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Gesundheitshaushalt schrumpft weiter : Opposition rügt Kürzungen im Haushalt 2024

Die Schrumpfkur beim Gesundheitsetat geht mit dem Haushalt 2024 weiter.

11.09.2023
2024-03-14T14:12:27.3600Z
4 Min
Foto: picture-alliance/Bildagentur-online/Schoening

Gesundheitsminister Lauterbach hat die schwierige Lage im Gesundheitssystem offen angesprochen und Strukturreformen angekündigt.

Die Schrumpfkur beim Gesundheitsetat geht weiter. Schon im laufenden Jahr musste der Haushalt von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Federn lassen, im kommenden Jahr sind es gemäß Haushaltsvorlage (20/7800) rund 8,3 Milliarden Euro weniger. Viele Experten sehen die Entwicklung kritisch, der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) rechnet für 2024 mit einem Defizit zwischen 3,5 und 7 Milliarden Euro. Bei der Opposition weckt der reduzierte Etat Sorgen vor einer verschlechterten Versorgung. Redner von Union, AfD und Linksfraktion warfen der Bundesregierung am Donnerstag in der ersten Beratung des Entwurfs verschleppte Reformen und falsche Weichenstellungen vor. In vielen Redebeiträgen ging es um die geplante große Krankenhausreform, die mehr Qualität und Effizienz bringen soll, aber in den Details umstritten ist.

Minister attestiert Reformstau

Für 2024 werden Ausgaben in Höhe von rund 16,2 Milliarden Euro angesetzt. 2022, bedingt durch die hohen Zusatzausgaben in der Coronakrise, hatte der Haushalt mit rund 65,4 Milliarden Euro einen Rekordstand erreicht, seither wird der Etat wieder schrittweise reduziert. Vor der Corona-Pandemie lag der Ansatz bei rund 15,31 Milliarden Euro.

Minister Lauterbach räumte ein, dass sein Etat am stärksten schrumpfe und damit zur Konsolidierung des Bundeshaushalts beitrage. Dies sei insofern gerechtfertigt, als die hohen Pandemiekosten nicht mehr anfielen. Im Vergleich zu der Zeit vor der Corona-Pandemie wachse der Haushalt an. Lauterbach sprach von einem sich stabilisierenden Etat, machte zugleich aber deutlich, dass im Gesundheitssystem große Reformen unerlässlich sind.

Er betonte: "Leider ist das Gesundheitssystem chronisch krank." Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern seien die Gesundheitsausgaben in Deutschland besonders hoch. Hingegen sei die "Ergebnisqualität" schlecht, fügte der SPD-Politiker hinzu. Lauterbach sprach von einem Reformstau seit mehr als zehn Jahren. Allenfalls habe es in der Vergangenheit "Bagatellreformen" gegeben. Als Beispiele nannte er die Krankenhäuser, die Notfallversorgung, die Digitalisierung, die Arzneimittelversorgung und die Medizinforschung. Er versprach, die nötigen Reformen zügig anzugehen. Mit Blick auf die Sorgen der Länder bei der Krankenhausreform versicherte er: "Wir geben den kleinen Krankenhäusern eine Existenzperspektive."

Paula Piechotta (Grüne) gestand ein, dass dies "kein schöner Haushalt" sei. Allerdings seien in den zurückliegenden Corona-Jahren "brutal große" Haushalte beraten worden. Nun sei der Etat fast zurück auf dem vorpandemischen Niveau. Sie erinnerte an die Pandemiebereitschaftsverträge, die im Haushalt mit rund einer halben Milliarde Euro ausgewiesen sind. Insoweit leiste der Haushalt erhebliche zusätzliche Aufgaben bei einem deutlich geringeren Volumen.

Wolfgang Wiehle (AfD) ging auf die im Haushalt eingestellten Mittel für das internationale Gesundheitswesen in Höhe von rund 122 Millionen Euro ein. Er äußerte sich sehr kritisch zur Weltgesundheitsorganisation (WHO), die einen erheblichen Einfluss auf Einzelstaaten habe und intransparent agiere. Es dürfe der WHO nicht gelingen, sich umfassende Rechte anzueignen. Die WHO könne in einem Pandemiefall in Staaten hineinregieren und entwickle sich zu einem "übergriffigen Monstrum".

