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Editorial : Politischer Kleiderhaken

Wer steht zu seiner politischen Verantwortung für die aktuelle Haushaltskrise? Und wer übernimmt sie für die nun anstehenden schwierigen Entscheidungen?

01.12.2023
2024-02-01T19:12:54.3600Z
2 Min

Das Los des Fraktionsvorsitzenden der größten Koalitionsfraktion ist es manchmal, im Schatten des eigenen Bundeskanzlers zu stehen. Bei der Regierungserklärung zur Haushaltskrise musste SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich fast anderthalb Stunden warten, bis er ans Rednerpult treten konnte. Dann aber sprach er mit dem ersten Satz aus, was man in dieser Klarheit von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht zu hören bekam: Es gebe nichts drum herumzureden, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt sei ein deutlicher Rückschlag und eine Ernüchterung.

Finanzierung war großer Fehler

Mützenich forderte, sich vor der Verantwortung für die Haushaltskrise nicht wegzuducken. "Politische Verantwortung gibt man nicht am Kleiderhaken ab, sondern dazu steht man", so Mützenich, wenn auch nur in Richtung des Finanzministers. Das war offen und ehrlich. Klar ist: Wer Entscheidungen treffen muss, wird dabei Fehler machen. Die nun von Karlsruhe verworfene 60-Milliarden-Finanzierung des Klima- und Transformationsfonds war ein großer Fehler. Allerdings zeigt sich selbst die klagende Unionsfraktion überrascht, in welcher Schärfe das Verfassungsgericht diese Haushaltstrickserei für null und nichtig erklärt hat, erläutert Mathias Middelberg (CDU) im Interview.

Den Umgang mit Krisen hat diese Koalition vom ersten Tag an gelernt, mit dem Ukraine-Krieg und der Energiekrise brachen manche von außen über die Ampel herein. Andere waren hausgemacht, wie der Streit um die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke oder das Heizungsgesetz. Und auch das Haushaltsfiasko gehört zu den hausgemachten Miseren und könnte zum bislang schwersten Konflikt der Ampel werden.

Mal Bazooka, mal Doppel-Wumms

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Olaf Scholz hat Krisen oft mit Geld bekämpft, verbunden mit markigen Beschreibungen. Als Finanzminister in der Großen Koalition hat er in der Corona-Pandemie die "Bazooka" für einen "Wumms" herausgeholt. In der Energiekrise sprach er als Kanzler vom "Doppel-Wumms" für bezahlbare Energie. Soll die Lösung nun wieder in viel neuem Geld liegen, müsste sich die Ampel darauf verständigen, auch für 2024 eine Notlage zu erklären und die Schuldenbremse damit im fünften Jahr in Folge auszusetzen. SPD-Fraktionschef Mützenich hat diese Möglichkeit bereits anklingen lassen. Die Frage ist, wer dafür noch alles die Verantwortung übernehmen will.