Ukraine-Krieg : Stille Hilfsbereitschaft und Kameradschaft
Der ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan zeigt in seinem Buch "Keiner wird um etwas bitten" eine vom Krieg erschöpfte Gesellschaft.
Der Schriftsteller Serhij Zhadan gehört neben seinem Kollegen Jurii Andruchowytsch zu den international bekanntesten ukrainischen Künstlern. Für sein Werk erhielt Zhadan, der sich auch als Musiker einen Namen machte, im Jahr 2022 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Als im gleichen Jahr der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine begann, half Zhadan Kinder aus Charkiw zu evakuieren, Lebensmittel zu verteilen und die Armee zu unterstützen. Vor einem Jahr schloss er sich zusammen mit Freunden und Mitgliedern seiner Band "Zhadan i Sobaki" freiwillig der Armee an. "Wir sind alle Männer im wehrfähigen Alter, ob wir eingezogen werden oder nicht, war für uns keine Frage. Es ging darum, das Beste für unser Land zu tun", sagte er im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Buch enthält auch Zeichnungen von Zhadan
Für besonders fatal hält der Schriftsteller die Versuche "der Welt", den Ukrainern einzureden, Gerechtigkeit sei "relativ und verhandelbar". Die Ukrainer wollten nicht, dass ihre westlichen Partner hinter ihrem Rücken über ihr Schicksal entscheiden. Schließlich verteidigten sie ihr Existenzrecht - und dafür hätten sie in den letzten drei Jahren "einen sehr hohen Preis bezahlen müssen".

Serhij Zhadan:
Keiner wird um etwas bitten.
Neue Geschichten.
Suhrkamp,
Berlin 2025;
171 Seiten, 24,00 €
Solche patriotischen Einlassungen fehlen in seinem empfehlenswerten Band "Keiner wird um etwas bitten" mit Erzählungen und Kurzgeschichten, illustriert mit Zeichnungen des Autors. Eine karge Landschaft, sparsame Gespräche, kein Wort zu viel. Zhadan zeigt eine erschöpfte Gesellschaft. Das Wort Krieg kommt nicht vor, nur einmal geht es um die "Russen". Die erste Erzählung handelt vom Sterben, die letzte von der Zukunft der Ukraine, ihre Kinder.
Im Mittelpunkt stehen der Alltag der Menschen, ihre stille Hilfsbereitschaft und Kameradschaft
Das Wort "ukrainisch" wird nur im Zusammenhang mit einer unbeliebten Lehrerin in Charkiw erwähnt. Aus der Perspektive der Betroffenen erzählt Zhadan über den Alltag der Menschen, ihre stille Hilfsbereitschaft und Kameradschaft. Es geht um einen kleinen Kreis - eine Soldatin beim kurzen Fronturlaub zu Hause, einen verliebten Kommandeur, zivile Helfer und ein Soldatenbegräbnis, den Besuch eines Klassenkameraden, der im Rollstuhl sitzt und einen Musiklehrer, der in seinem Handy die Namen seiner getöteten Schüler löscht.
Es findet sich aber auch eine fröhliche Geschichte: eine Hochzeit, die Kameraden sind da. Was haben sie vor dem Krieg gemacht? Sie studierten, verdienten Geld, bereisten die Welt. Im Großen und Ganzen hatte ihr Leben in der Ukraine stattgefunden, bevor an jenem düsteren Wintertag im Februar 2022 dieses Leben zu Ende ging. Heute ist nichts mehr davon übrig. Also musste man zusammenhalten, betont Serhij Zhadan. Das tun die Ukrainer.
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