearbeitet hat. Mit einem Vierteljahr Abstand wechselte ein Sprecher der EU-Kommission 2018 als Pressesprecher in das Brüsseler Büro von Huawei.

Huawei ist nicht der einzige chinesische Konzern, der in Brüssel Lobby-Arbeit betreibt. Im vergangenen August wurde bekannt, dass der frühere EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) als Berater des umstrittenen Modeunternehmens Shein tätig ist. Oettinger rechtfertigte seinen Einsatz damit, dass sein Mandat eng begrenzt sei auf Cybersicherheit, Datenschutz und Geopolitik. Shein ist wegen der schlechten Qualität seiner Ware in die Kritik von Verbraucherschützern geraten. Mit unter 400.000 Euro im Jahr gibt Shein eine relativ geringe Summe für seine Lobbyarbeit in Brüssel aus. Huawei ließ sich sein Lobbying in Brüssel im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben mehr als zwei Millionen Euro kosten.

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