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Foto: picture-alliance/CTK/Katerina Sulovaa
Cannabis ist als Heilpflanze altbekannt, die berauschende Wirkung erfreute sich auch immer großer Beliebtheit. Konsum und Besitz sollen nun legal werden.

Legalisierung von Cannabis : Besitz und Konsum von Cannabis sollen erlaubt werden

Nach langen Beratungen hat der Bundestag die Legalisierung von Cannabis beschlossen. Unter Experten hielt der Streit über die Reform bis zuletzt an.

23.02.2024
2024-03-14T10:24:17.3600Z
4 Min

Eines der prestigeträchtigsten und zugleich umstrittensten Reformvorhaben der Ampel-Koalition hat am Freitag im Bundestag die letzte parlamentarische Hürde genommen. Das Cannabisgesetz der Bundesregierung sieht eine Legalisierung der Droge vor und hat damit Kritiker und Befürworter in vergleichbarer Intensität auf den Plan gerufen. Noch wenige Tage vor der geplanten Verabschiedung meldeten sich die unterschiedlichen Lager mit Warnungen oder Ermutigungen zu Wort.

Dem Gesetzentwurf zufolge sollen Erwachsene die Droge unter bestimmten Bedingungen für den Eigenbedarf besitzen, straffrei konsumieren und privat produzieren dürfen. In speziellen Anbauvereinigungen soll Cannabis in festgelegten Mengen an Mitglieder weitergegeben werden können. Für Jugendliche unter 18 Jahren bleiben Besitz und Konsum von Cannabis verboten.

Union und AfD lehnen die Freigabe von Cannabis ab

Der Gesundheitsausschuss stimmte dem Entwurf am Mittwoch mit Koalitionsmehrheit sowie Stimmen der Gruppen Die Linke und BSW zu. Für die finale Beschlussfassung im Plenum war eine namentliche Abstimmung vorgesehen. Für den Gesetzentwurf votierten nach einer erneut sehr emotionalen und kontroversen Debatte 407 Abgeordnete, 226 stimmten dagegen, 4 enthielten sich.

Union und AfD hatten im Ausschuss gegen den Gesetzentwurf gestimmt. Sie legten eigene Anträge vor mit dem Ziel, die Legalisierung zu verhindern. Der Entwurf sei unverantwortlich und führe in die falsche Richtung, heißt es in dem Antrag der Union. Auch die Abgeordneten der AfD fordern in ihrem Antrag, die Legalisierungspläne aufzugeben. Die frühere Linksfraktion hatte sich hingegen stets für eine noch liberalere Drogenpolitik eingesetzt.

Zulässige Besitzmenge im privaten Raum verdoppelt

In der turbulenten Ausschusssitzung billigten die Abgeordneten 30 Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen. Mit den Änderungsanträgen der Koalition wurden Regelungen im Entwurf präzisiert und ergänzt. So soll im privaten Raum eine zulässige Besitzmenge beim Eigenanbau von bis zu 50 statt bis zu 25 Gramm getrocknetem Cannabis gelten, im öffentlichen Raum sind es weiter bis zu 25 Gramm.

Regelungen im Cannabisgesetz

🌿 Die zulässige Besitzmenge von Cannabis im öffentlichen Raum liegt bei 25 Gramm. Im privaten Raum sind 50 Gramm Trockengewicht erlaubt. Bei einer Überschreitung drohen Strafen.

👬 Für Jugendliche unter 18 Jahren bleibt der Besitz und Konsum von Cannabis verboten. Im Abstand von 100 Metern zu Schulen oder Kinderspielplätzen gilt ein Konsumverbot.

🚙 Eine Arbeitsgruppe soll bis Ende März 2024 einen Vorschlag machen für den zulässigen THC-Grenzwert im Straßenverkehr.



Wird die jeweils zulässige Obergrenze überschritten, stellt dies entweder eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat dar. Die Strafbarkeitsgrenze soll im privaten Raum bei mehr als 60 Gramm liegen, im öffentlichen Raum bei mehr als 30 Gramm. Zulässig ist dem Entwurf zufolge der private Anbau von bis zu drei Cannabis-Pflanzen.

