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Wahlen in Polen und Rumänien : Viele Stimmen für Nationalisten und EU-Skeptiker

Die Erfolge von Rechtsaußen-Parteien belasten die Regierungen in Warschau und Bukarest. Polen steht bis zur Stichwahl am 1. Juni ein heftiger Wahlkampf bevor.

23.05.2025
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4 Min

Polens Liberale stehen unter Schock. Monatelang wurde der Warschauer Bürgermeister Rafal Trzaskowski von Donald Tusks regierender liberaler Bürgerplattform (PO) als Favorit gefeiert, hatte einen Umfragevorsprung von rund zehn Prozent. Nun hat er sich bei der ersten Runde der polnischen Präsidentenwahlen am 18. Mai nur haarscharf gegen den von Oppositionschef Jaroslaw Kaczynski von dessen national-konservativer Partei "Recht und Gewichtigkeit" (PiS) zum Gegenkandidaten auserkorenen parteilosen Historiker Karol Nawrocki durchgesetzt.

Foto: picture alliance / NurPhoto

Der erste Wahlgang in Polen hat am 18. Mai viele Wahlberechtigte mobilisiert: Die Wahlbeteiligung war mit mehr als 67 Prozent für Polen hoch.

Die zum Kampf zwischen Gut und Böse stilisierte erste Runde der Wahlen um das wichtige Präsidentenamt hat zu der bisher größten Wahlbeteiligung in einer Vorausscheidung geführt. Mehr als zwei Drittel der Wahlberechtigten gingen an die Urne. Damit scheint ein großer Teil des Mobilisierungspotenzials für die Stichwahl am 1. Juni ausgeschöpft.

Tusk-Regierung muss in Polen um ihre Reformen zittern

Der von Donald Tusks Mitte-Regierung erhoffte Befreiungsschlag für ihre bisher vom konservativen Präsidenten Andrzej Duda blockierten Reformen blieb somit vorerst aus. Dabei braucht sie dringend einen eigenen Mann im Präsidialamt, um rechtsstaatliche Normen im Justizsystem wiederherstellen zu können und ein liberaleres Abtreibungsgesetz umzusetzen. Schafft Tusk das nicht, dürfte er wegen gebrochener Wahlversprechen 2027 wieder abgewählt werden. Schon am Wahlsonntag erreichten zwei Kandidaten weit rechts der PiS ein starkes Resultat.

Nach Auszählung aller Wahllokale zeigte sich, dass der PO-Vize-Vorsitzende Trzaskowski nur knapp zwei Prozent vor Nawrocki lag. Trzaskowski kommt auf 31,4 Prozent der Stimmen, Nawrocki auf 29,5 Prozent. Schlimmer aber wiegt für Tusk das schwache Abschneiden der Kandidaten seiner beiden Juniorregierungspartner "Dritter Weg" und "Linke". 

52 Prozent der 18- bis 29-Jährigen entschieden sich für die rechte Opposition

Der lange als zentralistische Hoffnung gehandelte Parlamentspräsident Szymon Holownia erreichte nur fünf Prozent, die Linkspolitikerin Magdalena Biejat 4,2 Prozent. Damit kommt die Regierungskoalition gerade mal auf 40,6 Prozent der Stimmen, während vier klar rechtskonservative Kandidaten zusammen mehr als die Hälfte erhalten haben. Wie erwartet kam der Rechtaußenpolitiker Slawomir Mentzen mit 14,8 Prozent auf den dritten Platz. Der monarchistische Skandalpolitiker und Filmregisseur Grzegorz Braun schlug sich mit 6,3 Prozent besser, als die Umfragen erwarten ließen.


„Diese zwei Wochen werden über die Zukunft unserer Heimat entscheiden.“
Polens Ministerpräsident Donald Tusk

Braun sprach sich in der Wahlnacht bereits gegen Trzaskowski aus. Mentzen ziert sich noch, doch erwarten Politologen, dass höchstens jeder siebte Wahlberechtigte in der Stichwahl zu Trzaskowski umschwenken könnte. Damit läuft es auf ein äußerst knappes Rennen zwischen Trzaskowski und Nawrocki hinaus.

