Pflege wird immer teurer : Lösungen für die Pflegekrise gesucht
Mit der Anzahl der Pflegefälle wächst auch der Betreuungsbedarf. Experten raten dazu, die Prävention zu verbessern.
Die Pflege steht angesichts der wachsenden Zahl von Versorgungsfällen und des Kostenanstiegs weiter unter Druck. Es mangelt an Fachkräften, die Angehörigen tragen nach wie vor die Hauptlast der Betreuung, und mit den zahlreichen Leistungsverbesserungen, höheren Löhnen und Preisanpassungen steigen die Ausgaben kontinuierlich.
In der Pflege laufen die Kosten aus dem Ruder, die Zahl der Pflegefälle steigt, es mangelt an Fachkräften. Daher schlagen Fachleute mehr Prävention vor.
Mit Spannung erwartet wird ein Konzept von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der bis Ende Mai Vorschläge für eine "stabile und dauerhafte" Finanzierung der Pflegeversicherung vorlegen will.
Experten erwarten Milliardendefizit in der Pflege
Die soziale Pflegeversicherung (SPV) wird das Jahr 2024 nach Schätzungen von Krankenkassen mit einem Milliardendefizit abschließen, obwohl die Beiträge 2023 erneut gestiegen sind. Nach einer Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts werden die Pflegebeiträge neuerdings nach der Zahl der Kinder gestaffelt.
Seit dem 1. Juli 2023 liegt der allgemeine Pflegebeitragssatz bei 3,4 Prozent des Bruttoeinkommens, für Kinderlose bei 4,0 Prozent. Für Familien mit mehr als einem Kind werden Abschläge gewährt.
BKK sieht "das Haus der Pflegeversicherung in Flammen"
Der BKK Dachverband schlug Alarm und forderte eine grundlegende Reform der Pflegefinanzierung. Anne-Kathrin Klemm vom BKK-Verbandsvorstand erklärte, in der SPV sei es fünf nach zwölf. Die Hochrechnungen ihres Verbandes zeigten für 2024 ein Defizit von rund einer Milliarde Euro und einen weiteren Anstieg in den Folgejahren. Sie warnte: "Bildlich steht das Haus der Pflegeversicherung in Flammen."
Ihrer Einschätzung nach reicht mehr Geld allein aber nicht aus. "Neben der Stabilisierung der Finanzen brauchen wir vor allem eine Erneuerung der Versorgungsstrukturen, damit Beiträge der Versicherten nicht im Nirwana versickern und wir die kommende Wucht des demografischen Wandels abfedern können", sagte Klemm.
Mehrbedarf für die pflegerische Versorgung erwartet
Pflege müsse effizienter werden. Durch Prävention könne die Pflegebedürftigkeit verhindert oder hinausgezögert werden. Dabei gelte es, die pflegenden Angehörigen stärker zu unterstützen.
Zahlen zur Pflegeversorgung
🏥 In Deutschland gab es 2021 insgesamt 16.115 Pflegeheime.
🩺 Hinzu kamen 15.376 ambulante Pflegedienste.
👵 Von den rund 4,96 Millionen Pflegefällen 2021 wurden rund 4,17 Millionen zu Hause betreut, entweder allein von den Angehörigen oder in Kooperation mit Pflegediensten.
Quelle: Destatis
Den Präventionsansatz in der Pflege verfolgt auch die Unionsfraktion mit einem Antrag, der am Mittwoch erstmals auf der Tagesordnung stand. Auch wenn die Annahme nicht zutreffe, dass das Älterwerden per se Ursache für Pflegebedürftigkeit sei, führe die weitere Alterung der Gesellschaft unweigerlich dazu, dass der Mehrbedarf für die pflegerische Versorgung enorm steigen werde, heißt es in dem Antrag der Fraktion.
Chronische Erkrankungen wie Diabetes erhöhen das Pflegerisiko
Laut den Ergebnissen der Pflegevorausberechnung des Statistischen Bundesamtes werde die Zahl der pflegebedürftigen Menschen von rund fünf Millionen Ende 2021 auf etwa 6,8 Millionen im Jahr 2055 ansteigen. Diabetes, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Demenz führten zu einem erhöhten Pflegerisiko.
Der Forderungskatalog der Fraktion umfasst 16 Punkte, darunter ein Präventionskonzept für die Pflegebedürftigkeit, das alle Lebensbereiche und Regionen sowie die Gesundheitsförderung von der Geburt über Schule, Studium und Berufsleben umfasst.
Gesundheitskosten können durch Prävention verringert werden
In der Aussprache sagte Diana Stöcker (CDU), es müsse alles daran gesetzt werden, die Gesundheit so lange wie möglich zu erhalten, um Pflege hinauszuzögern. Intensive Präventionsarbeit werde nicht nur das Pflegerisiko, sondern auch die Kosten für die Behandlung von Krankheiten verringern. Mindestens 30 Prozent der Gesundheitskosten könnten durch eine langfristig angelegte Präventionsarbeit eingespart werden. Gesundheit zu verbessern und Krankheitslast zu mindern, stelle aber auch einen eigenen Wert dar.
Heike Baehrens (SPD) stimmte der Analyse zu und sprach von "großen Herausforderungen" in der Pflege. Allerdings werde vieles aus dem Unionsantrag schon umgesetzt.
AfD sieht keine finanzielle Grundlage für Vorschläge
So stehe im Präventionsgesetz von 2015 der Auftrag für die Gesundheitsförderung in Pflegeeinrichtungen. Kassen böten Präventionskurse an, um pflegende Angehörige zu entlasten. Baehrens forderte Kommunen und Landkreise auf, sich an der Gesundheitsförderung zu beteiligen, etwa über die Schaffung von barrierefreiem Wohnraum und Hausbesuche.
Kay-Uwe Ziegler (AfD) hielt der Union vor, einen sinnlosen, realitätsfernen Schaufensterantrag vorgelegt zu haben. Für die Forderungen sei weder Geld noch Personal verfügbar. Die Union verfahre nach dem Motto: "Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht." Nötig seien pragmatische und realitätsnahe Lösungen, denn Senioren mit knapper Rente könnten sich zusätzliche Angebote ohnehin nicht leisten.
Ein hohes Lebensalter ist auch ein Menschheitstraum
Kordula Schulz-Asche (Grüne) sprach mit Blick auf den demografischen Wandel von einer der größten Herausforderungen in diesem Jahrhundert. Aber weder Pflegebedürftigkeit noch Krankheit seien unausweichliche Schicksale.
Den älter werdenden Menschen müsse gesellschaftliche Teilhabe, gesunde Ernährung und Bewegung ermöglicht werden. Sie forderte zudem, das Thema Einsamkeit zu berücksichtigen, die ein wesentlicher Grund für Pflegebedürftigkeit sei.
Jens Teutrine (FDP) warb dafür, das Alter nicht nur als Problem zu sehen. „Es ist ein Menschheitstraum, dass die Lebenserwartung von Jahr zu Jahr steigt.“ Das Problem entstehe, wenn die Gesellschaft darauf nicht vorbereitet sei. Er plädiere für ein anderes Bild vom Älterwerden. So könnten Anreize gesetzt werden, länger im Arbeitsmarkt zu bleiben, wenn Menschen das könnten und wollten.