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Öffentlich-rechtlicher Rundfunk : Eine "geniale Idee" unter Druck

Der Historiker Karsten Rudolph erzählt in "Sendestörung" die wechselhafte Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seiner aktuellen Probleme.

18.12.2025
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3 Min

Seine Glanzzeit erlebte der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) in den 1970er Jahren. Nach der Einführung des Farbfernsehers stand in nahezu jedem (west-)deutschen Haushalt ein Empfangsgerät. Gegen Abend versammelten sich die Familien zu Krimis, Sport, Unterhaltungsshows oder auch Politmagazinen am elektronischen Lagerfeuer. Spektakuläre Sendungen wurden am nächsten Morgen zum Gesprächsthema am Arbeitsplatz. Alle hatten das Gleiche gesehen, die Auswahl war begrenzt: Erstes und Zweites Programm, dazu Regionales im Dritten.

Foto: picture alliance / Willi Gutberlet

Mit einem symbolischen Knopfdruck startete der damalige deutsche Vizekanzler Willy Brandt 1967 auf der 25. Deutschen Funkausstellung das Farbfernsehen.

Der Bochumer Historiker Karsten Rudolph, zeitweise SPD-Landtagsabgeordneter und Mitglied im WDR-Rundfunkrat, liefert in seinem Buch "Sendestörung" ein Medienpanorama der letzten 80 Jahre. Besonders lesenswert sind die Anfangskapitel über die Phase nach dem Zweiten Weltkrieg. 

Die öffentlich-rechtliche Verfassung von Radio und Fernsehen in Deutschland geht auf die Besatzungsmächte zurück. Als Vorbild galt die 1922 gegründete British Broadcasting Corporation (BBC). Nach deren Grundsätzen für Struktur und Programmauftrag entstanden nach 1945 die Funkhäuser in den Westzonen. Den Anfang machte der Hamburger NWDR, bald spaltete sich der Kölner WDR für das heutige Nordrhein-Westfalen ab. Weitere Landessender folgten, bis heute bilden sie den föderalen Verbund der ARD.

Adenauer versuchte das ZDF als Staatsfernsehen zu etablieren

Das wichtigste Prinzip, das sie von der "großen Schwester" BBC übernahmen, war die Idee, sich nicht aus Steuern zu finanzieren. Nutzungsgebühren sollten Unabhängigkeit sichern und Willkür verhindern. 

Wie wichtig diese Maxime war, zeigte sich in den folgenden Jahrzehnten: Die angeblichen "Rotfunker" bei NDR und WDR gerieten immer wieder ins Visier der Politik. Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) scheiterte Anfang der 1960er Jahre mit dem Ziel, das ZDF als Staatsfernsehen zu etablieren. Eher gelang das mit dem fast zeitgleich gestarteten Deutschlandfunk, der die Menschen in der DDR erreichen sollte.


Karsten Rudolph:
Sendestörung.
Aufstieg und Krise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
C.H. Beck,
München 2025;
240 S., 20,00 €


Nach dem Ende der sozialliberalen Koalition 1982 geriet die Institution ÖRR unter den verstärkten Druck konservativer Kräfte. Die CDU-geführte Regierung unter Helmut Kohl forcierte die Etablierung von Privatsendern. Wegen der neuen Konkurrenz brachen die Werbeeinnahmen beim ÖRR ein. Immer wichtiger wurde daher die Rundfunkgebühr, seither ein ständiger Zankapfel. Vor allem im Osten wird sie als Zwangsabgabe betrachtet und der Protest dagegen von der AfD instrumentalisiert.

Mit ihrer Anpassung an die Privaten büßte der ÖRR viel von seinem Profil ein

Mit ihrer Anpassung an die seichten Programme der Privaten hat der ÖRR in Fernsehen wie Hörfunk viel von seinem einstigen Profil eingebüßt. Endgültig erodiert ist seine Dominanz durch das Internet. Junge Leute sehen kaum noch linear fern, auch die Radionutzung ist in dieser Altersgruppe deutlich zurückgegangen. Wegen der ungewissen Finanzierung stehen Budgetkürzungen und Stellenabbau an. 

Den deutschen Nachahmern droht Ähnliches wie ihrem britischen Pendant: Schon Premierminister Boris Johnson wollte die BBC komplett abwickeln, die Höhe der "Licence fee" wurde eingefroren. Einige Programme fusionierten, andere senden nur noch online. Ähnliche Strukturreformen werden auch hierzulande diskutiert: Die Vorschläge reichen von der Reduzierung der Sender über das Einstellen sämtlicher Spartenkanäle bis zur Abschaffung von Arte und 3sat.

Karsten Rudolph gibt sich als Anhänger der "genialen Idee" eines gemeinnützigen Rundfunks zu erkennen. Vor allem seine historischen Details sind interessant, später überwiegt ein manchmal trockener Faktenstil - der aber auch der komplizierten juristischen Konstruktion des ÖRR geschuldet ist.

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