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Arbeitsmarkt und Sozialpolitik : Bas kündigt zwei Kommissionen zu Rente und Sozialstaat an

Die Koalitionsfraktionen bemühen sich in der Debatte über die Arbeits- und Sozialpolitik, ihren Dissens zur Zukunft von Rente und Mindestlohn nicht zu vertiefen.

16.05.2025
True 2025-05-16T10:47:11.7200Z
5 Min

In der ersten Debatte über die künftige Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik in der 21. Wahlperiode haben Bundesregierung, Regierungs- und Oppositionsfraktionen ihre Ziele und Erwartungen weitgehend ohne Überraschungseffekte abgesteckt. Ob Rente, Mindestlohn, Fachkräftemangel oder Inklusion, kaum ein sozialpolitisches Thema fehlte in der Aussprache am Donnerstag. Es ging dabei nicht um detailreiche Lösungsansätze, sondern eher um den roten Faden für die kommenden vier Jahre.

Foto: picture alliance/dpa

Die schwarz-rote Bundesregierung plant einen Umbau des Bürgergeldes hin zu einer Grundsicherung mit strengeren Auflagen.

Dass es der Bundesregierung auch um das Drehen großer Stellschrauben geht, machte die neue Bundesministerin für Arbeit und Soziales und ehemalige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) unter anderem klar, als sie ankündigte, zwei Kommissionen, eine zur Zukunft der Rentenfinanzierung und eine zweite zur Reform des Sozialstaats, einsetzen zu wollen.

Bas fordert eine Erweiterung des Versichertenkreises

Zum Thema Rente hatte die Ministerin bereits am vergangenen Wochenende eine Debatte auch innerhalb der Koalition entfacht, als sie in einem Interview vorschlug, den Versichertenkreis in der Rentenversicherung zu erweitern. Auch Beamte sollten nach den Vorstellungen von Bas in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, um den Effekt auszugleichen, dass immer weniger Beitragszahler immer mehr Renten finanzieren müssen. Eine demografischer Entwicklung, die sich in den nächsten Jahren noch stärker auf die Finanzlage der Rentenkasse auswirken wird als bisher schon. 

Seit vielen Jahren trommeln SPD und auch Grüne für eine Art Bürgerversicherung, auch für die Krankenkasse. Bisher jedoch finden sich dafür keine politischen Mehrheiten. Das zeigte auch die Debatte vom Anfang der Woche, denn der Koalitionspartner CDU/CSU kritisierte die Idee umgehend, weil es das eigentliche Problem nicht löse, denn mehr Versicherte würden auch mehr Kosten bedeuten.

Die AfD kritisiert einmal mehr die Einwanderungspolitik

In der Debatte im Bundestag war von diesem koalitionsinternen Dissens nicht viel zu spüren. Die Koalitionsfraktionen bemühten sich um Einigkeit, wozu auch gehörte, die Diskussion über eine Erhöhung des Mindestlohns nicht zu vertiefen. Hier legte vor allem Die Linke den Finger in die Wunde.

Was die Pläne vorsehen

👴 Rente: Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD auf die Sicherung des aktuellen Rentenniveaus von 48 Prozent bis 2031 geeinigt. Wie es danach weitergeht, auch mit der Finanzierung der Rentenkasse, soll eine Kommission klären.

💰 Mindestlohn: Über die Höhe des Mindestlohns entscheiden nicht Politiker, sondern eine aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern bestehende Mindestlohnkommission. Derzeit liegt der Mindestlohn bei 12,82 Euro/Stunde. Die SPD hätte gern 15 Euro ab 2026. Ob das so kommt, ist aber unklar.

⚙️ Bürgergeld: Die Union kritisiert das Bürgergeld seit dessen Einführung 2023 und fordert unter anderem schärfere Sanktionen. Union und SPD wollen es nun durch eine neue Grundsicherung ersetzen.



Bärbel Bas betonte stattdessen, die Lage auf dem Arbeitsmarkt werde schwieriger werden: "Wir werden um viele Arbeitsplätze kämpfen müssen. Dafür brauchen wir eine starke Sozialpartnerschaft." Sie stünde dabei klar auf der Seite der Beschäftigten, so die Ministerin weiter. Eine Reform des Sozialstaats sei nötig, denn in seiner aktuellen Verfassung sei dieser zu kompliziert, bürokratisch und vielfach intransparent. Um mehr Gerechtigkeit herzustellen, müsse aber auch der Missbrauch von Sozialleistungen konsequenter bekämpft werden, forderte sie.

René Springer (AfD) knüpfte an seine während der vergangenen Legislaturperiode vielfach geäußerte Kritik an der Einwanderungspolitik an. Es müsse endlich einen "Stopp der Einwanderung in die Sozialsysteme" geben, dies würde vermutlich aber erst passieren, wenn die AfD regiere. Er forderte außerdem strenge Sanktionen in der Grundsicherung, die Förderung der beruflichen Qualifikation von rund 1,5 Millionen Jugendlichen ohne Berufsabschluss und niedrigere Steuern für kleine und mittlere Einkommen.

Grüne: Schwarz-Rot vernachlässigt das Thema Inklusion 

Carsten Linnemann (CDU) sagte, die Sozialpartnerschaft sei ein wichtiger Schlüssel des wirtschaftlichen Erfolgs der Bundesrepublik nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gewesen. Heute zeigten sich jedoch vielfach Risse im wirtschaftspolitischen Fundament: "Es braucht also einen Politikwechsel in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik." Der Sozialstaat müsse sich auf jene konzentrieren, die ihn wirklich bräuchten. "Wer aber arbeiten kann, muss arbeiten gehen. Leistung muss sich auch für Ältere lohnen", weshalb die Koalition die Aktivrente einführen wolle. 

Linnemann zeigte sich überzeugt, dass der Koalitionsvertrag “alles mitbringt, was es jetzt braucht. Wir müssen jetzt einfach machen.”


„Es geht um nichts anderes, als uns den 8-Stunden-Tag zu nehmen.“
Anne Zerr (Die Linke)

Die ehemalige Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) warf Union und SPD vor, das Thema Inklusion zu vernachlässigen. Was dazu im Koalitionsvertrag unter dem Stichwort "Pauschalierung" von Leistungen formuliert sei, bedeute nichts anderes als Leistungskürzungen für Menschen mit Behinderungen.

SPD betont, die Wirtschaft sei für die Menschen da

Anne Zerr (Die Linke) wurde noch etwas deutlicher in ihrer Kritik an den bisherigen Plänen von Schwarz-Rot: "Bei Arbeitnehmern müssen nun alle Alarmglocken schrillen", sagte sie in Bezug auf die Ankündigung im Koalitionsvertrag, die tägliche Höchstarbeitszeit durch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit zu ersetzen. "Es geht um nichts anderes, als uns den Acht-Stunden-Tag zu nehmen. Aber wir werden uns den nicht nehmen lassen", betonte sie.

Annika Klose (SPD) wies den Linken-Hinweis zurück, wonach sich die SPD entscheiden müsse, auf welcher Seite sie stehe: "Unsere Entscheidung ist klar. Wir stehen an der Seite der Arbeitnehmer in diesem Land." Die Wirtschaft sei für die Menschen da und nicht umgekehrt. Dies bedeute demokratische Mitbestimmung in den Betrieben und ein Lohn, von dem man leben könne, sagte Klose. Die SPD werde deshalb für einen höheren Mindestlohn kämpfen und sich außerdem für eine höhere Erwerbsbeteiligung von Einwanderern und von Frauen einsetzen. "Die Instrumente dafür haben wir", sagte Klose.

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