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Kurz rezensiert : Sergej Gerassimows Buch "Feuerpanorama"

Schriftsteller Sergej Gerassimow beginnt mit dem russischen Angriff auf die Ukraine sein eindringliches Kriegstagebuch und beendet es einen Monat später.

19.12.2022
True 2024-01-16T11:56:54.3600Z
3 Min

„Dies ist ein sehr schnell geschriebenes Buch“, räumt Sergej Gerassimow ein. Nur einen Monat nach dem russischen Angriff auf die Ukraine beendete er sein Kriegstagebuch – als es Bomben auf Charkiw regnete.Wer seine Aufzeichnungen gelesen hat, versteht, warum die Behauptung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Ukrainer und Russen seien ein Volk, falsch ist. Der Autor gehört selbst zur russischsprachigen Minderheit in der Ukraine und teilt seinen Familiennamen mit dem Generalstabschef der russischen Armee. Der Schriftsteller erblickte in einem Dorf nahe des russischen Kursk das Licht der Welt. Dennoch ist er Ukrainer und erzählt von den „Russen“, die sein Land überfallen haben.


„Er ist entweder zu klug oder zu ehrlich, um mit dem Nationalismus zu flirten.“
Sergej Gerassimow über Präsident Wolodymyr Selenskyj

Am 24. Februar überquerten russische Truppen die ukrainische Grenze und näherten sich Charkiw. Sie hatten wohl gehofft, dass „die Ukrainer aus ihren Häusern kommen, um ihre Ankunft zu begrüßen. Damit lagen sie völlig falsch.“

Lesenswert sind die Gedanken Gerassimows über den ukrainischen Nationalismus: Für ihr „Kokettieren“ damit kritisiert er die Präsidenten von Wiktor Juschtschenko bis Petro Poroschenko. „Glücklicherweise ist das nicht die Art unseres derzeitigen Präsidenten, der ein russischsprachiger Jude ist. Er ist entweder zu klug oder zu ehrlich, um mit dem Nationalismus zu flirten.“ Vom ersten Tag des Krieges vernahm der Schriftsteller „keine nationalistischen Slogans“ mehr. Im Gegenteil: „Es stört niemanden, wenn ich Russisch spreche.“ Gerassimow ehrt die Militäreinheit Asow, „die tatsächlich als nazistische Vereinigung bekannt ist“, jetzt aber „die russischsprachigen Menschen in Mariupol“ verteidige und bereit sei, „ihr Leben für sie zu lassen“.

Die detaillierte Beobachtungen über den Alltag in Charkiw während der ersten Kriegsmonate machen das Tagebuch als Augenzeugenbericht so wertvoll. Es ist schon jetzt ein Dokument der Zeitgeschichte.

Sergej Gerassimow:
Feuerpanorama.
Ein ukrainisches Kriegstagebuch.
dtv,
München 2022;
249 S., 22 €