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Um das Ausmaß von Trzaskowskis Problemen bei der Stichwahl zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die ausgerechnet von Tusk in der Parlamentswahlkampagne vor anderthalb Jahren politisierten jungen Polen: Im Oktober 2023 gelang es dank ihnen, die immer autoritärer auftretende Kaczynski-Mannschaft nach acht Jahren abzuwählen. Damals stimmten 62,9 Prozent der Polen in der Altersgruppe 18 bis 29 Jahren für die spätere Dreiparteien-Koalition von Tusk. Am 18. Mai nun entschieden sich 52 Prozent von ihnen für die rechte Opposition, während nur 22,5 Prozent die drei Präsidentschaftskandidaten von Tusks Mitte-Links-Regierung unterstützten. Der Rest wählte den Linkspolitiker Zandberg und zwei unter Jugendlichen beliebte YouTuber-Kandidaten.

Bei jungen Wählern kam der Rechtsradikale Mentzen auf den ersten Platz

Vor allem der rechtsextreme Mentzen und der linksextreme Zandberg trieben Polens jüngste Wähler an die Urnen; den Vertretern des nunmehr seit 20 Jahren andauernden politischen Kampfs zwischen dem liberalen Tusk und dem konservativen Kaczynski kann diese Generation offenbar nichts mehr abgewinnen. Unter den 18 bis 29-jährigen Wählern siegte Mentzen klar mit 32 Prozent der Stimmen, und auch unter den 30 bis 39-jährigen setzte sich der Rechtsradikale auf dem ersten Platz durch.

Mentzen hatte sich als Kraft außerhalb des alten Zweikampfs zwischen Tusks PO und Kaczynskis PiS präsentiert. Wie Donald Trump in den USA stellte er sich konsequent als wahrer Vertreter des kleinen Bürgers von der Straße dar, der außerhalb des Establishments steht. Doch bei seinen mehr als 300 Wahlkampfauftritten prügelte der Rechtsaußenpolitiker vor allem auf Trzaskowski ein. Dies könnte dem PiS-Kandidaten Nawrocki in der Stichwahl helfen.

Rechtsaußen-Parteien sind auch in Rumänien auf dem Vormarsch

In Rumänien, das am selben Tag zum zweiten Wahlgang rief, ist die Präsidentschaftswahl inzwischen entschieden - und auch hier fuhren die Rechtsaußen-Parteien Erfolge ein. In der Stichwahl setzte sich zwar der EU-freundliche, liberale Bukarester Bürgermeister Nicusor Dan (unabhängig) mit einem Vorsprung von mehr als sieben Prozent gegen den Trump-Bewunderer George Simion (46,4 Prozent) von der rechtsextremen Allianz für die Vereinigung aller Rumänen (AUR) durch.

Foto: picture alliance / REUTERS

Der liberale Bukarester Bürgermeister Nicusor Dan lag im ersten Wahlgang weit zurück. Doch am Ende siegte er bei der Stichwahl in Rumänien klar vor dem Ultranationalisten George Simion.

Doch der von der polnischen PiS unterstützte Simion gab sich nicht geschlagen und stellte am Dienstag beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Annullierung der Wahl wegen angeblicher Beeinflussung aus Frankreich, der Republik Moldau und „anderer Akteure“. Diesen wies das Gericht am Donnerstag jedoch ab. Anfang Dezember 2024 hatte es die erste Runde der Präsidentenwahlen annulliert – damals wegen angeblicher russischer Einflussnahme, für die nie Beweise vorgelegt wurden. 

Kommentatoren erwarten in Polen einen harten und schmutzigen Wahlkampf 

Simion, der wie Nawrocki in Polen die Europäische Union in einen losen Staatenbund umbauen will, in dem sich die Brüsseler EU-Kommission weder in Fragen der Rechtsstaatlichkeit noch der Menschenrechte einmischt, hatte sich am Sonntagabend zunächst zum Wahlsieger erklärt. Jedoch gestand er in der Wahlnacht seine Niederlage ein und gratulierte Nicusor Dan zum Sieg. Zwei Tage später kam dann die Kehrtwende.

Die Kommentatoren in Warschau erwarten für die kommende Woche einen harten und schmutzigen Wahlkampf, wie ihn Polen noch nie gesehen hat. Es gehe „um buchstäblich jede Stimme“, schrieb der polnische Politikwissenschaftler Antoni Dudek auf Facebook. 

Gelingt es dem liberalen Trzaskowski nicht, die Links-Wähler ausreichend zu mobilisieren, könnte die fragile Dreierkoalition in Warschau an einem Präsidenten Nawrocki zerbrechen, was Neuwahlen zur Folge hätte.  

Der Autor ist freier Osteuropakorrespondent und lebt in Warschau.

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