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Liquidation einer Fraktion : Auflösung der FDP-Fraktion wirft viele Fragen auf

Die Fraktion der Freien Demokraten im Bundestag steht vor einer letzten großen Abstimmung und ihrer Auflösung. Alles innerhalb weniger Tage.

13.03.2025
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4 Min

Die Fraktion der Freien Demokraten wird mit dem Zusammentritt des neuen Deutschen Bundestages am 25. März dort nicht mehr existieren, doch vorher muss sie noch eine Grundgesetz-Änderung beraten. Im Monat ihrer Abwicklung steht der FDP-Fraktion ein bislang einzigartiger parlamentarischer Spagat bevor und danach wartet ein juristisches Niemandsland. Zwar ist die Auflösung einer Fraktion im Bundestag kein seltenes Ereignis mehr, 2013 erwischte es die FDP schon einmal und 2023 musste die Linksfraktion in die Liquidation gehen, dennoch fehlen hierfür klare Regeln.

Foto: picture alliance/dpa/Michael Kappeler

Abgeordnete kommen zur letzten Fraktionssitzung der FDP im Bundestag. Bei der Bundestagswahl 2025 scheiterte die Partei deutlich an der 5-Prozent-Hürde.

Das Abgeordnetengesetz formuliert, dass am Ende der Wahlperiode "eine Liquidation" stattfindet, wenn sich im neuen Bundestag keine Nachfolgerin als Fraktion konstituieren kann. Das Problem dabei: Viel mehr als dass diese stattzufinden hat, regelt das Gesetz nicht. Beim Bundesrechnungshof stieß das schon vor einigen Jahren auf Kritik: "Die vorhandenen Regelungen im Abgeordnetengesetz reichen nicht aus", formulierte dieser in einem Sonderbericht zu Fraktionsauflösungen 2018.

Menschliche Schicksale bei jeder Fraktionsauflösung

Zu organisieren ist für die Abwicklung einer Fraktion einiges: Laufende Verträge und Arbeitsverträge müssen gekündigt werden, zumindest wenn sie nicht ohnehin zum Ende der Wahlperiode auslaufen. Neben den menschlichen Schicksalen dahinter bringt das eine große Unwägbarkeit mit. Eine einzige rechtliche Streitigkeit, die gerichtlich und vielleicht über mehrere Instanzen geklärt werden muss, kann über Jahre den Abschluss der Liquidation verhindern. Die Liquidation der FDP-Fraktion im Jahr 2013 dauerte bis 2019.

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Doch auch ohne Rechtsstreit sind die Aufgaben bei der Fraktionsauflösung immens und vor allem ungeregelt: Alle aus öffentlichen Mitteln finanzierten Anschaffungen, vom Bürostuhl über Kameras und Co. bis zur IT-Infrastruktur der Fraktion, müssen erfasst und verwertet werden. Es müssen Entscheidungen zur Aufbewahrung von Fraktionsunterlagen getroffen werden. Was kann vernichtet werden, was muss aufbewahrt werden und vor allem: wo? Räume im Bundestag hat eine Fraktion nach Abschluss der Liquidation nicht mehr. "In einem Fall dauerte es insgesamt zwei Jahre, Fragen zur Aufbewahrung und späteren Kontrollmöglichkeit von Unterlagen zu klären und die entsprechenden Maßnahmen umzusetzen. Im anderen Fall wurde dies vier Jahre lang nicht geklärt", kritisierten die Prüfer vom Bundesrechnungshof in ihrem Bericht.

Die Lösungen für solche Fragen waren bislang eher pragmatischer Natur: Eine Fraktion schloss ihre Unterlagen für zehn Jahre in einem privaten Lagerraum ein und zahlte die Miete schlicht im Voraus. 

Jede Menge Fragen und kaum verlässliche Antworten

Weitere Probleme tauchen bei der Abwicklung auf, weil Fraktionen sehr besondere Institutionen sind, die sich mit den allgemeinen rechtlichen Regelungen kaum fassen lassen. Offen ist deshalb auch der Fall, dass eine Fraktion in Wahrheit überschuldet war, es also mehr Verbindlichkeiten als Vermögen gibt. "Das Abgeordnetengesetz regelt nicht, wie die Liquidatoren handeln sollen, wenn ein solcher Mangelfall eintritt. Es lässt beispielsweise offen, ob die Insolvenzordnung auch für Fraktionen gilt oder zumindest dann, wenn sie sich in Liquidation befinden und damit keine parlamentarischen Aufgaben mehr wahrnehmen", liest sich das im Sonderbericht der Rechnungsprüfer.

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Immerhin ist der Fall geregelt, dass es nach der Liquidation ein positives Liquidationssaldo gibt, das also am Ende Geld übrig bleibt. Überschüsse gehen dann zurück an den Bundeshaushalt. Doch welche Rechnungslegungspflicht gilt für eine Fraktion in der Liquidationsphase überhaupt? Das ist wichtig, um später auch nachprüfbar sicherzustellen, dass alles ordnungsgemäß verwertet, also zum höchstmöglichen Preis verkauft wurde. Letztlich sei auch das völlig offen, monierte der Bundesrechnungshof.

Die Fragen bei der Abwicklung einer Fraktion sind so zahlreich, dass die Rechnungsprüfer nicht einmal wussten, wem sie ihren Bericht 2018 eigentlich übersenden sollen: "Da derzeit keine staatliche Stelle für die Aufsicht über die Liquidationsverfahren zuständig ist, unterrichtet der Bundesrechnungshof gemäß Paragraf 99 Bundeshaushaltsordnung Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung unmittelbar."

Statt Auflösungserscheinungen: Arbeit bis zum Schluss

Zum Teil dürfte der Grund für Regelungslücken auch in der Bedeutung von Fraktionen in einem Parlament liegen. "Die Fraktionen sind das Scharnier, das Parlament und Parteien miteinander verbindet", beschrieb es einst der ehemalige Verfassungsrichter Hans Hugo Klein und auch das Bundesverfassungsgericht betonte die Scharnierfunktion bereits. Ein Bild, das sich derzeit wieder beobachten lässt, wenn auf den Fluren des Bundestages zwischen den Fraktionen miteinander über die Änderung des Grundgesetzes verhandelt wird. Auch die Freien Demokraten sind dort gefordert, allen Unwägbarkeiten ab dem 25. März zum Trotz. 

In der Debatte über höhere Verteidigungsausgaben, einem Sondervermögen Infrastruktur und einem Verschuldungsspielraum für die Bundesländer haben die Liberalen ihre Alternative zu den Vorstellungen von CDU/CSU und SPD oder den Grünen in einem eigenen Gesetzentwurf eingebracht. Die Stimmen der FDP-Fraktion könnten am Ende entscheidend sein. Nur Tage vor ihrer Auflösung.

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