Neues Buch der Organisation Memorial : Im Auftrag der Menschrechte
Gegründet wurde die NGO 1989, um Menschrechtsverbrechen in der Sowjetunion aufzuklären. Heute geht Memorial gegen die autoritäre Politik Wladimir Putins vor.
Zu Michail Gorbatschows Reformpolitik der Perestrojka gehörte von Anfang an das Instrument "Glasnost" mit Meinungsfreiheit und Transparenz, um den Sozialismus so zu modernisieren. Zugleich ging es ihm darum, die Fehler und Mängel des Sozialismus allein auf das stalinistische Repressionsregime zu schieben. Im Januar 1989 wurde neben verschiedenen politischen Klubs die Nichtregierungsorganisation Memorial gegründet. Zusammen symbolisierten sie die Entstehung einer spätsowjetischen Öffentlichkeit.
Die NGO Memorial wurde als "ausländische Agentin" diffamiert
Memorial begann mit kleinen, aber medienwirksamen Projekten: Immer ging es um den sowjetischen Totalitarismus, insbesondere die Repressionen Stalins sowie die Straf- und Arbeitslager, kurz Gulag. Dank ihrer Aufklärungsarbeit entwickelte sich Memorial zur bekanntesten Protagonistin einer demokratischen russischen Gesellschaft. Als Menschenrechtsorganisation setzte sie sich für politisch Verfolgte ein und kritisierte von Anfang an den autoritären Kurs Wladimir Putins. Dafür wurde die NGO von der russischen Justiz schikaniert und als "ausländische Agentin" diffamiert. Im Jahr 2021 folgte ihre endgültige Auflösung.
Gleichzeitig erhielt Memorial die verdiente internationale Anerkennung: 2022 wurde die NGO zusammen mit dem ukrainischen Zentrum für bürgerliche Freiheiten und dem inhaftierten belarussischen Menschenrechtler, Ales Bjaljazki, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Irina Scherbakowa, Filipp Dzyadko, Elena Zhemkova (Hg.):
Memorial.
Erinnern ist Widerstand.
C.H. Beck,
München 2025;
192 S., 25,00 €
Aktivisten von Memorial, die sich ins Ausland retten konnten, setzten ihre Arbeit im Exil fort: Die Historikerin Irina Scherbakowa gründete mit Mitstreitern in Berlin den Ableger "Zukunft Memorial". In einem empfehlenswerten Sammelband schildern sie ihre Ziele. In kurzen Beiträgen und Interviews äußern sich renommierte Persönlichkeiten, darunter der frühere polnische Dissident und Solidarnosc-Vordenker Adam Michnik, die Nobelpreisträgerinnen Swetlana Alexijewitsch und Herta Müller sowie die Historiker Anne Applebaum und Gerd Koenen.
Dokumentation von Verbrechen im "völkermörderischen Krieg gegen die Ukraine"
Der ukrainischen Mitbegründer der Helsinki-Gruppe, Myroslaw Marynowytsch, sieht die Aufgabe Memorials neben der Erinnerung an die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft in der Aufklärung neuer Verbrechen im "völkermörderischen Krieg gegen die Ukraine". Memorial sei "aufgerufen - nein, moralisch verpflichtet! - sich an der Dokumentation der von der russischen Führung und dem Moskauer Patriarchat begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu beteiligen". Memorial solle der russischen Gesellschaft "das Ausmaß ihres moralischen Verfalls vor Augen führen". Diese Aufgabe sei mit Blick auf die Rettung des russischen Volkes unerlässlich.
Mehr Rezensionen zu Russland

Der Politologe Carlo Masala hat mit seinem Buch "Wenn Russland gewinnt" ein düsteres Szenario über die Zukunft Europas entworfen - es ist erschreckend realistisch.

Die Journalisten Lou Osborn und Dimitri Zufferey haben eine spannende Geschichte der Wagner-Gruppe vorgelegt. Deren Bedeutung überschätzen sie jedoch.

Der britische Journalist John Sweeney setzt in "Mord im Gulag" der russischen demokratischen Opposition in Gestalt von Alexej Nawalny ein würdiges Denkmal.