Konsumverbot zum Schutz von Kindern und Jugendlichen definiert

Außerdem wurde das Cannabis-Konsumverbot in Schutzzonen, also etwa in der Nähe von Schulen und Kinderspielplätzen, von 200 Meter auf 100 Meter reduziert. Im Entwurf ist von "Sichtweite" zu den Einrichtungen die Rede. Die Vorschriften für den zulässigen THC-Grenzwert im Straßenverkehr sollen bis Ende März 2024 von einer Arbeitsgruppe vorgeschlagen werden, die vom Bundesverkehrsministerium eingesetzt wird. Im Anschluss ist dazu ein separates Gesetz geplant. Sorge bereitet Experten dabei der Mischkonsum von Cannabis und Alkohol.

Der Ausschuss verständigte sich außerdem auf Details der Organisation und Kontrolle der Anbauvereinigungen, für die ohnehin sehr detaillierte Vorgaben gelten. Geplant ist eine gestufte Umsetzung der Reform. So soll das Gesetz am 1. April 2024 in Kraft treten. Die Vorschriften für den Eigenanbau in den Anbauvereinigungen sollen am 1. Juli 2024 folgen. Zeitnah ist eine Evaluation der konkreten Auswirkungen des Gesetzes geplant.

Mediziner warnen vor gesundheitlichen Schäden für Jugendliche.

Was für die politischen Befürworter der Legalisierung und die große Zahl an überzeugten "Kiffern" eine überfällige Korrektur der gescheiterten Verbotspolitik darstellt, ist aus Sicht der Kritiker nicht berauschend ausgefallen. Mediziner warnen vor gesundheitlichen Schäden für Jugendliche und Heranwachsende, Juristen und die Polizei bezweifeln, dass die Auflagen jemals effektiv kontrolliert werden können.

Selten hat es vor der geplanten Verabschiedung eines Gesetzentwurfs so energische Gegenwehr von Fachverbänden gegeben. Die Bundesärztekammer (BÄK) warnte, durch die Freigabe werde eine Droge verharmlost, die nachweislich abhängig mache und zu schweren Entwicklungsschäden führen könne.

Die Innenminister der Bundesländer richteten einen Appell an die Bundestagsfraktionen und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und warnten vor den Folgen der "unverantwortlichen" Reform. Als Beispiel benannten sie die Auswirkungen auf den Straßenverkehr, wenn unter Einfluss der Droge gefahren wird.

Suchtexperten hoffen auf neue Drogenpolitik

Der Richterbund befürchtet eine Überlastung der Justiz, weil im Entwurf eine Amnestieregelung für Altfälle enthalten sei. Bei einem rückwirkenden Straferlass von Cannabis-Delikten müssten die Staatsanwaltschaften mehr als 100.000 Strafakten "händisch" auswerten.

Die Gegenseite ließ sich auch nicht lange bitten. Mediziner, Juristen, Kriminalisten und Experten für Sucht und Drogen veröffentlichten in dieser Woche einen offenen Brief an die Abgeordneten mit der dringlichen Bitte, den Gesetzentwurf zu verabschieden, um einen "wichtigen Schritt in Richtung Gesundheitsschutz, Prävention und sozialer Gerechtigkeit zu machen".


„Wir dürfen hoffen, dass zwei Drittel des Schwarzmarktes verschwinden.“
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)

Die Erwartungen der Experten gehen weit auseinander. Pessimisten rechnen mit einem erheblichen Kontrollaufwand. Experten der Polizei glauben nicht, dass sich der Schwarzmarkt verflüchtigt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte hingegen im Deutschlandfunk: "Wir dürfen hoffen, dass zwei Drittel des Schwarzmarktes verschwinden."

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Der Gesetzentwurf hatte schon Ende November 2023 mit einigen Änderungen fertig auf dem Tisch gelegen, war aus Sicht der Befürworter ausformuliert und ausdiskutiert. Die Verabschiedung verzögerte sich dann, auch weil SPD-Abgeordnete Bedenken hatten. Sebastian Fiedler (SPD), von Beruf Kriminalbeamter, sagte, er könne keinem Gesetzentwurf zur "Entkriminalisierung von Dealern" zustimmen. Auch andere SPD-Abgeordnete äußerten sich kritisch zu dem Vorhaben.

Laut Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ist noch eine weitergehende Legalisierung von Cannabis geplant, weshalb bei der aktuellen Reform auch von einer Teil-Legalisierung oder Entkriminalisierung die Rede ist. In einer sogenannten zweiten Säule sollen demnach in regionalen Modellvorhaben kommerzielle Lieferketten erprobt werden. Fachgeschäften soll in einem lizensierten und staatlich kontrollierten Rahmen die Produktion, der Vertrieb und die Abgabe von Cannabis ermöglicht werden.