Hohe Ausgaben

Karsten Klein (FDP) wies die AfD-Kritik an der WHO zurück und hob die Bedeutung der internationalen Gesundheitskooperation hervor. Deutschland sei international stark engagiert und wolle mit anderen Staaten Krankheiten bekämpfen, denn: "Krankheiten machen an Grenzen keinen Halt." Die Mutmaßungen der AfD über mögliche Grundrechtseinschränkungen durch die WHO seien "Märchen".

Klein erinnerte an die Herausforderungen, die in den sozialen Sicherungssystemen angegangen werden müssten. So stiegen die Ausgaben in der Kranken- und Pflegeversicherung jedes Jahr deutlich. Als Gründe nannte er neben dem demografischen Wandel den technologischen Fortschritt. Es müsse über die Kostenstrukturen im System ebenso gesprochen werden wie über den Leistungsumfang. Zudem gehe es um Zuständigkeiten im Gesundheitssystem, fügte er mit Blick auf die Krankenhäuser hinzu. So hätten sich die Länder in Jahrzehnten nicht um eine Strukturreform gekümmert und seien auch mit der Investitionsförderung erheblich im Rückstand.

Der bayerische Staatsminister für Gesundheit und Pflege, Klaus Holetschek (CSU), der sich in der Debatte ebenfalls zu Wort meldete, kritisierte die Kürzungen im Etat und betonte: "Wir stehen vor den größten Herausforderungen in unserem Gesundheitssystem." Er hielt der Bundesregierung mit Blick auf die Probleme "Schönfärberei" vor. Bayern sei nicht gegen eine Krankenhausreform, jedoch müsse die Versorgung auf dem Land ebenso gut sein wie in den Metropolen. Sein Land werde nicht zulassen, dass ländliche Regionen "ausgeblutet" würden. Als weitere Herausforderung benannte Holetschek die Pflegeversorgung und forderte einen "Pakt für Pflege". Die Pflege werde zur "Schicksalsfrage der Generationen". Er warnte die Bundesregierung: "Sie fahren die sozialen Sicherungssysteme mit Vollgas an die Wand." Die GKV sei unterfinanziert. Auch dürfe Versorgung keine Frage der Rendite sein, sagte der Landesminister und forderte gesetzliche Regelungen gegen die Übernahme von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) durch Finanzinvestoren.

Themen wie Long-Covid und Hitzeplan vermisst

Sepp Müller (CDU) forderte eine "Gesundheitswende" und hielt Lauterbach vor, wichtige Themen nicht angesprochen zu haben. Als Beispiele nannte er die Versorgung von Menschen mit Long-Covid und ME/CFS sowie den vor einiger Zeit angekündigten Hitzeplan. "Sie sind der Minister, der nur ankündigt und nicht liefert." Müller kritisierte auch die von der Ampel-Koalition geplante Legalisierung von Cannabis und erinnerte daran, dass Fachleute vor den Folgen insbesondere für junge Menschen gewarnt hätten.

Gesine Lötzsch (Linke) sieht die Krankenhausreform skeptisch und mutmaßte, die Bundesregierung wolle reihenweise kommunale Krankenhäuser schließen. "Sie nennen es Reform, ich nenne es gezielte Zerstörung unseres öffentlichen Gesundheitssystems." Um eine nachhaltige Finanzierung von Gesundheit und Pflege zu erreichen, forderte Lötzsch die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung und eine Vollversicherung in der Pflege. Sie beklagte: "Unser Gesundheitssystem befindet sich in einem dauerhaften Notbetrieb."

Svenja Stadler (SPD) wies Kritik an der Koalition zurück und sprach von einem soliden Haushaltsentwurf. Lauterbach mache sich auf den Weg, das Gesundheitssystem zu reformieren, sagte sie und fügte hinzu: "Strukturwandel ist auch in diesen Zeiten möglich, wenn wir uns auf das Wesentliche besinnen."