Russland und die Revolution von 1917 : Das Ende der Romanow-Dynastie
In "Die letzte Fahrt des Zaren" zeichnet der Historiker Jörg Baberowski die Revolution von 1917 in Russland nach - und zieht mögliche Parallelen zur Gegenwart.
Die Februar-Revolution beendete 1917 die 300-jährige Herrschaft der Romanow-Dynastie. Sie schien aus dem Nichts zu kommen und erwischte sogar Wladimir Lenin, den Anführer der anti-monarchistischen Bolschewiken, in seinem Zürcher Exil auf dem falschen Fuß. Von der Dynamik der Ereignisse wurde auch in Sankt Petersburg sowohl der Hof und die Regierung als auch die konservativ-liberale und die sozialistische Opposition überrumpelt.

Mit der erzwungenen Abdankung des letzten russischen Zaren Nikolaus II endete die 300-jährige Herrschaft der Romanows.
Niemand hatte erwartet, dass die Panik in der Bevölkerung wegen der drohenden Hungersnot in einem chaotischen Massenaufstand enden würde und die Soldaten nicht auf das Volk schießen würden. Das Geschehen zeichnet der Historiker Jörg Baberowski in "Die letzte Fahrt des Zaren" quasi im Stundentakt nach.
Auswertung zeitgenössischer Tagebücher und Dokumente
Über die Februar-Revolution, die erzwungene Abdankung des letzten russischen Zaren Nikolaus, die Festnahme und Exekution seiner Familie sowie die Tätigkeit der Provisorischen Regierung bis zu ihrem Sturz im Oktober 1917 wurden bereits zahlreiche Studien veröffentlicht. Zu nennen sind vor allem die exzellenten Arbeiten von Manfred Hildermeier, dessen Schüler Baberowski einst war. Anhand der Auswertung zeitgenössischer Tagebücher und Dokumente gelingt es Baberowski, dem Leser das Gefühl zu vermitteln, selbst als Beobachter an der Revolution teilzunehmen.

Jörg Baberowski:
Die letzte Fahrt des Zaren.
Als das alte Russland unterging.
C.H.Beck,
München 2025;
380 Seiten, 28,00 €
Dabei lässt es der Autor jedoch nicht bewenden. Im Vorwort schreibt er: "Heute halten die Machthaber ihre Untertanen noch in Schach, morgen fürchten sie schon selbst um Leib und Leben." Meint der Historiker damit den Kreml-Herrscher Wladimir Putin? Wie der Publizist Gerd Koenen in seiner Rezension in "Die Zeit" betont, begegne Baberowski Putin "seit dessen Kriegseröffnung gegen die Ukraine 2014 mit betont analytischer Neutralität".
Diese "analytische Neutralität" zeigt sich auch in seinem Interview in der "Neuen Zürcher Zeitung" in diesem März. Baberowski mutmaßt, der Krieg hätte "vermieden werden können, wenn man Putin signalisiert hätte, die Ukraine werde nicht Mitglied der Nato und der EU", wenn also "alle Möglichkeiten der Verständigung ausgeschöpft worden wären. Womöglich hätte er sich damit zufriedengegeben." Zugleich erinnert er daran, dass die Deutschen sich mit dem Verlust der Ostgebiete erst abgefunden hätten, "als sie die Geschichte ruhen ließen".
Der Historiker ergänzt: "Es wird zwischen Russland und der Ukraine nur Frieden geben können, wenn man die Geschichte ruhen lässt und sich historische Vorrechte auf Territorien und Privilegien nicht länger vorrechnet." Ist das also Baberowskis Lehre aus der Geschichte? Aggression lohnt sich wieder?
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