Vor 40 Jahren : Kontroverse Debatte um das Vermummungsverbot
Es ging um Sonnenbrillen und Badehosen: 1985 lieferten sich Opposition und Koalition im Bundestag einen Schlagabtausch über das Vermummungsverbot für Demonstranten.
Einige Abgeordnete der Grünen trugen am 28. Juni 1985 im Bundestag demonstrativ Sonnenbrillen. Debattiert wurde damals über das sogenannte Vermummungsverbot: "Es gibt bei uns neben Tausenden von friedlichen Demonstrationen Hunderte Demonstrationen mit gewalttätigen Ausschreitungen mit Hunderten von verletzten Polizeibeamten, verletzten Demonstranten und hohen Sachschäden", beschrieb Anton Stark (CDU) die Situation. Täter seien häufig nicht gefasst worden, weil sie vermummt gewesen seien.
CDU sprach von Demonstranten, die "passiv bewaffnet" seien
In namentlicher Abstimmung beschloss der Bundestag, dass die Vermummung oder das Tragen von "Schutzwaffen" bei Demonstrationen als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Unter bestimmten Voraussetzungen wurde es sogar eine Straftat.

Wer sich - wie hier bei einer Friedensdemonstration 1981 in Berlin - während eines Protests vermummt, begeht nach dem sogenannten Vermummungsverbot eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat.
Durch eine Änderung des Versammlungsgesetzes war es künftig untersagt, bei öffentlichen Versammlungen oder Demonstrationen Gegenstände mit sich zu führen, die "dazu bestimmt sind", Vollstreckungsmaßnahmen der Polizei abzuwehren. Ferner durfte man nicht mehr an solchen Veranstaltungen in einer Aufmachung teilzunehmen, die "darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern".
CDU-Mann Stark sprach in diesem Zusammenhang von Demonstranten, die "passiv bewaffnet" seien. Das Protokoll verzeichnet hier einen Zuruf der SPD: "Was ist ,passive Bewaffnung'?"; Stark antwortete: "Ich kann das jetzt aus Zeitgründen nicht im einzelnen definieren."; daraufhin ein Zuruf der Grünen: "Eine über den Kopf gezogene Badehose!" Es sollte nicht der einzige Schlagabtausch bleiben.
Grüne bezeichneten den Gesetzentwurf als verfassungswidrig
Während Union und FDP das Gesetz verteidigten, gab es von der Opposition heftige Kritik. Ein Rückgang der Gewalttätigkeiten sei nicht zu erhoffen, glaubten Grüne und SPD. Alfred Emmerlich (SPD) erklärte, es sei ein fundamentaler Grundsatz des Rechtsstaates, dass eine Strafe nur für eine Straftat angedroht werde. Das neue Gesetz sei eine Perversion dieses Gedankens, da es erlaube, auch Demonstranten zu bestrafen, die keine Gewalt ausgeübt haben. Christian Ströbele (Grüne) bezeichnete das Gesetz gar als verfassungswidrig, weil es wegen der unklaren Begriffe gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstoße. Um ein Haar hätte er das Rednerpult räumen müssen, weil er sich dort stehend eine Mütze aufsetzte und wissen wollte, ob er sich damit vermummt habe.
„Sie sind heute hier mit dunklen Sonnenbrillen gekommen und haben einen albernen Gag veranstaltet, der der Würde des Hauses nicht entspricht.“
An die Grünen-Abgeordneten gewandt sagte Karl Miltner (CDU): "Sie sind heute hier mit dunklen Sonnenbrillen gekommen und haben einen albernen Gag veranstaltet, der der Würde des Hauses nicht entspricht." Die Grünen hätten “damit sichtbar gemacht, dass Sie nicht nur einäugig sind, sondern sogar blind. Und wenn ich Ihre unqualifizierten Beiträge hier höre, kann ich nur sagen: Sie hätten nicht nur die Sonnenbrille mitbringen sollen, sondern auch ein Brett vor dem Kopf.”
Noch heftiger fielen die Worte von Detlef Kleinert (FDP) aus. "Sie", die Grünen, "machen mir hier die Sache leicht mit Ihren hervorragenden Sonnenbrillen". Diese reichten gar nicht "zur Erschwerung der Identifizierung". Kleinert weiter: "Es könnte höchstens die Idee erwecken, dass wir nicht über Paragraf 125, sondern über Paragraf 180a des Strafgesetzbuches sprechen." Paragraf 180a stellt Zuhälterei unter Strafe.
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